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Seltene Erkrankungen im Fokus der Forschung

Selten heißt nicht wenig: Rund sieben Prozent der Bevölkerung leiden an einer von mehr als 7.000 bisher bekannten seltenen Erkrankungen.

Wolfgang Högler, Kinder- und Jugendheilkunde

Der 28. Februar steht international im Zeichen der „Seltenen Erkrankungen“. Selten heißt nicht wenig: Rund sieben Prozent der Bevölkerung leiden an einer von mehr als 7.000 bisher bekannten seltenen Erkrankungen („Rare Diseases“) – das sind 30 Millionen Betroffene in Europa. An der Johannes Kepler Universität Linz und am Kepler Universitätsklinikum wird ein Schwerpunkt auf die Erforschung und Behandlung dieser Krankheiten gelegt.   

Seit der Gründung der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am Kepler Universitätsklinikum im Jahr 2018 steht für Vorstand Prof. Wolfgang Högler die Forschung und Behandlung von seltenen Krankheiten im Mittelpunkt seines Tuns.

Für die Betroffenen ist der Leidensdruck bis zur Diagnose – und auch danach – enorm. Zudem: Je spezieller und seltener eine Krankheit, desto teurer ist oft ihre Behandlung. Nicht selten belaufen sich die Kosten auf mehrere hunderttausend Euro pro Patient*in im Jahr. Die führenden Kliniken in Europa und die EU selbst haben längst erkannt, dass die Versorgung von Patient*innen mit seltenen Krankheiten nur in spezialisierten Zentren erfolgen kann, weil nur dort genug Expertise, jahrelange fundierte Ausbildung im Spezialbereich und global vernetzte Forschungsprojekte gewährleistet sind.

„Die Diagnosefindung hat sich durch verbesserte Technologien bei der DNA/RNA-Sequenzierung massiv verbessert. Bei komplexen Fällen haben wir die Möglichkeit über unser Forschungsnetzwerk und mein Forschungslabor am neuen Campus der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz noch tiefer im Erbgut nach Ursachen zu suchen bzw. Krankheitsmechanismen auf die Spur zu kommen. Forschung wie diese hat es ermöglicht, viele neuartige Therapien zu entwickeln und es gibt wunderbare Beispiele für Enzymersatztherapien und neuerdings auch Gentherapie, die revolutionäre Therapieerfolge zeigen“, erklärt Professor Högler, der vor seiner Berufung nach Linz 13 Jahre an führenden endokrinologischen Einrichtungen im englischsprachigen Raum tätig war.

Die Linzer Expert*innen rund um Professor Högler sind international vernetzt und haben es sich zum Ziel gesetzt, so vielen Patient*innen wie möglich den Zugang zu Studien und damit auch zu den neuesten Therapien zu ermöglichen. Ärzt*innen und Pflegemitarbeiter*innen arbeiten dazu in spezialisierten Teams – eingebettet in das European Reference Network for Rare Diseases. Ein Beispiel für eine seltene Erkrankung ist die Hypophosphatasie (HPP), eine erblich bedingte, nicht heilbare Störung im Knochenstoffwechsel. Durch einen zu geringen Mineralgehalt in den Knochen kommt es zu schweren Fehlbildungen des Skeletts. Die Patientinnen und Patienten leiden an Rachitis, Knochenbrüchen, Muskelschwäche, Müdigkeit, rheumatischen Schmerzen und dem frühen Verlust der Milchzähne samt Wurzel. Bei der moderaten bzw. milden Form der HPP geht man von einer Häufigkeit von 1 zu 7.000 aus. Je schwerer die Krankheit, desto früher tritt sie auf und desto früher wird sie diagnostiziert. Neben einer Blutuntersuchung und einem Röntgen ist für die Diagnose ein Gen-Test entscheidend, da Mutationen im ALPL-Gen die Krankheit verursachen. Das Problem: Das ALPL-Gen weist eine Vielzahl von Varianten auf, deren Krankheitswert manchmal unklar ist. Hier setzt ein Forschungsprojekt von Prof. Högler an. Auf der JKU Webseite wurde eine globale, öffentlich zugängliche Webseite eingerichtet, die alle bekannten Genvarianten des ALPL Gens trägt. Diese Datenbank dient als Nachschlagewerk für alle mit dieser Krankheit befassten Expert*innen weltweit. Das Linzer Projekt-Team erhält die genetischen Codes der ALPL Varianten aus aller Welt, testet diese in einer Zellkultur auf ihren Krankheitswert und präsentiert alle Ergebnisse einer von Prof. Högler geleiteten internationalen Expert*innengruppe. In der Datenbank werden alle Daten veröffentlicht die über den Krankheitswert einer Gen-Variante informieren, von der Zellfunktion bis zur assoziierten Symptomatik bei den Patient*innen. Die Klassifizierung möglichst vieler Gen-Varianten wird die Diagnose von HPP künftig wesentlich erleichtern. Dieses Projekt wurde von Prof. Högler und Laborleiter Dr. El-Gazzar entwickelt und wurde vom biopharmazeutischen Unternehmen Alexion, das auf seltene Krankheiten spezialisiert ist, mit 1,4 Mio. Euro finanziert. Die Forschungsergebnisse sollen dazu beitragen, die Krankheit besser zu verstehen. „Netzwerkbasierte Forschung ist wesentlich für den Erkenntnisgewinn“, sagt Prof. Högler.

