FWF ESPRIT Projekt: Adverse Allies: Logical Empiricism and Austrian Economics
Projektleiter: Alexander Linsbichler
Voraussichtliche Projektlaufzeit: 1.12.2022 - 31.1.2026
Kurzbeschreibung des Projekts
Der logische Empirismus und die Österreichische Schule der Nationalökonomie sind zwei der international einflussreichsten intellektuellen Bewegungen mit Wiener Wurzeln. Vertreter des Wiener Kreises und der Österreichischen Schule haben die Entwicklung philosophischer, wissenschaftlicher und politischer Debatten im 20. Jahrhundert geprägt. Im 21. Jahrhundert erleben der logische Empirismus eine Neubewertung und die Österreichische Schule eine Renaissance.
Trotz zahlreicher Interaktionen zwischen den beiden Bewegungen hat deren Beziehung überraschend wenig Aufmerksamkeit in der Fachliteratur erfahren. