Zur JKU Startseite
Institut für Elektrische Antriebe und Leistungselektronik
Was ist das?

Institute, Schools und andere Einrichtungen oder Angebote haben einen Webauftritt mit eigenen Inhalten und Menüs.

Um die Navigation zu erleichtern, ist hier erkennbar, wo man sich gerade befindet.

Epileptische Anfälle mit Künstlicher Intelligenz vorhersagen – geht das?

Eine Kooperation arbeitet an einem weltweit einzigartigen Verfahren zur Epilepsieprognose.

Ableitung eines hochauflösenden EEGs. Mit dieser Spezialdiagnostik kann der Ursprungsort der veränderten Hirnströme sehr genau bestimmt werden. Credit: KUK
Ableitung eines hochauflösenden EEGs. Mit dieser Spezialdiagnostik kann der Ursprungsort der veränderten Hirnströme sehr genau bestimmt werden. Credit: KUK

Die Johannes Kepler Universität (JKU) Linz mit den Instituten Wirtschaftsinformatik – Software Engineering und Machine Learning sowie die Klinik für Neurologie am Kepler Universitätsklinikum (KUK) Linz und das auf Künstliche Intelligenz spezialisierte Unternehmen FiveSquare arbeiten an einem weltweit einzigartigen Verfahren zur Epilepsieprognose.

Epileptische Anfälle entstehen durch unkontrollierte, gleichzeitige, elektrische Entladungen vieler Millionen Nervenzellen im Gehirn. Je nach betroffener Hirnregion können die Anfälle sehr unterschiedlich sein: Am Bekanntesten sind Anfälle mit Zuckungen am ganzen Körper und Verlust des Bewusstseins. Dabei besteht Verletzungsgefahr. Es besteht sogar ein geringes Risiko, an einem derartigen Anfall oder seinen Folgen zu sterben.

Was weniger bekannt ist: Es gibt eine Vielzahl an weiteren Ausprägungen, die von Außenstehenden oft nicht als Anfall wahrgenommen werden. Sie äußern sich wesentlich subtiler, z.B. in einer krampfhaften Fortführung einer begonnenen Bewegung, und können für die Betroffenen nicht minder gefährlich sein:
Ein Anfall während des Kochens zwingt eine Person zur krampfhaften Fortführung einer Rührbewegung.
Sie kommt – ohne Bewusstsein – mit ihrer Hand immer tiefer ins kochende Wasser und realisiert die schwerwiegendsten Verbrennungen erst, wenn der Anfall vorbei ist.

Epilepsie kann jeden treffen
In Oberösterreich leiden rund 8.000 Menschen an Epilepsie, österreichweit zählen wir etwa 60.000 Betroffene. Alle zwei Stunden erkrankt ein Mensch neu. Weltweit leiden ca. 50 Millionen Menschen an dieser chronisch neurologischen Erkrankung. Epilepsie tritt in jedem Lebensalter auf. Das Risiko, an Epilepsie zu erkranken, ist bei Kindern und Jugendlichen und bei über 65-Jährigen am größten. Die Auslöser von Epilepsie sind vielfältig, z.B. Sauerstoffmangel in Folge von Geburtskomplikationen, Missbildungen des Gehirns, genetische oder stoffwechselbedingte Gründe, Schlaganfälle, Hirntumore oder Hirnverletzungen.

Es kann also jeden treffen. Einem Großteil der Betroffenen kann durch medikamentöse Behandlung gut geholfen werden. In der Klinik für Neurologie am Kepler Universitätsklinikum Linz behandeln die Expert*innen Betroffene, die nicht auf die erste medikamentöse Behandlung ansprechen. Dabei werden auch Abklärungen zu epilepsie-chirurgischen Verfahren durchgeführt. Ein Teil der Patient*innen bleibt aber trotz aller Anstrengungen therapieresistent, d.h. die Anfälle können nicht vollständig kontrolliert werden.
Bei diesen medikamenten-resistenten Epilepsien bleiben die Betroffenen oft isoliert zurück, sind im Alltags- oder Arbeitsleben häufig eingeschränkt und dürfen z.B. nicht mit dem Auto fahren, weil die Gefahr eines plötzlichen Anfalls ein zu großes Risiko darstellt.

Vorwarnsystem mit Hilfe künstlicher Intelligenz
Wie kann man diesen Menschen helfen? Gibt es Anzeichen, die einen bevorstehenden Anfall ankündigen, sodass geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden können – etwa eine sichere Umgebung aufsuchen? Die Anzeichen sind schwer zu erkennen: Epilepsie-Begleithunde schlagen beispielsweise unmittelbar vor einem Anfall an. Es ist jedoch unklar, was sie wahrnehmen. Mutmaßungen gehen von akustischen Reizen aus (z.B. von einer Verlangsamung der Atemgeschwindigkeit), es könnte aber auch ein spezieller Geruch sein, den die Hunde wahrnehmen, oder eine Verhaltensänderung. Eine Veränderung der Sauerstoffsättigung oder ein Anstieg des cerebralen Blutflusses werden in der Literatur als weitere Indikatoren für einen bevorstehenden Anfall gehandelt.

Die Veränderung von bestimmten Vital- oder Verhaltensparametern kann also zur Prognose von epileptischen Anfällen (außerhalb der Krankenhausumgebung) herangezogen werden. Wenn es gelingt, alle essenziellen Parameter im Zusammenhang mit epileptischen Anfällen über ein Sensornetzwerk mobil (d.h. mit Wearables) zu erfassen, dann könnte darauf aufbauend mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) ein Vorwarnsystem für Epilepsie entwickelt werden. Mit hochmodernen Deep-Learning Verfahren können die gemessenen Parameter ausgewertet und aus ihnen gelernt werden. Letztendlich will man damit bestimmte Muster identifizieren, die auf sogenannte präiktale Zustände schließen lassen und damit einen bevorstehenden Anfall anzeigen können.

Gelebte Interdisziplinarität
Ein Forschungsprojekt der vom Land Oberösterreich geförderten Initiative „Digital Health – The Digital Patient Journey“ (abgewickelt von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG) beschäftigt sich mit diesem Thema. Die JKU Linz mit den Instituten Wirtschaftsinformatik – Software Engineering und Machine Learning sowie die Klinik für Neurologie am Kepler Universitätsklinikum und das auf Künstliche Intelligenz spezialisierte Unternehmen FiveSquare arbeiten in einem zweieinhalbjährigen Forschungsprojekt gemeinsam an weltweit einzigartigen Verfahren zur Epilepsieprognose. Zum Einsatz kommen neueste Methoden des Machine Learnings, mit denen im Rahmen einer Patient*innen-Studie die Prognosequalität revolutioniert werden soll.
Ziel dieses Forschungsprojekts ist die Entwicklung eines mobilen Systems zur Vorhersage und Erkennung von epileptischen Anfällen, mit dem Menschen, die an Epilepsie leiden, ein Stück Lebensqualität zurückgewinnen können.

Die Forscher*innen freuen sich auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit:

„Dieses Projekt ist ein hervorragendes Beispiel für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Johannes Kepler Universität Linz und dem Kepler Universitätsklinikum in Linz. Ärzt*innen, Softwareingenieur*innen und KI-Expert*innen arbeiten gemeinsam mit dem Start-up FiveSquare an revolutionären Verfahren, das Leid von Menschen zu lindern – und das ist höchster Ansporn für das gesamte Team“, sagt Projektleiter Wolfgang Narzt vom Institut für Wirtschaftsinformatik – Software Engineering.

„Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit den Ärzt*innen des Kepler Universitätsklinikum, den Softwareingenieur*innen und dem auf KI spezialisierte Unternehmen FiveSquare im Projekt ,Epilepsia‘. Wir sind überzeugt, dass Machine Learning und unsere Grundlagenforschung mithilft, die Lebensqualität von Menschen mit Epilepsie zu verbessern und wir einen nachhaltigen Beitrag zur Beforschung dieser Krankheit leisten werden“, sagt Günter Klambauer vom JKU Institut für Machine Learning.

„Digitalisierung in der Medizin beinhaltet neu gedachte Arten der Behandlung. Zusammen mit der Expertise aus KI und Software-Entwicklung von der JKU und dem Start-up Five Square können wir diese innovativen Ideen dank der Förderung des Landes Oberösterreich zur Realität werden lassen. Damit haben wir das Potenzial die Behandlung der Epilepsie von Grund auf zu verändern, für mehr Sicherheit und optimalen Behandlungserfolg“, sagt Tim J. von Oertzen, Vorstand der Klinik für Neurologie 1, Neuromed Campus, Kepler Universitätsklinikum Linz.

„In unseren Projekten steht stets der Mensch im Mittelpunkt. Und Epilepsia‘ ist eben genau das – ein Projekt, dass epilepsiekranken Menschen helfen soll. Gemeinsam mit den Expert*innen der JKU und dem KUK wollen wir die Epilepsieforschung und -behandlung durch KI-Technologien in den nächsten Jahren revolutionieren und den Millionen Menschen, die weltweit an Epilepsie leiden, helfen, ihren Alltag freier zu gestalten – das treibt uns jeden Tag aufs Neue an“, so Hans-Peter Pichler, CEO der FiveSquare GmbH.