Dieses Projekt untersucht die Rolle von “Entrainment” in kreativen Projekten. Damit ist gemeint, dass Prozesse oder Aktivitäten, die zu einem kreativen Projekt beitragen, synchronisiert, also zeitlich miteinander in Einklang gebracht werden. In der Organisationsforschung geht man typischerweise davon aus, dass synchronisierte Prozesse effizienter sind, so zum Beispiel rechtzeitig auf umweltbedingte Schwankungen reagiert und ein Produktionsengpass vermieden werden kann. In kreativen Projekten geht es jedoch weniger um Effizienz, sondern vielmehr um die Exploration neuer und wertvoller Ideen. Die Schaffensprozesse dieser Ideen haben ihre ganz eigene Zeitlichkeit – oft kann man sie nicht nach Kalender und Uhrzeit planen. Eine zu starke Synchronisierung entlang organisationaler oder regulatorischer Strukturen geht dann womöglich auf Kosten der Kreativität. Gleichzeitig kann Zeitdruck aber natürlich auch die Entstehung von Ideen beschleunigen – wir alle haben schließlich schon einmal die kreativitätsfördernde Wirkung von Deadlines erlebt. Dieses Projekt hat sich zum Ziel gemacht, die Zeitlichkeit kreativer Projekte genauer zu untersuchen. Es startet bei der Annahme, dass Entrainment in manchen Phasen eines kreativen Projektes durchaus kreativitätsfördernd sein kann, z.B. wenn durch Zeitpläne ein fokussierter, intensiver Aktivitätsgrad erreicht werden kann, um Prozesse abzuschließen. In anderen Phasen jedoch kann es wichtig sein, Aktivitäten untereinander und von äußeren zeitlichen Strukturen zu entkoppeln (etwas, was wir als „Detrainment“ bezeichnen), um Raum für die Ideenentwicklung zu schaffen. Die Forschungsfrage lautet: Welche organisationalen Praktiken des De-/Entrainment wirken sich wie auf Kreativität aus?
Ausgehend von dieser Frage verfolgt das Projekt vier Beiträge für eine Theorie der zeitlichen Strukturierung kreativer Projekte. Erstens sollen kreative Produktionszyklen in zwei Feldern, Musik und Pharma, systematisch erfasst werden. Auf dieser Basis soll zweitens ein praxistheoretisches Verständnis von Entrainment entwickelt werden, welches die Rolle der handelnden Akteure ins Zentrum stellt, die ihre Arbeitsprozesse aktiv zeitlich strukturieren, wobei auch Praktiken des Detrainment herausgearbeitet werden sollen. Drittens soll die Rolle von unterschiedlichen Materialitäten (Objekte, Räume, Technologien, etc.) in kreativen Prozessen als Mitverursacher zeitlicher Strukturen untersucht werden. Zuletzt und in Summe sollen anhand eines Vergleichs unterschiedlicher kreativer Projekte in Kunst und Wissenschaft Propositionen herausgearbeitet werden, die De-/Entrainment als eine Form des Organisierens kreativer Projekte theoretisieren.
Methoden: Da es noch keine bestehende Theorie zur Rolle von Entrainment in kreativen Projekten gibt, ist dieses Projekt explorativ angelegt und verwendet ethnographische Methoden, um detaillierte, qualitative Langzeitdaten zur zeitlichen Entwicklung kreativer Projekte zu erheben. In jedem der beiden Untersuchungsfelder, Musik und Pharma, werden zwei Projektökologien untersucht, in denen parallel mehrere kreative Projekte verfolgt werden. Einige dieser Fälle wurden bereits beforscht, so dass eine echte Langzeituntersuchung möglich ist.
What’s new: Zwar wurde die zeitliche Komplexität kreativer Projekte in und zwischen Organisationen bereits mehrfach hervorgehoben, doch kaum eine Studie hat bislang Praktiken des De-/Entrainment) kreativer Prozesse und deren Auswirkungen auf Kreativität untersucht.
Projektpartner: Prof. Gernot Grabher (HafenCity University Hamburg), Prof. Jörg Sydow (Freie Universität Berlin)
Ansprechpartnerin
Prof. Elke Schüßler
Projektmitarbeiter
Auftraggeber
FWF
Laufzeit
12/2020 bis 11/2023