Von Bilderkennungssoftware über Chatbots bis Suchalgorithmen im Internet-Browser – selbstlernende Systeme sind immer öfter im Alltag anzutreffen.
Konzerne und Großmächte liefern sich ein Wettrennen um diese Technologie. Die Initiative ELLIS will Europa in diesem Rennen halten – und hat nun unter der Leitung der Johannes Kepler Universität Linz ein besonders ambitioniertes Projekt gestartet.
Das „ELLIS Machine Learning for Molecule Discovery Program“ vernetzt europäische AI-Forschungs-Hotspots, um ganz konkrete Forschungsdurchbrüche zu ermöglichen. Koordiniert von der ELLIS Unit an der JKU (Leitung: Prof. Sepp Hochreiter) tauschen Expert*innen von Universitäten wie Oxford, Cambridge oder der ETH Zürich, Einrichtungen wie die Berliner Charité oder Konzerne wie AstraZeneca Know-how, Erfahrungen und auch Computercodes aus. Es ist eines von zwei neuen ELLIS-Programmen, die nun bewilligt worden sind.
Konkrete Anwendungen ermöglicht
„Jeder der Kooperationspartner*innen forscht selbst an AI Systemen für einen speziellen Zweck in der Molekülforschung“, erklärt Prof. Günter Klambauer (Institut für Machine Learning). „Wir an der JKU koordinieren jetzt den intensiven Austausch.“
Wie das konkret aussieht? „Zum Beispiel haben unsere Kolleg*innen von Microsoft Research in Cambridge ein Programm zusammengestellt, bei denen man mit nur sehr wenigen Hinweisen Moleküle finden muss, die bestimmte biochemische Eigenschaften haben. Wir haben diesen Datensatz übernommen und so ein AI System entwickelt, das diese Probleme sehr genau lösen kann“, erklärt Klambauer.
Zwar sei es in der Branche ohnehin üblich, Datensätze und den Programm-Code zu veröffentlichen. Aber: „Damit ist es ja nicht getan. Der direkte Austausch, das offene Gespräch, was funktioniert hat und was nicht und die Unterstützung in der direkten Anwendung sind von unschätzbarem Wert.“ Durch das aufgebaute Vertrauen würden alle Teilnehmer*innen profitieren, Entwicklungswege abgekürzt und Irrwege oft vermieden werden.
„Das bedeutet, dass nach wie vor jeder ELLIS-Partner sein Spezialgebiet vorantreibt. Aber wenn er auf Schwierigkeiten stößt oder allgemeine Problemstellungen zu lösen hat, kann er auf europaweite Expert*innen, deren Erfahrung und Wissen zurückgreifen“, betont AI-Pionier Sepp Hochreiter.
Few Shots Methode revolutioniert AI
Derzeit arbeiten die Programm-Partner*innen an Themen wie Medikamentenentwicklung, Klimawandel, Nahrungsmittelkrise oder im Fall der JKU an einer AI, die sowohl Wirkung als auch Eigenschaften und Aktivität von Molekülen vorhersagen kann. Aber der JKU Beitrag geht noch weiter: Hier wurde eine neue Few-shot-Learning Methode entwickelt. Der Gedanke von Few-Shot Learning: Statt jedes neue AI System von neuem mit großen Datenmengen zu füttern, wird auf bereits bestehende AIs (und deren „Lernerfolg“ und „Wissen“) aufgebaut und versucht das bisherige Wissen effektiv auf neue Probleme anzupassen. „Vereinfacht gesagt: Man nimmt also eine bereits bestehende Pyramide und braucht nur noch die kleine Spitze selbst entwerfen“, erklärt Klambauer. Dieser effiziente Ansatz spart enorm viele Rechenjahre ein.
JKU Rektor Meinhard Lukas freut sich über den Start des neuen ELLIS-Programms: „Damit zeichnet sich eine Revolution in der Molekülforschung ab. Die JKU ist wesentlicher Treiber dieser europäischen Initiative. Es ist wichtig, den technologischen Fortschritt nicht Großmächten oder Konzernen zu überlassen, sondern als europäische Wertegemeinschaft mitzugestalten. Dass die JKU dabei so stark vertreten ist, darauf können wir stolz sein“.