Kinder und Jugendheilkunde im Wandel

Enorme Fortschritte in der Diagnosefindung verändern die Pädiatrie und die ärztliche Ausbildung an der Universitätsklinik, wo angeborene Krankheiten und Störungen des Stoffwechsels erstdiagnostiziert und behandelt werden. Da es rund 7.000 seltene Krankheiten gibt, sind Spezialisierung und Zentrumsbildung ein absolutes Muss in der Pädiatrie, was sich in einer Vielzahl von Spezialambulanzen widerspiegelt. Ein Beispiel für die rasante Entwicklung in der universitär-medizinischen Versorgung ist die Epilepsie. Vor zwei Jahrzehnten konnte hier noch wenig Ursachenforschung betrieben werden. So gab man sich mit der Diagnose Epilepsie zufrieden und konzentrierte sich darauf Anfallsfreiheit zu erzielen, ohne die Ursache zu verstehen. In Jahre 2022 haben sich aus der Diagnose „Epilepsie“ über 130 spezifische Krankheitsbilder meist genetischen Ursprungs entwickelt, jedes mit spezifischem Krankheitsmechanismus. Bei Kleinwuchs, Knochenbrüchigkeit oder Hormonstörungen vieler Art ist die Situation ähnlich. „Es liegt auf der Hand, dass jede dieser Einzelkrankheiten auch eine individualisierte Behandlung braucht und unsere klinische Forschung in internationalen Netzwerken ist hier ganz essentiell, um maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln“, zeigt Prof. Högler die Herausforderungen und Chancen für die Zukunft auf.

„Wir müssen uns als Forscher*innen den bisher unerklärbaren Dingen zuwenden und diese auch lehren“, so Högler, denn: „die Forschung von heute kann die Therapie von morgen entscheidend verbessern“.

Schwerpunkte der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde

Die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde verfügt vor allem im Bereich der Endokrinologie (Hormone), Osteologie (Knochen) und Neurologie (Nervensystem und Muskeln) über große Expertise und erfüllt hier einen überregionalen Versorgungsauftrag.

Die Forschungs- und Versorgungsschwerpunkte liegen auf Ausfall, Fehl- oder Überproduktion von Hormonen der Nebenniere, Keimdrüsen, Hirnanhangsdrüse, Schilddrüse und der Nebenschilddrüse.

  • Wachstums- oder Pubertätsstörungen
  • Rachitis, Knochenbrüchigkeit; Rachitis
  • Diabetes Typ 1-3
  • Therapieresistente Epilepsien
  • Neuromuskuläre Erkrankungen und Bewegungsstörungen
  • Onkologie und Hämatologie