Ein internationales Projekt hat stabile und effiziente künstliche Robotermuskeln auf Basis neuer Materialkombinationen entwickelt.
Eine internationale Kooperation der Johannes Kepler Universität Linz mit der Scuola Superiore Sant'Anna di Pisa und der Universität Trient verbindet technologischen Fortschritt mit ökologischer Nachhaltigkeit.
Das gemeinsame Projekt führte zu einer bahnbrechenden Methode für die Entwicklung neuartiger weicher Aktuatoren und künstlicher Robotermuskeln mit verbesserter Leistung und deutlich reduziertem Energieverbrauch. Federführend bei dieser Arbeit waren Univ.-Prof. Martin Kaltenbrunner (Abteilung für Physik weicher Materie an der JKU) und Marco Fontana, Professor am Institut für mechanische Intelligenz der Scuola Superiore Sant'Anna di Pisa. Ihre innovativen Ergebnisse, die zur Entwicklung dieser neuen Methode zur Schaffung stabilerer und effizienterer künstlicher Muskeln geführt haben, wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift Nature Electronics veröffentlicht.
Bisherige Elektromotoren zu sperrig
Aktuatoren, die elektrische Energie in Bewegung oder Kraft umwandeln, spielen in unserem täglichen Leben eine zentrale Rolle, auch wenn sie oft unbemerkt bleiben. Bislang werden hauptsächlich Elektromotoren verwendet, die zwar gut funktionieren, aber aus Metall bestehen. Sie sind daher sperrig und schwer. Eine neue Generation von Aktuatoren, die auf weichen Materialien wie Polymerfolien basiert, bietet hingegen einzigartige Eigenschaften wie geringes Gewicht, hohe Leistung pro Gewicht, geräuschlosen Betrieb und sogar biologische Abbaubarkeit.
„Wir verwenden dazu Multimaterialstrukturen“, erklärt Univ.-Prof. Martin Kaltenbrunner. „Das sind quasi ,Taschen‘ aus flexiblen Kunststofffolien, die mit Ölen gefüllt und mit Elektroden beschichtet sind. Wenn eine Spannung angelegt wird, verdrängen die Folien die Flüssigkeit und die Tasche zieht sich zusammen, ähnlich wie ein biologischer Muskel sich bewegt.“
Mit diesem System lassen sich künstliche Muskeln für Roboter, verstellbare Linsen oder taktile Oberflächen bauen. Durch das Anlegen einer konstanten Spannung sind jedoch bisher nur kurzzeitige Muskelkontraktionen möglich, was eine erhebliche Einschränkung für praktische Anwendungen darstellt. Gemeinsam mit JKU Forscher*innen konnte das der Forscher Ion-Dan Sîrbu von der Scuola Superiore Sant'Anna di Pisa während eines Forschungsaufenthalts an der JKU nun ändern.
JKU Technologie als Ausgangspunkt
„Wir haben aufbauend auf einer Kunststofffolie experimentiert, die der JKU Physiker David Preninger für seine Arbeit an biologisch abbaubaren künstlichen Muskeln verwendet hat. So fanden wir ein Material, das eine konstante Kraft über beliebig lange Zeiträume aufrechterhalten kann. Uns war klar, dass wir eine bedeutende Entdeckung gemacht hatten“, so Sîrbu.
Seitdem hat das Team an einem theoretischen Modell gearbeitet und eingehende Materialcharakterisierungen durchgeführt. „Das Schöne an unserem Modell ist seine Einfachheit und dass es nicht auf bestehende Aktuatoren beschränkt ist. Wir glauben, dass unsere Ergebnisse der wissenschaftlichen Gemeinschaft ein einfaches, aber leistungsfähiges Werkzeug für den Entwurf und die Untersuchung neuer Systeme an die Hand geben werden“, beschreibt David Preninger, Co-Erstautor der Studie und Doktorand an der Abteilung für Physik weicher Materie der JKU.
Enorme Energieersparnis
Institutsleiter Martin Kaltenbrunner bestätigt die Bedeutung der Entdeckung: „Das Interessante ist, dass wir diese Technologie nicht nur viel besser nutzbar gemacht haben. Mit unseren Ergebnissen kann man auch Materialkombinationen finden, die den Energieverbrauch um das Tausendfache reduzieren."
Unter Verwendung der identifizierten Materialkombinationen haben die Wissenschaftler*innen bereits erfolgreich verschiedene Arten von künstlichen Muskeln, verstellbaren Linsen und taktilen Displays hergestellt und betrieben. Prof. Fontana betont: „Das Verständnis der grundlegenden Mechanismen weicher Aktuatoren, wie sie in dieser Studie ermittelt wurden, hat das Potenzial, einen bedeutenden Sprung im Bereich der unterstützenden Geräte, automatischen Maschinen und mobilen Roboter für die Erforschung der Erde, des Meeres und des Weltraums zu bewirken.“
Damit leistet das Projekt einen wesentlichen Beitrag bei der Suche nach kostengünstigen, leistungsstarken Lösungen in der Robotik, die im Sinne der Nachhaltigkeit auch einen geringen Verbrauch und geringe Umweltauswirkungen gewährleisten sollen.
Zum Paper: https://www.nature.com/articles/s41928-023-01057-0, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Rückfragen:
DI David Preninger
Abteilung Physik der Weichen Materie
Tel.: 0732 2468 9771
E-Mail: david.preninger(at)jku.at