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Tag der Allgemeinmedizin – Aus der Praxis für die Praxis

Am 19. Mai wird weltweit der „Tag der Allgemeinmedizin“ begangen - ein wichtiger Bereich auch an der JKU.

von links: Drda, Zelko, Lukas, Holzhaider, Eicher
von links: Drda, Zelko, Lukas, Holzhaider, Eicher

Der Fokus richtet sich auf die Berufsgruppe Hausärzt*innen und ihre zentrale Funktion als interdisziplinäre Expert*innen und Drehscheibe im Gesundheitssystem. Anforderungen und Berufsbild, aber auch Herausforderungen haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Im Medizinstudium der Johannes Kepler Universität Linz absolvieren die Studierenden bereits im ersten Semester ein Ordinationspraktikum in einer allgemeinmedizinischen Praxis.   

Die Allgemeinmedizin als lehrintensives Fach ist mit einem eigenen Lehrstuhl eine markante Säule im Medizinstudium an der JKU. Das Institut für Allgemeinmedizin bildet unter der Leitung von Prof.in Dr.in Erika Zelko die Brücke zwischen der klinischen wissenschaftlichen Medizin und der ambulanten hausärztlichen Tätigkeit. Medizinstudierende früh für den Beruf Hausärztin bzw. Hausarzt zu begeistern und Vielfalt und Möglichkeiten dieser Fachrichtung aufzuzeigen, ist Ziel und Aufgabe der mehr als 100 Lektor*innen, die die Bandbreite des Fachs theoretisch und praktisch lehren.        

 „Die JKU hat eine Medizinische Fakultät für das 21. Jahrhundert geschaffen, und das spiegelt sich auch in der Lehre wider“, sagt JKU Rektor Meinhard Lukas. „Wir unterrichten greifbar, praxisbezogen und modern: Von der digitalen Anatomie im JKU medSPACE über praxisnahe Lehre in den Skill Labs bis zu den vielfältigen Möglichkeiten vor Ort, um in den Ordinationen von den Besten zu lernen. Eine ganzheitliche auf Versorgung ausgerichtete Medizin ist die Basis. Deshalb ist eine fundierte Ausbildung der Allgemeinmediziner*innen von morgen essenziell“, so Rektor Lukas.  

Stipendium für Famulaturen in der Allgemeinmedizin
In der Leistungsperiode 2022-2024 legt die Medizinische Fakultät einen weiteren Schwerpunkt auf die Allgemeinmedizin. Es wird ein Stipendium für Famulaturen in Allgemeinmediziner*innen-Praxen geben.

Uns ist bewusst, dass wir als Medizinische Fakultät auch gesellschaftliche Verantwortung tragen. Die Versorgung durch qualifizierte Hausärzt*innen ist das Fundament unseres Gesundheitssystems“, erklärt Elgin Drda, Vizerektorin für Medizin der JKU.
„Mit einem neuen Stipendium in der Höhe von 400 Euro für ein vierwöchiges Praktikum in der Allgemeinmedizin möchten wir Famulant*innen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Studium für die Allgemeinmedizin begeistern“, sagt Vizerektorin Drda. 

Allgemeinmedizin im 21. Jahrhundert
Interdisziplinär ausgebildete Hausärzt*innen sind als erste Ansprechpartner*innen und Drehscheibe essenziell für die medizinische Versorgungsqualität in Oberösterreich. Doch nicht zuletzt aus demographischen Gründen steht die Allgemeinmedizin in den nächsten Jahren vor Herausforderungen: Die Anzahl der Vertragsärzt*innen (inkl. Zweitordination) beträgt in Oberösterreich derzeit 1.033 Ärzt*innen (Stand 27.4.2022). Davon gehören die 440 zur „Baby Boomer Generation“ (1946-1964) 440, die ab 2025 das Alter 60+ erreicht haben. Die erste Hälfte der „Generation X“ (1965-1973) umfasst 293 Ärzt*innen, die das Pensionsalter in den Jahren 2025 bis 2033 erreichen. Das bedeutet in den kommenden 10 Jahren ein Minus von 79% in der Versorgung im niedergelassenen Bereich. 

 „Wir möchten das Zeitfenster zwischen 2025 und 2030 nutzen, um den Wissenstransfer zwischen den Ärzt*innengenerationen sicherzustellen“, sagt Univ-Prof.in Dr.in Erika Zelko.

