diepresse.com vom 03.05.2021
Eine Analyse der Uni Linz von ersten großangelegten Leistungsstudien zeigt „jedenfalls keine dramatischen Einbußen" während des Lockdowns. Ausnahme sind die Volksschulen.
Erste Ergebnisse von Leistungsstudien aus Deutschland legen nahe, dass Schulschließungen sich weit weniger schlimm auf den Lernfortschritt auswirken als von Schülern, Eltern und Lehrern befürchtet. Das zeigt ein Vergleich der Lernentwicklung der Schülerkohorte von 2020 mit jener früherer Jahrgänge. "Die Lerneinbußen sind entweder nicht beobachtbar oder weit weniger dramatisch als häufig befürchtet", fasst Bildungsforscher Christoph Helm von der Uni Linz zusammen.
Helm hat laut einer Aussendung vom Montag erste großangelegte Studien aus den deutschen Bundesländern Hamburg, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen sowie der deutschsprachigen Schweiz mit insgesamt 142.000 Schülern analysiert, in denen die Leistungen in Deutsch, Lesen und/oder Mathematik untersucht wurden. Dabei hätten sich entweder keine oder nur schwache Unterschiede etwa von vier Wochen Lernzuwachs zwischen den Leistungen der Schüler vor und während bzw. nach Corona gezeigt. "Es konnten jedenfalls keine dramatischen Einbußen in den untersuchten Kompetenzen durch coronabedingte Veränderungen im Unterrichtsgeschehen festgemacht werden."
Volksschüler eher betroffen
Ausnahme: In der Schweizer Studie zeigten Volksschüler nur einen halb so großen Lernzuwachs wie vor der Umstellung auf Distance Learning. Auch erste Leistungsvergleichsstudien aus den USA, Großbritannien, den Niederlanden oder Belgien würden teilweise auf deutliche Lernverluste hinweisen, vor allem im Volksschulalter und bei Schülern aus sozial benachteiligten Familien. Außerdem wurden in Mathematik stärkere Einbußen vermerkt als beim Lesen.
Nachdem das österreichische Bildungssystem allerdings dem von Deutschland und der Schweiz ähnlicher sei als den angelsächsisch ausgerichteten Systemen, geben die Befunde aus Deutschland für Helm vorerst auch für Österreich Anlass für Optimismus. Zwar stünden Leistungsstudien zu späteren Lockdowns, die in Österreich stärker ausgeprägt gewesen seien als in Deutschland, noch aus. Elternbefragungen aus den beiden Ländern würden jedoch zeigen, dass die zuhause aufgewendete Lernzeit während Schulschließungen gestiegen sei und viele mit dem Fernunterricht nun besser zurechtkämen, was Lerneinbußen noch weniger wahrscheinlich mache.
Warum sind die befürchteten negativen Effekte ausgeblieben?
Für Helm gibt es zwei mögliche Erklärungen dafür, dass die vielfach befürchteten negativen Effekte von Corona im Bildungsbereich zumindest in Deutschland vorerst ausgeblieben sein dürften: Entweder Schüler, Eltern, Lehrer, Schulleitung- und Verwaltung sowie Bildungspolitik hätten es geschafft, zumindest beim fachlichen Lernen die negativen Effekte des Fernunterrichts abzuwenden.
Oder aber Quantität und Qualität der echten Lernzeit im Regelunterricht würden sich von jener im Fernunterricht gar nicht so sehr unterscheiden wie erwartet. Immerhin werde im Präsenzunterricht laut Studien bis zur Hälfte der Zeit mit Zuhören und Warten verbracht. Geistig-aktivierende Tätigkeiten wie selbstständiges Arbeiten oder kooperatives Lernen, bei dem Aufgaben und Probleme gelöst bzw. tatsächlich gelesen, geschrieben oder gerechnet werde, seien hingegen häufig eher gering ausgeprägt. Dazu komme ein hohes Ausmaß an Fehlstunden für bestimmte Schülergruppen.