09:00 – 10:00h (Plenum): Eröffnung
Opening: Walter Ötsch
Eröffnungsvortrag: Claus Thomasberger (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, FB Wirtschaftswissenschaften):
‘Wenn vermeintliches Wissen ‚die Welt regiert’. Zum Verhältnis von ökonomischem Denken, gesellschaftlichen Tatsachen und Demokratie
Kaffeepause
Session 1: Economics as Knowledge (chair: Stephan Pühringer)
10:30 – 11:30h: Is Economics a Misanthropic Science?
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Vortrag von Sebastian Thieme (Universität Hamburg, ZÖSS)
Discussant: Stephan Pühringer
Abstract: The presentation gives a brief introduction to the phenomenon of economics misanthropy, i.e. the violation of the idea of human dignity, human integrity, and/ or human equality, within and by the economic theory. Therefore, the essay concentrates on the discussion of three basic elements of economics misanthropy, namely the negative idea of human being, the concept of competition, and the abstractness of economic theories, respectively what some scientists call ‘reification’. As the article tries to show, these elements are very typical for economic theory and teaching, but they are also relevant for our real world. However, economics is not a misanthropic science by nature. As the history of economic thought shows, some means of the reduction of misanthropy can be found within the works of, to mention just a few, Adam Smith, Johann Heinrich von Thünen and Arthur Spiethoff.
11:30 – 12:30h: ‘Knowing’ the boundary: Sematic demarcations between economic and the political in modern economic discourse
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Vortrag von Stefan Scholl (Universität Bielefeld und Universität Siegen)
Discussant: Stephan Pühringer
Abstract: Dass Wirtschaft und Politik zwar eng aufeinander bezogene, aber fundamental getrennte Bereiche mit eigenen Handlungslogiken, Gesetzmäßigkeiten und Akteuren sind, wird von einem Großteil wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Ansätze vorausgesetzt und gehört zum Alltagswissen vieler Menschen, welches nicht weiter hinterfragt wird. Gleichzeitig sind Debatten um die ‚richtige‘ Abgrenzung von Wirtschaft und Politik, die Notwendigkeit und Reichweite ‚politischer Interventionen‘ in den Ablauf des Marktes, die Gefährdungen des Ökonomischen durch ‚die Politik‘ wie auch vice versa seit dem 19. Jahrhundert omnipräsent und hochgradig kontrovers. Den Wortführern im liberal-ökonomischen Diskurs, akademischen Ökonomen und Unternehmerverbänden, kommt in diesen Debatten eine tragende Rolle zu, die dabei selbst aus dem Diskurs erwächst: Indem diese Akteursgruppen ihr ‚Wissen‘ um das Ökonomische als ‚unpolitisch‘, die reinen ‚Sachgesetze‘ des Ökonomischen betreffend markieren, etablieren sie sich zu Fürsprechern einer autonomen ökonomischen Rationalität, die ‚der Politik‘ gegenüber spezifische Ansprüche und Handlungsanforderungen stellt.
Mein Dissertationsprojekt, das ich auf der Tagung gerne in Ausschnitten vorstellen würde, beschäftigt sich mit der Frage, mit welchen Semantiken, Metaphern und Deutungsmustern die stets umstrittene Grenzziehung von ‚Wirtschaft‘ und ‚Politik‘ vorgenommen wird. Dabei konzentriert es sich auf Deutschland im 20. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre. Die liberalökonomische diskursive ‚Selbstvergewisserung‘, die sich in diesem Zeitraum beobachten lässt – so die zentrale These –, bringt die Abgrenzung von ‚Wirtschaft‘ und ‚Politik‘ und damit die Evidenz eines autonomen ökonomischen Bereiches erst hervor.
Session 2: Die Ökonomisierung von Wissen (chair: Katrin Hirte)
10:30 – 11:30h: Ökonomisierung der Wissenschaft – contra: Die Wissensgesellschaft zwischen Wissenswirtschaft und neuem Humanismus
Vortrag von Bertram Schefold (J.W.Goethe-Universität Frankfurt, FB Wirtschaftswissenschaften)
Discussant: Walter Ötsch
Abstract: Diesen Vortrag gibt es auch als fertiges Paper.
Wissenskulturen hat es stets gegeben; von einer Wissensgesellschaft kann gesprochen werden, wenn sich zur Entwicklung und Tradierung der Wissensinhalte besondere Strukturen arbeitsteilig herausbilden. Unter den zeitgenössischen Beschreibungen historischer Wissenskulturen ragt diejenige Ibn Khalduns heraus. Heute entsteht eine Wissenswirtschaft, gegründet auf individuelles Humankapital, spezialisiertes Wissen in Unternehmen, allgemeines Wissen (nationale Innovationssysteme); darüber wird Wissen global ausgetauscht und fördert die Rationalisierung. Schon im Altertum wurde eine Spannung zwischen Wissenserwerb und Bezahlung für Wissenstransfer gesehen (Philosophenschulen). Es war eine noch heute partiell gültige Lösung, die Wissensvermittlung als Gabentausch zu interpretieren, der wechselseitige Anerkennung voraussetzt (Ricoeur). Nur teilweise lässt sich Wissen über den Markt vermitteln; Hindernisse bestehen beispielsweise beim impliziten Wissen, wie schon die französischen Enzyklopädisten erfuhren, als sie die Handwerksgeheimnisse offen zu legen suchten. Die ökonomische Rolle des Wissens ist dann besonders von der deutschen Historischen Schule untersucht worden, die Wissenschaft als Produktivkraft begriff; ein Pionier war Storch mit seinem Begriff der inneren Güter, der den Ansatz der Wissenssoziologie Bourdieus vorwegnahm. Die neue Wachstumstheorie versucht eine Synthese der Wissensökonomie (Romer). Wie die Zuspitzung der Wissensökonomie zu einer Verarmung des Bildungsbegriffs führt, lässt sich am Beispiel der europäischen Wissensgesellschaft illustrieren, aber auch anhand der Evaluierungsverfahren in der universitären Wissenschaft. Es stellt sich schließlich die Frage, welche Idee von Bildung diesem fortgesetzten Rationalisierungsprozess gegenübergestellt werden kann.
11:30 – 12:30h: Wissen ist keine Ware, Bildung hat keinen Wert (Tonaufnahme anhören, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster)
Vortrag von Erich Ribolits (Universität Wien, Institut für Bildungswissenschaft)
Discussant: Katrin Hirte
Abstract: Anders als bei realen Gütern, die im Prozess der Verwandlung von Geld in mehr Geld als Zwischenmedium eine Rolle spielen, verliert ein »Verkäufer von Wissen« dieses bei seiner Weitergabe nicht. Wissen verbraucht sich durch seine Verausgabung nicht, tatsächlich »vermehrt« es sich dabei sogar. Wird Wissen durch eine Person einer anderen vermittelt, kommt es quasi zu einer Verdoppelung – nach dem Vermittlungsprozess sind sowohl »Käufer« als auch »Verkäufer« im »Besitz« des Wissens. Indem der (Tausch-)Wert einer Sache mit ihrer Verfügbarkeit korreliert, verkörpert etwas das sich im Verkaufsvorgang »vermehrt« – und somit tendenziell unbegrenzt verfügbar ist – aber keinen Wert. Etwas, was man weggeben kann und dabei dennoch behält, passt nicht in das Korsett einer Ware.
Solange nur Menschen Träger formalen Wissens sein konnten, stellte die Weitergabe von Wissen eine zeitintensive und deshalb der Verwertung zugängliche Dienstleistung dar. Die Bedeutung des Menschen als Träger formellen Wissens nimmt derzeit allerdings rapide ab. Die Informations- und Kommunikationstechnologie macht es möglich, die für Produktion und Verwaltung erforderlichen, bisher an das »Trägermedium Mensch« gebundenen Kenntnisse und Fertigkeiten manueller und kognitiver Art in anwachsendem Maß von Menschen getrennt in Form von Software zu speichern und als Maschinen-Wissen abzurufen.
Nur mit Hilfe juristischer und technischer Kunstgriffe lässt sich Wissen weiterhin als Ware »verkleiden«. Damit sich digital gespeichertes Wissen für seinen »Eigentümer« in Form von Profit und Marktmacht rentiert, muss letztendlich genau das unterbunden bzw. reglementiert werden, was die euphorische Hoffnung darauf, dass Wissen zur neuen Profitquelle in der Wissensgesellschaft heranwachsen wird, überhaupt erst entstehen hat lassen – seine problemlose Reproduzierbarkeit. Das Spezifische digitalen Contents, dass er problemlos und (nahezu) kostenlos vervielfältigt und verbreitet werden kann, muss durch rechtliche oder technische Sperren verhindert werden. Der Tauschwert von speicherbaren formalen Wissen ist letztendlich gänzlich an die Möglichkeit geknüpft, seine Nutzung monopolisieren zu können. Dass dieses Unterfangen auf Dauer allerdings nicht von Erfolg gekrönt sein kann, lässt sich sehr gut am alltäglichen Urheberrechtskampf im Software- oder digitalen Musikbereich ermessen.
MITTAGSPAUSE
Freitag, 13.12.2013, Nachmittag
Session 3: On the History of Economic Reasoning (chair: Arne Heise)
14:00 – 15:00h: On Bubbles in Economics and in the Economy
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Vortrag von Heinz-Dieter Kurz (Universität Graz, Institut für Volkswirtschaftslehre)
Discussant: Sebastian Thieme
Abstract: People form an opinion about the world or segments of the world in which they live. Economics is concerned with such a segment. Competing economic theories are opinions about the segment under consideration. Given the complexity of the subject matter there is no presumption that economists will ever fully understand the object of their investigation and arrive at a universally accepted theory. An economic theory may help us to understand the segment, but it may also blind us to important factors at work and thus produce in our mind a very distorted view of reality. Contagion and herd behaviour do not exist only amongst laymen and agents in the real world, but also amongst researchers in general and economists in particular. Reputation mechanisms serve as amplifiers and may engender an intellectual bubble. The theory of opinion dynamics provides an insight into the mechanisms at work. The paper exemplifies bubble building in terms of references to the history of economic analysis.
15:30 – 16:30h: Economics After Keynes: What Could Have Been, What Might Still Be
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Vortrag von Anna Carabelli (Dipartimento di Studi per l’Economia e l’Impresa, Università del Piemonte Orientale “Amedeo Avogadro” – Alessandria, Novara)
Discussant: Heinz-Dieter Kurz
Abstract: Keynes cannot claim to have fostered a revolution in economic methodology. But historians of economic thought and methodologists cannot refrain from speculating about the essence of this attempted revolution, and the current twin crises of global economy and economic theory provide good reasons to investigate this issue. This paper elaborates on Keynes’s vision of economics as a branch of probable logic, a way of thinking about the economic material, a method to analyse economic problems, that makes use of non-demonstrative reasoning. We therefore investigate the continuity Keynes’s mature economic writings provide with the Treatise on Probability. In particular, we focus on Keynes’s rejection of the assumption of complete knowledge (that is, of both determinism and the positivist view of knowledge as based upon certainty) and the resulting need he felt to construct a theory of partial knowledge. We highlight the crucial role played by partial knowledge in both Keynes’s reasoning in economics (his “method”) and concrete suggestions of practical policies. In so doing, we clarify the epistemological nature of the concept of “radical uncertainty”, centred on the limited bases available to form calculable probability, underlying Keynes’s economics. After showing evidence, and examining the implications of such fundamental difference between Keynes’s reasoning and the (neo)classical theory attacked in the General Theory, we speculate on the legacy of Keynes’s theory of partial knowledge and radical uncertainty for today’s economics. In particular, we focus on the potential relevance of Keynes’s “method” to “complexity economics” and the challenge this latter currently poses to conventional neoclassical thinking.