„Durch nachhaltige Lehre und Forschung möchten wir die Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft finden und die evidenzbasierte Allgemeinmedizin auf das Fachärzt*innenniveau heben. Wir etablieren eine Ausbildung, die Patient*innen und ihre Familien in den Mittelpunkt regionaler Versorgung stellt. Mit 175 Lehrveranstaltungen pro Semester bilden wir die künftigen Hausärzt*innen bestmöglich aus“, so Prof.in Zelko.   

Das gemeinsame Ziel lautet: Ärzt*innen der Allgemeinmedizin sollen ihre Patient*innen in Oberösterreich mittels moderner, sicherer und qualitativ hochwertiger Leistungen versorgen.

Aus der Praxis: Dr.in Johanna Holzhaider, Hausärztin Gruppenpraxis Sandl
Die Allgemeinmedizinerin Johanna Holzhaider übernahm 2006 eine als Einzelkassenpraxisgeführte Ordination in Sandl. 2014 beschloss sie mit ihrer ehemaligen Kollegin aus dem Turnus, Dr.in Hedwig Eichler, gemeinsam in Form einer Jobsharing-Gruppenpraxis zu arbeiten. Das Jobsharing-Modell ist mittels Dienstplan streng geregelt. Montag vormittags arbeiten beide Ärztinnen gemeinsam, wodurch mehr Zeit für längere Patien*innengespräche und für den Austausch zwischen den beiden Ärzt*innen und ihrem Team bleibt. Die anderen Ordinationszeiten werden aufgeteilt.

„Meine Selbstständigkeit empfand ich nie als Bürde, sondern als kontinuierlichen, dynamischen Prozess mit dementsprechendem Gestaltungsfreiraum und vielen Entscheidungsfreiheiten wie zeitliche Planung, Arbeitsteilung und Patient*innenfrequenz“, sagt Dr.in Holzhaider. „Ich schätze die Familienfreundlichkeit durch die flexiblen Ordinationszeiten, vor allem seit der Installierung des HÄND (Hausärztlicher Notdienstes), wodurch die Belastung der Nachtdienste deutlich reduziert wurde. Die Kontinuität der Betreuung ermöglicht ein, Mitleben‘ mit unseren Patient*innen.“

Der Arbeitstag beginnt meist mit Blutabnahmen und Patient*innen mit akuten Anliegen, anschließend ist ein Zeitblock für Befundbesprechungen, Untersuchungen und Therapien für nicht infektiöse Patient*innen reserviert und gegen Ende der Ordination werden die infektiösen Patient*innen eingeplant. Nach der regulären Ordination fahren die Ärzt*innen abwechselnd zu nicht mobilen Patient*innen. Zeitliche Puffer für Telefonate und Akutsituationen müssen zudem eingeplant werden.
„Dies alles jeden Tag aufs Neue bestmöglich unter einen Hut zu bringen, ist die tägliche Herausforderung in einer Praxis. Neben den medizinischen Herausforderungen ist aber gerade diese logistische Aufgabe auch eine zufriedenstellende“, sagt Dr.in Holzhaider.

In die Praxis: Edith Eicher, Medizinstudentin an der JKU
Edith Eicher studiert im 8. Semester Medizin an der Medizinischen Fakultät der JKU.

„Meine Vorstellungen des Berufsbildes sind äußerst vielfältig, da Allgemeinmediziner*innen in unterschiedlichsten Bereichen gebraucht werden. Ob im niedergelassenen Bereich in einer Ordination, in Kureinrichtungen oder Schulen – ich denke, dass Allgemeinmediziner*innen viele Türen offenstehen. Besonders inspirierend finde ich die langjährige Beziehung zu den Patient*innen und damit die Möglichkeit, sich sehr intensiv mit den Patient*innen und ihrem Umfeld zu beschäftigen – auf medizinischer, sozialer und psychischer Ebene“, meint Edith Eicher.

Am Medizinstudium an der JKU schätzt Edith Eicher, dass Studierende schon früh und das gesamte Studium hindurch regelmäßig im Track „Ärztliche Fähigkeiten und Fertigkeiten“ die Möglichkeit vorfinden, von Allgemeinmedizinern*innen zu lernen und sich mit ihnen auszutauschen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, in den Ferien an der „Summer School Allgemeinmedizin“ teilzunehmen, wo Studierende im Rahmen von Ordinationsbesuchen, Vorträgen und Diskussionen einen Einblick in die hausärztliche Tätigkeit bekommen. Positiv zu erwähnen sei zudem, dass die Lehrenden jederzeit offen für Verbesserungsvorschläge und Erweiterungen sind, die durch regelmäßige Evaluierungen erhoben werden und zur Qualität der Lehre beitragen.

