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„Bilaterale KI“: Projekt unter Leitung der JKU erhält FWF Cluster of Excellence

Bis zu 70 Millionen Euro stehen für Grundlagenforschung zur Künstlichen Intelligenz zur Verfügung.

Webversion Hochreiter; Credit: JKU
Webversion Hochreiter; Credit: JKU

Der neue FWF Cluster of Excellence unter der Leitung von Sepp Hochreiter, KI-Pionier der Johannes Kepler Universität Linz, vereint die wichtigsten österreichischen Wissenschaftler*innen aus dem Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und möchte eine neue KI-Ebene entwickeln – eine so genannte „Broad AI“. Diese soll deutlich bessere und breitere Problemlösungsfähigkeiten bieten, als sie beispielsweise ChatGPT hat.

„Der Bereich AI ist wohl das Zukunftsthema unserer Zeit. Hier mitzugestalten ist umso bedeutender, als sich derzeit Nationen wie China oder die USA sowie die branchenführenden Konzerne einen Wettlauf um die Dominanz auf diesem enorm wichtigen Gebiet liefern. Die JKU betreibt mit zahlreichen Instituten sowie dem LIT AI Lab seit Jahren europäische Spitzenforschung im Bereich Künstliche Intelligenz und Machine Learning. Der neue FWF Cluster of Excellence ist eine Würdigung dieser Leistung und sehr wertvoll für unsere Universität und den gesamten Wissenschafts- und Forschungsstandort. Dieser Erfolg zeigt auch, wie breit die JKU im Bereich AI aufgestellt ist. Ich gratuliere dem gesamten Team ganz herzlich, das unter der Leitung von Prof. Sepp Hochreiter über viele Jahre hinweg hervorragende Forschungsleistungen erbringt und wünsche ihnen ein spannendes und ertragreiches Projekt“, zeigt sich JKU Rektor Stefan Koch in einer ersten Stellungnahme hocherfreut.

Das mit dem FWF Cluster of Excellence (CoE) ausgezeichnete Forschungsprojekt „Bilaterale KI“ vereint unter der Leitung der JKU die beiden bisher wichtigsten Forschungsstränge auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, nämlich die sub-symbolische KI (Maschinelles Lernen) und die symbolische KI (Wissensrepräsentation und Reasoning).

Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, arbeiten im Cluster of Excellence unter der Leitung der JKU, die mit dem LIT AI LAB rund um Sepp Hochreiter seit Jahren Knotenpunkt der europäischen KI-Forschung ist, Wissenschaftler*innen der TU Wien, WU Wirtschaftsuniversität Wien, TU Graz, Universität Klagenfurt und des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) zusammen.

„Die Technische Universität Graz trägt mit sechs hochkarätigen Wissenschaftler*innen aus den Bereichen der symbolischen und sub-symbolischen KI wesentlich zur Forschungsarbeit des Clusters of Excellence bei. Sie untersuchen unter anderem, wie man KI-Systeme nach der Vorlage des menschlichen Gehirns oder mittels semi-symbolischer Methoden breiter machen kann und wie man ,Broad AI‘ vertrauenswürdig, transparent, erklärbar und ethischen Prinzipien entsprechend gestalten kann. Die Technische Universität Graz leitet auch die Öffentlichkeitsarbeit des Clusters“, betont Robert Legenstein, Leiter des Instituts für Grundlagen der Informationsverarbeitung der TU Graz.

„Broad AI“ – eine neue Ebene der Künstlichen Intelligenz
Symbolische und sub-symbolische KI sollen im Projekt nun zusammengeführt werden. Das gemeinsame Ziel ist die Entwicklung von Grundlagen für eine neue Ebene der Künstlichen Intelligenz – einer sogenannten “Broad AI“. Diese soll höhere Problemlösungsfähigkeiten aufweisen und sogar mit Abstraktionen umgehen können. Statt also für ein spezielles Anwendungsgebiet angelegt zu sein, könnte diese „Broad AI“ eigene Schlussfolgerungen anstellen und umfassende kognitive Fähigkeiten aufweisen. Während bereits bestehende KI-Programme, wie die derzeit für Furore sorgenden Sprachmodelle, z.B. ChatGPT, letztlich nur vorhandene Daten auswerten, könnte die neue KI sogar eigene Wörter erfinden und so im engen Sinn kreativ tätig werden.

Univ.-Prof. Dr. Sepp Hochreiter:KI-Systeme wie ChatGPT sind in unserem Alltag bereits allgegenwärtig. Sie sind für ihr konkretes Aufgabengebiet hervorragend geeignet – darüber hinaus aber nutzlos. Für unsere Vision der ,Broad AI‘ bündeln wir die gesamte Expertise der österreichischen KI-Forschung und wollen eine neue Ebene der Künstlichen Intelligenz schaffen, von der wir alle profitieren können. Der Cluster of Excellence ist eine große Auszeichnung und Bestätigung unserer bisherigen Forschungsarbeit, aber auch Ansporn, dass wir die Künstliche Intelligenz im Sinne der Menschen und zum Nutzen unserer Gesellschaft nachhaltig weiterentwickeln.“

Geballte KI-Expertise aus Österreich
Gerti Kappel
, Dekanin der Fakultät für Informatik an der TU Wien: „Wir streben eine Entwicklung hin zu einer ,Broad AI‘ an, die ethische Prinzipien einbezieht und über umfassendere kognitive Fähigkeiten und ein tieferes Verständnis der Welt verfügt. Diese neue Form der KI wird sich flexibel an unterschiedliche Herausforderungen und Umgebungen anpassen und neueste Erkenntnisse aus der Arbeit unserer herausragenden KI-Forscher*innen rund um Co-Projektleiter Thomas Eiter zusammenführen. Dazu gehören auch die anerkannten Stärken der TU Wien im Bereich des Digitalen Humanismus und der KI-Ethik. Durch die Integration dieser Prinzipien zielt ,Broad AI‘ darauf ab, die menschlichen Fähigkeiten zu verbessern und gleichzeitig sicherzustellen, dass der technologische Fortschritt ethische Standards und gesellschaftliche Werte respektiert.“

Durch diese einzigartige und bilaterale Zusammenarbeit werden beide Forschungsstränge (symbolische und sub-symbolische KI) zusammengeführt und erlauben der KI, mittels Graph Neural Networks zu lernen. Dabei wird sowohl die Stärke des Computers genutzt, große Datenmengen zu verarbeiten, wie auch Lernmethoden angewandt, die dem menschlichen Gehirn nachgebildet sind.

Axel Polleres von der WU Wirtschaftsuniversität Wien, Mitglied des „Board of Directors“ des neuen Clusters of Excellence, erklärt: „Das Projekt hat sich nicht nur zum Ziel gesetzt, die AI-Forschung standortübergreifend zu vernetzen, sondern auch die wichtigsten beiden Methoden der AI, symbolische und subsymbolische AI, zu verbinden. Das ist ein bedeutender erster Schritt zu effektiverer AI-Forschung und Anwendungen aus Österreich!“

Gerade jetzt sei der perfekte Zeitpunkt dafür, meint Gerhard Friedrich (Institut für Artificial Intelligence und Cybersecurity der Universität Klagenfurt): „Unsere Forschungsteams spezialisierten sich bisher auf die Lösung von schwierigen und großen Problemen auf Basis von exakten mathematischen Beschreibungen. Mit dem Cluster of Excellence können wir gemeinsam einen großen Schritt vorankommen. Durch die Ergebnisse von ‚Bilateral AI‘ werden z.B. Planungs- oder Designaufgaben gelöst, die zurzeit praktisch unlösbar sind und das ohne Zutun des Menschen. Eine bessere Zeit für Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz gab es noch nie.“ Er führt weiters aus: „Die Universität Klagenfurt kann vor allem ihre Expertise im Bereich der logik-basierten KI-Systeme und deren praktischer Anwendung einbringen.“

Für eine nachhaltigere Gesellschaft
Die durch diesen Ansatz der „Bilateralen KI“ entstehende „Broad AI“ soll aufgrund ihrer eigenen Sinneswahrnehmungen Abstraktionen anstellen und logisch denken können. Sie könnte dann z.B. eine Reise organisieren, CO2 minimieren oder ein Haus möglichst günstig und ökologisch renovieren – also komplexe Planungen unter Berücksichtigung aller Zusammenhänge durchführen.

„Eine ,Broad AI‘ könnte dazu beitragen, unseren Alltag, aber auch systemrelevante Bereiche und Prozesse, wie Energie, Verkehr oder Gesundheitswesen, ökologisch nachhaltiger, effizienter und ressourcenschonender zu gestalten“, so Sepp Hochreiter.

Das meint auch Professor Christoph Lampert, Vertreter des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) im Board of Directors des Clusters: “Mit unseren vier beteiligten Forschungsgruppen haben wir bereits am ISTA eine Mischung aus Forschung zu symbolischer und sub-symbolischer KI, und freuen uns diese Vernetzung jetzt im Cluster gemeinsam mit anderen Spitzenforschenden hier in Österreich noch weiter ausbauen zu können. Dies ist auch eine wichtige Ergänzung zur europäischen Vernetzung im Rahmen von ELLIS. Gemeinsam können wir so das nächste Level der KI-Entwicklung mitgestalten: Künstliche Intelligenz, die nicht mehr nur eine nützliche Fachidiotin ist, sondern eine Generalistin, die sich selbst flexibel an verschiedene Situationen anpassen kann. Damit einhergehen soll auch eine höhere Zuverlässigkeit der KI - die notwendige Basis für ein größeres Vertrauen der Bevölkerung in diese Technologie. Diese wünscht sich verständlicherweise eine KI, welche nicht halluziniert und deren Entscheidungen nachvollziehbar und verlässlich sind. Dazu wollen meine Kolleg*innen vom ISTA und ich beitragen.“

Der Cluster of Excellence ist auf 5 Jahre angelegt und wird mit 33 Millionen Euro gefördert – die Laufzeit kann auf 10 Jahre mit insgesamt 70 Millionen Euro Förderung verlängert werden. Das Projekt ist indirekt auch mit anderen europäischen KI-Initiativen vernetzt, da das Team von Univ.-Prof. Hochreiter auch eine ELLIS Unit bildet. Hier tauschen sich unter dem Namen European Laboratory for Learning and Intelligent Systems Forschungseinrichtungen aus der EU über ihre Arbeit an neuen KI-Systemen aus.