16:30 – 17:30h: On Pluralism and Truth in Economics (Video ansehen, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster)
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Vortrag von Iona Negru (Anglia Ruskin University Cambridge) als Skype-Konferenz
Abstract: Pluralism is one of the most problematic concepts in the social sciences. Despite a burgeoning debate on the nature of pluralism and its relevance for economics, consideration of pluralism within economics has a short history. This paper identifies various conceptions of pluralism that have been proposed by heterodox economists and what would be their implications for economics as a discipline. Also, the paper discusses some reflections on the impact of pluralism debate for economic pedagogy and on the economic profession barriers against introducing forms of pluralism in economics. Finally, the paper argues for the importance of introducing pluralism in economics at the level of methodology, pedagogy and policy-making as a way to address some of the fundamental problems exhibited as a discipline. The paper postulates a return to philosophy of science, epistemology and critical reflection as a fruitful direction for discussing and implementing pluralism in economics.
Session 4: Wirkungen (ökonomischen) Wissens (chair: Jürgen Nordmann)
14:00 – 15:00h: Ökonomik – Politikwissenschaft – Soziologie: Konvergenz im sozialwissenschaftlichen Feld?
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Vortrag von Alexander Lenger (Goethe-Universität Frankfurt am Main, FB Wirtschaftswissenschaften)
Discussant: Heinrike Sander
Abstract: Es ist dem Soziologen Pierre Bourdieu zu verdanken, aufgezeigt zu haben, dass die Hauptmotivation von Forscher/innen nicht allein in der Suche nach objektiver wissenschaftlicher Erkenntnis liegt, sondern dass im akademischen Feld – wie auch in allen anderen gesellschaftlichen Feldern – substantielle Klassifikationskämpfe um feldspezifische Positionen, Ressourcen und wissenschaftliche Reputation stattfinden. Aus wissenschaftssoziologischer Perspektive erscheint es daher geboten, eine Feldanalyse im Anschluss an Pierre Bourdieu durchzuführen, dessen Theorie als Theorie konflikthafter Differenzierung zu verstehen ist.
Prototypisch für Feldgegensätze beschreibt Bourdieu den Gegensatz von Orthodoxie und Häresie auf dem religiösen Feld sowie den Gegensatz von autonomen und heteronomen Pol auf dem künstlerischen Feld. Diese chiastischen Strukturen finden sich laut Bourdieu in allen Feldern und Subfeldern wieder. Gemäß dieser Ausgangslage befasst sich der Beitrag mit der Position der Wirtschaftswissenschaften im sozialwissenschaftlichen Feld und versucht die für die Sozialwissenschaften konstitutiven Feldstrukturen theoretisch herzuleiten. Hierzu wird in einem ersten Schritt die Feldtheorie von Bourdieu vorgestellt und die Struktur des wissenschaftlichen Feldes beschrieben. Daran anschließend werden erste systematische Überlegungen zum sozialwissenschaftlichen Feld vorgestellt und anhand erster Befunde zum soziologischen Feld geprüft.
15:30 – 16:30h: Modellierungskulturen in der Ökonomik: Vom Disziplinierungsinstrument zum Treiber von Theoriepluralismus?
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Vortrag von Hanno Pahl (Universität Luzern, Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Soziologisches Seminar)
Discussant: Karl Beyer
Abstract: Die Wirtschaftssoziologie konturiert ihre Identität zu einem guten Stück über eine Abgrenzung von „der“ neoklassischen Ökonomie und dem dortigen „Modellplatonismus“. So sinnvoll diese Variante von Ökonomiekritik auch sein mag, sie ist an entscheidenden Stellen unterkomplex: So bescheidet sie sich in der Regel mit einer Explikation dessen, was Modelle nicht sind oder leisten, nämlich eine 1:1-Abbildung der Realität. Hier wird die Frage vernachlässigt, welches denn mögliche „positive“ Leistungen oder Funktionen von Modellierung darstellen. Dieses Defizit ist sichtlich mit einer unterkomplexen Kompaktunterscheidung von Modell und Realität verbunden, die es erschwert, sich detailliert mit den verschiedenartigen Realitätsbezügen und Abstraktionsstrategien von Modellierungen auseinanderzusetzen. Daneben verhindert die Fokussierung auf die neoklassischen Stränge der Ökonomik das Ausloten alternativer Modellierungstraditionen innerhalb der Wirtschaftswissenschaft.
Ich möchte in meinem Beitrag einen stilisierten Vergleich zweier Modellierungskulturen anstellen, die zunächst ganz pauschal als „neoklassische“ und „post-neoklassische“ Varianten bezeichnet werden können. Die These die ausgelotet werden soll besteht in der Vermutung, wonach die Rolle von Modellbildungspraxen in der neoklassischen Wissenschaftskultur primär als Disziplinierungsinstrument sowie als Katalysator neoklassischer Monoparadigmatik bestimmt werden kann, wohingegen interdisziplinär entstandene Verfahren neueren Datums (Agent Based Modeling) als mögliche Treiber eines größeren Theorienpluralismus innerhalb der Wirtschaftswissenschaft gewertet werden können.
Es soll erläutert werden, inwiefern die neoklassische Tradition durch eine spezifische Verkopplung von inhaltlichen Prämissen und mathematischen Modellierungstechniken gekennzeichnet war und ist, während Simulationsverfahren wie Agent Based Modeling mehr als eine offene Experimentierumgebung fungieren, die seitens zahlreicher – gerade auch heterodoxer Ansätze – in pragmatischer Weise eingesetzt werden kann. Diese Überlegungen werden angereichert mit Hinweisen auf den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext der Wirtschaftswissenschaften in der Nachkriegszeit und der Gegenwart. Neben Bezügen auf die einschlägige Science-Studies-Literatur zu ökonomischer Modellierung (etwa: Morgan, Boumans, Yonay) wird sich der Input auf Experteninterviews mit Vertretern der evolutionären Ökonomik beziehen, die selbst mit agentenbasierten Simulationen arbeiten.
Am Ende soll kurz der Bogen zur Soziologie zurückgeschlagen werden: Eine mikrologisch ansetzende wissenschaftssoziologische Betrachtung der Ökonomik, so die These, kann der Soziologie nicht nur einen wichtigen Forschungsbereich erschließen, sie kann auch Impulse für die Fortschreibung der Wirtschaftssoziologie liefern: An die Stelle der hauptsächlichen Fokussierung (qua Abgrenzung) auf die Neoklassik rücken mögliche „Kollaborationen“ mit nicht- oder postneoklassischen Forschungstraditionen stärker ins Zentrum.
16:30 – 17:30h: Alternative theoretische und methodische Ansätze und die Qualität des wirtschaftspolitischen Diskurses
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Vortrag von Günther Chaloupek, (Arbeiterkammer Wien)
Discussant: Hanno Pahl
Abstract: Wirtschaftspolitische Entscheidungen werden getroffen im dreifachen Kontext von Sachzwängen, Machtverhältnissen und Sachdiskursen. Die relative Bedeutung dieser Determinationsebenen wird hier nicht näher untersucht. Der folgende Beitrag diskutiert die Bedeutung alternativer theoretischer bzw. methodischer Ansätze der Wirtschaftswissenschaft für den wirtschaftspolitischen Diskurs.