Sicherlich stellt der Einblick in die Praxis in Form von Famulaturen oder der Summer School und das Aufzeigen der vielfältigen Möglichkeiten nach Abschluss der Ausbildung eine gute Möglichkeit dar, Studierende für das Fach Allgemeinmedizin zu begeistern. Darüber hinaus wären Erfahrungsberichte von jungen Hausärzt*innen sowie regelmäßiger direkter Kontakt zu allgemeinmedizinischen Patient*innen Möglichkeiten, Studierende auf das Fach aufmerksam zu machen“, so Eicher.

Schwerpunkt Allgemeinmedizin im Medizinstudium der JKU
Die JKU hat 75 Lehrordinationsverträge mit Allgemeinmediziner*innen in OÖ abgeschlossen. Dort können die Studierenden Aufgaben und Tätigkeiten in einer Ordination hautnah miterleben. Bereits in den ersten beiden Wochen des ersten Semesters absolvieren die Studierenden ein verpflichtendes Ordinationspraktikum in einer allgemeinmedizinischen Praxis. Im Rahmen der Pflichtfamulatur können die Studierenden bis zu vier Wochen in einer allgemeinmedizinischen Ordination lernen und arbeiten. Zusätzlich können weitere je 4 Wochen Famulatur (insgesamt 8 Wochen) als freie Studienleistung absolviert werden.

Ab dem Wintersemester 2022 wird es an der JKU ein Stipendium für Famulant*innen einer allgemeinmedizinischen Praxis geben. Der*die Student*in erhält einmalig 400 Euro als Stipendium von der JKU.

Im Klinisch-Praktischen Jahr (KPJ) gibt es eine besondere Förderaktion der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und der oberösterreichischen Ärztekammer (ÄKOÖ). So wird das vierwöchiges Pflichtpraktikum in einer allgemeinmedizinischen Lehrordination mit einem „Taschengeld“ in Höhe von 650 Euro pro Monat unterstützt. Weitere acht Wochen können als freie Wahlfachrichtung im KPJ-Jahr absolviert werden. Auch davon werden mindestens vier Wochen mit einem „Taschengeld“ in Höhe 650 Euro pro Monat entlohnt.

Seit 2016/17 gab es an der Medizinischen Fakultät der JKU 446 Studienabschlüsse (371 Bachelor, 74 Master, 1 PhD).

Statements zum Tag der Allgemeinmedizin
Der Tag der Allgemeinmedizin soll die Leistungen der Hausärzt*innen vor den Vorhang holen. Er soll auch zeigen, wie positiv sich Ausbildung und Berufsbild in der Allgemeinmedizin entwickeln. Die hausärztliche Versorgung in den Regionen stellt - auch durch die Pensionierung geburtenstarker Jahrgänge - für alle Beteiligten im Gesundheitswesen eine große Herausforderung dar. Als Land bringen wir uns ein, wo immer wir mithelfen können: Primärversorgungsmodelle in den Regionen sind gerade für junge Ärzt*innen höchst attraktiv. Nicht zuletzt durch die Besetzung eines eigenen Lehrstuhls entwickelt die JKU die medizinische Ausbildung mit innovativen Lehrkonzepten weiter. Durch die Lehrpraxis und das Klinisch-Praktische Jahr lernen Studierende der Medizinischen Fakultät der JKU den Hausärzt*innenberuf direkt vor Ort kennen, der intensive Kontakt zur Allgemeinmedizin ist fix im Lehrplan verankert“, sagt LH-Stv.in und Gesundheitslandesrätin Mag.a Christine Haberlander.

„Die Einrichtung des Lehrstuhls für Allgemeinmedizin war und ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Es ist für die Studierenden wichtig, dass sie frühzeitig mit dem Berufsbild des Allgemeinmediziners bzw. der Allgemeinmedizinerin in Kontakt treten, das gilt auch für das Klinisch-Praktische-Jahr. Es ist wichtig, dass das Studium so aufgebaut ist, dass die Allgemeinmedizin die Grundlage der Ausbildung ist. Es ist aber auch notwendig, dass die Lehre genug Ressourcen zur Verfügung hat, um eine praxisnahe Ausbildung zu gewährleisten. Wir hoffen, dass mehr künftige Kolleginnen und Kollegen den Weg in die Praxis als Allgemeinmediziner*in finden. Das wäre für die ärztliche Grundversorgung ein ganz wichtiger Baustein“, betont Dr. Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich.