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Richard Küng: Ein Mann für alle Fälle (in Mathe, Physik und Informatik)

Wenn man 32 Jahre alt ist und Jobangebote von Google, Amazon und IBM bekommt, wofür entscheidet man sich? Klar, für die Johannes Kepler Universität Linz.

Professor Richard Küng
Professor Richard Küng

Zumindest im Fall von Dr. Richard Küng, der seit April 2020 an der JKU tätig ist. Küng ist…, ja, was sind Sie eigentlich?
Dr. Richard Küng: Naja, ich bin eine Mischung. Eine Portion Informatiker, eine Portion Physiker und eine ganz große Portion Mathematiker.

Und woran arbeiten Sie, dass Sie Angebote der ganz großen US-Konzerne erhalten haben?
Dr. Richard Küng: An Quantenalgorithmen.

Das sind?
Dr. Richard Küng: Alle Welt redet von Quantencomputern. Quanten sind aber etwas sehr Unbestimmtes. Tatsächlich sind Quanten kein Gegenstand wie etwa ein Mikrochip eines herkömmlichen Computers. Sie sind nur durch Wahrscheinlichkeiten beschrieben. Sie werden erst fixiert, wenn wir sie messen. Wenn ich Quanten beobachte, weiß ich also nicht, ob das Ergebnis X oder Y sein wird.

Wenn ein Computer mit Quanten rechnet, weiß man also nicht, ob wirklich 2+2=4 rauskommt?
Dr. Richard Küng: Ein Quantencomputer wird ziemlich sicher nur selten 2+2=4 rechnen. Er wird eine Bandbreite bieten. Meine Arbeit ist es, diese zufällige Streuung der Ergebnisse zu reduzieren oder ganz zu eliminieren. Das ist etwas kompliziert, meine Algorithmen funktionieren aber schon recht gut.

Und das interessiert Konzerne, die an Quantencomputern rumtüfteln?
Dr. Richard Küng: Absolut. Momentan gibt es Quantencomputer, die mit 53 qbits rechnen. Das ist ordentlich, für einen echten Computer würde man aber Hunderte dieser Informationsträger benötigen. Wobei das nicht Computer in unserem Sinne sind, sondern erste Gehversuche. Aber bereits hier können diese „Quantencomputer“ in kurzer Zeit speziell entworfene Aufgaben lösen, für die unsere besten Supercomputer Jahrtausende brauchen würden.

Aber irgendwo muss man die Quantenergebnisse wieder in unsere „normalen“ Begriffe und Hardware „übersetzen“. Ich arbeite an dieser „Quantum to Classical“-Schnittstelle.

Super Sache. Das heißt, in ein paar Jahren können wir Fortnite ohne Ruckeln auf unserem Home-Quantencomputer spielen?
Dr. Richard Küng: Das wird kaum passieren. Quantencomputer sind nicht die nächste Generation an Computern. Sie sind ein anderer, zukunftsweisender Weg, um riesige Simulationen durchzuführen – oder auch Simulationen extrem kleiner Systeme. Sie werden die Kryptographie revolutionieren und unknackbare Codes ermöglichen. Aufgrund ihrer Quanteneigenschaften werden sie aber nie ein normaler Computer mit normaler Software sein.

Und warum forschen Sie an der JKU an diesen Schlüsseltechnologien? Zahlt die JKU besser als Google?
Dr. Richard Küng: Das eher nicht (lacht). Aber im Ernst: Ich liebe die Grundlagenforschung. Ich bin glücklich, wenn ich Aufgabenstellungen und Probleme mathematisch lösen und beweisen kann. Vor allem aber: Quantencomputer werden durch ihre Rechenleistung Wissenschaft und Forschung völlig verändern. Deshalb findet derzeit ein Wettlauf statt, wer diese Technologie dominiert. Die USA und China liegen vorn, Europa ist deutlich dahinter. Ich finde es daher unglaublich wichtig, dass auch unsere demokratischen Werte in die Entwicklung einfließen. Und nicht alle neuen Entdeckungen nur staatlichen oder Konzern-Interessen dienen.

Sie sind also ein Idealist?
Dr. Richard Küng:  Ja. Es ist mir unglaublich wichtig, dass neue Technologien die Welt verbessern, nicht nur einer Gruppe einen Vorteil bringen.

Sie sind ein Tenure-Track-Professor, sollen also eine Professur auf Lebenszeit erhalten. Ist Ihnen Österreich nicht zu klein? Es heißt immer, dass alle klugen Köpfe das Land verlassen.
Dr. Richard Küng: Das ist Unsinn. Gerade bei Quantenforschung ist Österreich richtig stark und kann durchaus mit den Playern aus Amerika und Asien mithalten. Der Österreicher Erwin Schrödinger war einer der Begründer der Quantenmechanik, und auch heute sind wir bei der Quantenforschung zumindest derzeit noch vorn dabei.

Sie werden an der JKU nicht nur forschen, sondern auch lehren. Warum sollten sich Studierende auf Ihren Unterricht freuen?
Dr. Richard Küng: Ich bin leidenschaftlicher Lehrer, gebe gern weiter, was ich weiß. Und ich habe die Lehre auf drei Kontinenten erlebt. Ich habe hoffentlich absorbiert, was mir hilft, ein guter Lehrer zu sein. Und auch auszuscheiden, was nicht so gut funktioniert. Mein Unterricht wird jedenfalls erfrischend anders.

Und wie geht’s nun weiter?
Dr. Richard Küng: Für mich ist die JKU ein Glückstreffer — meine Kollegen am IIC machen schon extrem coole Sachen zum Thema Quantum Computing. Ergänzend dazu will ich eine kleine Task Force an der JKU aufbauen, die sich mit der Entwicklung von Algorithmen für Quantencomputer beschäftigt. Und privat will ich erstmal heimisch werden. Ich stamme aus Hagenberg und lebe nun nach 13 Jahren wieder dort, aber ich bin es nicht mehr gewohnt, länger als ein paar Monate an einem Ort zu sein. Das ist eine Umstellung, auf die ich mich aber sehr freue. Denn an der JKU habe ich endlich eine vielversprechende berufliche Heimat gefunden.

Zur Person

Richard Küng wurde 1988 geboren und studierte Physik an der ETH Zürich. Die Doktorarbeit absolvierte er summa cum laude zum Thema "Convex reconstruction from structured measurements" an der Uni Köln (2016), ein Semester forschte er dafür an der Universität Sydney. Aufenthalte an Universitäten in Berlin und Kalifornien folgten. Seit April 2020 ist er als Assitenzprofessor am Institute for Integrated Circuits (IIC) im Department of Computer Science an der JKU tätig.

Das Interview führte Christian Savoy