Im Verhältnis zu einer wissenschaftlichen Behandlung wirtschaftspolitischer Fragen findet die Diskussion zwischen den unmittelbar in die Entscheidungsprozesse involvierten Akteuren (Entscheidungsträger) mit stark simplifizierenden, vergröbernden Argumentationen statt, die sich auch für rhetorische Apelle eignen. Demgegenüber wird in einer technokratischen Politikdarstellung eine wissenschaftliche Fundierung von wirtschaftspolitischen Entscheidungen durch Expertenstäbe unterstellt, bzw. suggeriert. Diese wissenschaftliche Fundierung wird von den politischen Entscheidungsträgern gerne als (zusätzliche) Legitimationsgrundlage verwendet, aber auch von der wissenschaftlichen community in ihrer Selbstdarstellung zur Erhöhung ihrer politischen Relevanz eingesetzt. Meine These ist, dass die Bedeutung einer solchen technokratisch-wissenschaftlichen Fundierung im wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozess differenziert gesehen werden muss, sie ist sehr unterschiedlich zwischen den Politikebenen, als auch auf ein und derselben Ebene zwischen den Teilbereichen.
Auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene (makroökonomische Politik) ist der direkte Einfluss technokratisch-theoretischer Ansätze eher gering zu veranschlagen, konkrete Entscheidungen werden je nach Situation aufgrund pragmatischer Erfordernisse getroffen. Ein Beispiel dafür ist die Geldpolitik der Notenbanken, die einen umfangreichen technokratischen Apparat unterhalten, der ununterbrochen Analysen produziert, die jedoch in kritischen Situationen bei Seite geschoben werden (in ruhigen Normalsituationen in dieser Dichte nicht gebraucht werden). Der Einfluss alternativer theoretischer Ansätze ist hier hauptsächlich ein indirekter und in dieser Form oft durchaus beträchtlich, indem bestimmte Aussagen zur Untermauerung von gegensätzlichen politischen Interessenpositionen verwendet werden.
Anders verhält es sich in einzelnen Teilbereichen der Wirtschaftspolitik. Z.B. wird in dem in Österreich seit den 50er-Jahren praktizierten Modell der Lohnpolitik eine keynesianisches Kreislaufdenken als Grundlage der Kollektivvertragsverhandlungen verwendet, bei unterschiedlicher expliziter oder impliziter Akzeptanz auf der einen oder anderen Seite des Verhandlungstisches. – Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist die Versteigerung von Lizenzen für neue Frequenzen in der Telekommunikation. Hier ist beim Design der Auktion das Wissen der Spieltheorie zur Maximierung des Versteigerungserlöses eingesetzt worden. – Keine große Rolle spielen die ausgefeilten Formen der Theorie des monopolistischen Wettbewerbs und die Spieltheorie in der Wettbewerbspolitik und in der Kartellkontrolle in Österreich, im Unterschied zu anderen großen Ländern.
In diesem Beitrag werden drei alternative theoretische und methodische Ansätze unterschieden: neoklassischer mainstream (inkl. Th. d. rationalen Erwartungen), (post-) keynesianische Theorie, Österreichische Schule (Austrian economics) ( in Anlehnung an Sheila Dow) und in ihren wesentlichen Merkmalen und Varianten kurz charakterisiert. Anhand von Beispielen, die vorzugsweise der österreichischen Wirtschaftspolitik entnommen sind – und vorläufig noch nicht in einem umfassenden Konzept – wird in diesem Beitrag untersucht, wie und von wem diese Ansätze in der wirtschaftspolitischen Diskussion verwendet wurden und werden, wie sich der Stil der wirtschaftspolitischen Diskussion in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten verändert hat, und welcher Art die Auswirkungen auf die wirtschaftspolitischen Entscheidungen waren.
19:00h GEMEINSAMES ABENDESSEN
im Ristorante Michelangelo (Hotel Lokomotive), Weingartshofstraße 40 (gleich neben dem Tagungsort)