Gegenstandsbereich und Zielsetzungen des Projekts
Vor dem Hintergrund des kontrovers geführten Diskurses zur paradigmatischen Sonderstellung in der ökonomischen Disziplin, wurde in diesem Projekt eine Bestandsaufnahme des aktuellen Profils der Volkswirtschaftslehre im deutschsprachigen Raum (Österreich, Deutschland, Schweiz) durchgeführt. Hierfür wurden im Rahmen einer empirischen Analyse alle im angegebenen Untersuchungsraum wirkenden Professor_innen an staatlichen Universitäten mit Zugehörigkeit zu einem volkswirtschaftlichen Institut, hinsichtlich
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soziodemografischer Merkmale,
- ihrer theoretischen Ausrichtung (Forschungsprofil) sowie
- ihrer inner- und außerakademischen Präsenz (Wirkungsspektrum) untersucht.
Zentrale Ergebnisse des Projekts
Im Zuge dieser Analyse wurde eine Grundgesamtheit von 708 Professor_innen an 89 universitären Standorten ermittelt. Betreffend soziodemografischer Ergebnisse konnte ein unausgewogenes Geschlechterverhältnis festgestellt werden, da lediglich 89 (13,36%) der Professuren mit Frauen besetzt sind. Die Nationalitätszugehörigkeit zeigte einen hohen Anteil „inländischer Professor_innen“ an deutschen Universitäten (89,95%). Dieser Wert fiel in Österreich (60,98%) und der Schweiz (34,85%) wesentlich geringer aus.
Die Analyse der Forschungsschwerpunkte ergab eine starke Fokussierung auf mikroökonomische Themen und Fragestellungen, die sowohl anhand der Selbstangaben der Professor_innen hinsichtlich ihrer Forschungsinteressen (sieben der zehn meistgenannten Interessen haben einen mikroökonomischen Bezug) als auch anhand der teilgebietlichen Zuordnung (50,35% im Teilgebiet der Mikroökonomie verortet) nachgewiesen werden konnte. Der paradigmatische Status der Ökonomie wurde mittels zweier Klassifizierungsverfahren (Mainstream-Heterodoxie-Klassifizierung; Klassifizierung nach Colander) untersucht, die im Ergebnis in beiden Fällen eine Konzentration rund um den traditionellen Mainstream neoklassischer Prägung offenbarten, wobei der Anteil der Professor_innen aus diesem Bereich je nach Verfahren variierte (91,27% bzw. 76,11%). Damit einhergehend ist eine Marginalisierung heterodoxer Strömungen (bei beiden Varianten 3,15%), welche institutionell v.a. an kleineren Universitätsstandorten (z.B. Bremen, Darmstadt, Oldenbug, Lüneburg, Jena) vertreten sind. Darüber hinaus konnte nur bei einem kleinen Teil der Professor_innen in den Forschungsarbeiten ein Krisenbezug identifiziert werden (14,45%).
Neben der übergeordneten Bedeutung des „Vereins für Socialpolitik“ (60%) spielen auch die „American Economic Association“ (12%) sowie die „European Economic Association“ (11%) eine wichtige Rolle für den innerakademischen Forschungsaustausch. In der außerakademischen Präsenz wurden verschiedene Wege der Einflussnahme seitens der ökonomischen Disziplin auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Denken aufgezeigt. Während auf der Ebene des „policy support“ das „CESifo München“ (21%), das „IZA Bonn“ (19%) sowie das „CEPR London“ (13%) die quantitativ bedeutendsten Wirtschaftsforschungsinstitute darstellen, wurde auf der Ebene des „policy involvments“ die Mitgliedschaften in diversen Think Tanks untersucht. Hierbei besitzen ordo- bzw. neoliberale (z.B. Walter Eucken Institut, Kronberger Kreis, INSM) im Vergleich zu keynesianischen, bzw. gewerkschaftsnahen Think Tanks und Institutionen (z.B. Keynes Gesellschaft, Friedrich Ebert Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung) ein klares Übergewicht.
Publikationen
Grimm, Christian (2016): Machtverhältnisse und Ökonomik. Zur Frage der Homogenität in der deutschsprachigen Ökonomik, öffnet eine Datei. Working Paper Series, Nr.54. ICAE Linz.
Pühringer, Stephan (2016): Still the queens of social sciences? Economists as “public intellectuals” in/after the crisis, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. Electronic Conference Proceedings “International Conference in Contemporary Social Sciences”, Issue: Theoretical Debates in Social Sciences.
Kapeller, Jakob/ Pühringer, Stephan/ Grimm, Christian (2017): Zum Profil der deutschsprachigen Volkswirtschaftslehre. Paradigmatische Ausrichtung und politische Orientierung deutschsprachiger Ökonom_innen, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. FGW-Impulse, Februar 2017
Kapeller, Jakob/ Pühringer, Stephan/ Grimm, Christian (2017): Zum Profil der deutschsprachigen Volkswirtschaftslehre. Paradigmatische Ausrichtung und politische Orientierung deutschsprachiger Ökonom_innen, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. FGW-Endbericht, Februar 2017
Grimm, Christian/ Kapeller, Jakob/ Pühringer, Stephan (2017): On the current state of German-speaking economics - Paradigmatic orientations and political alignments of German-speaking economists, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. FGW-Impulse, no. 2
Projektdetails
Das Projekt wurde durch das Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW) finanziert.
Projektleitung
Jakob Kapeller
Stephan Pühringer
Projektmitarbeiter
Christian Grimm
Kontakt
Projektdauer
11/2015 – 10/2016