zur Sommerakademie 2012 (am 9.6.2012), von Dr. Ruth Sander (www.politik-im-raum.org, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster)
Die diesjährige Sommerakademie wählte nach 1 ½ Tagen dichten Wissenstransfers und –austauschs das Format von ‚Politik im Raum‘, um den Teilnehmenden die Möglichkeit einer Vertiefung des Themas auf einer anderen Ebene zu ermöglichen.
Dazu traf sich am Abend des zweiten Tagungstages eine kleine Gruppe Freiwilliger, die das Thema für die Aufstellung am nächsten Tag vorbereiteten. Nach zwei Stunden intensiven Ringens um Gedanken und Formulierungen stand die Frage für die Aufstellung:
„Wie können wir (die Engagierten) Lebensqualität für alle im Einklang mit der Natur umsetzen/erreichen?“
Dazu wurden auch schon die Elemente ausgewählt:
- die Engagierten,
- die herrschenden Eliten,
- die Medien,
- die Uninformierten,
- die sich ohnmächtig Fühlenden,
- die JA-Sager,
- die Natur.
Die herrschenden Eliten waren über die ganze Zeit der Aufstellung gut drauf, interessiert an allem: „Hier ist viel Raum, und wir sind an ihm interessiert!“ Sie hatten allerdings den Drang, nicht allein stehen zu wollen. Zu Beginn waren sie nahe den Medien, als ihnen die abhanden kamen, suchten sie die Nähe der Ja-Sager, und am Ende holten sie die Uninformierten in ihre Nähe.
Den Medien war zu Beginn ganz wichtig, viel Distanz zum Rest des Geschehens zu haben. Sie haben auch ungern Stellung bezogen, wollten lieber in Bewegung bleiben. Später sprachen sie von „aalglatt sich überall durchwinden“ zu wollen. Erst das Auftauchen der Natur änderte für die Medien etwas: Sie spürten, wie viele verschiedene Strömungen sie vertreten, dass es auch kritische und unabhängige Strömungen in ihnen gibt.
Die Uninformierten standen zu Beginn ganz für sich, bekamen schwer Luft, wollten sich am liebsten setzen (was sie, als sie die Erlaubnis dazu bekamen, dann doch nicht taten.) Sie waren wir erstarrt und uninteressiert am Rest des Geschehens.
Die sich ohnmächtig Fühlenden stellten sich in die Nähe der Engagierten, wodurch diese sich eher belästigt fühlten. Letztere suchten nach einem guten Platz zur eigenen Positionierung, dachten dabei an Nähe zur Elite und zu den Medien. Die Idee, die sich ohnmächtig Fühlenden auf ihre Seite zu ziehen, kam ihnen dabei nicht.
Die Ja-Sager standen gern allein für sich und suchten nach interessanten und bunten Möglichkeiten, zu denen sie Ja sagen konnten.
Als wir Veränderungen zuließen und die Interessensgruppen ihren Impulsen folgen durften, war die interessanteste Veränderung die bei den sich ohnmächtig Fühlenden: Durch die Veränderung Anderer verloren sie ihr Gefühl der Ohnmacht und verwandelten sich in vorsichtig Engagierte. Das wiederum hatte zwei weitere Auswirkungen: Die Uninformierten wurden milde neugierig aufs Geschehen, und die Engagierten sahen es gar nicht gern, dass weitere Engagierte auftauchten bzw. von sich behaupteten, auch Engagierte zu sein.
Der Natur, die noch gar nicht im Spiel war, ging es inzwischen richtig schlecht. Sie wartete darauf, endlich ihren Platz einnehmen zu dürfen, der für sie genau in der Mitte des Geschehens war. Als sie ihn nun einnehmen durfte, schwankte sie seitlich stark hin und her, erst allmählich beruhigte sie sich.
Das Erscheinen der Natur hatte auf alle Auswirkungen, bis auf die Uninformierten. Die Elite war interessiert, die Medien wurden z.T. nachdenklich, den neuen Engagierten (= ehemals sich ohnmächtig Fühlenden) ging es schlechter, weil sie mit der Natur litten, die Ja-Sager waren eher irritiert, wussten noch nicht so genau, ob das ein neues spannendes Angebot zum Ja-Sagen sein könnte, und die Engagierten waren erleichtert: Sie zog es jetzt zur Natur statt zu Eliten oder Medien.
Gefragt, ob denn die Einleitungsfrage Relevanz für sie hätte und wenn ja, welche, war die Reaktion der neuen Engagierten am eindeutigsten: Sie wollten an alle appellieren, sich für die Natur und Lebensqualität einzusetzen. Das löste teilweise Interesse, teilweise Indifferenz aus.
An dieser Stelle beendeten wir die Aufstellung und begannen Dialogrunden mit je ca. 10 Teilnehmenden, an die sich eine gemeinsame Schlussrunde im Plenum anschloss.
Eigene Gedanken dazu, mehr oder weniger provokativ:
- überraschend das Interesse und die Offenheit der Eliten; die wirkten so gar nicht rücksichtslos oder voll Eigennutz. Wie offen für Kooperation wären sie wohl, wenn wir sie so wahrnehmen würden?
- überraschend auch die Neugier der Ja-Sager; am Vorabend hatten wir über Eichmann und Pflichterfüllung gesprochen; davon war bei diesen Ja-Sagern gar nichts zu spüren. Klingt, als müssten diese Art Ja-Sager mit interessanten und bunten Projekten oder Aussagen gelockt werden, um sich für Engagement zu entscheiden.
- Die Uninformierten fühlten sich offensichtlich gänzlich allein. Ihnen tat Aufmerksamkeit und Einladungen, an der Hand genommen werden gut.
- Die sich ohnmächtig Fühlenden wären eigentlich leicht zu gewinnen gewesen; sie wurden aber links liegen gelassen und – nach meinem Eindruck – eher als Konkurrenten empfunden, als sie dann auch Engagement zeigten.
- Die Engagierten schienen zu Beginn hauptsächlich damit beschäftigt zu sein, sich strategisch gut zu positionieren. Sie hatten gar keine Zeit, die anderen Gruppen um sich wahrzunehmen und schon gar keinen Impuls, mit ihnen Kontakt aufzunehmen oder zu versuchen, sie zu Verbündeten zu machen. Erst das Erscheinen der Natur tat ihnen gut, da vergaßen sie ganz das Ringen um ihre Position – müde gekämpft oder positioniert?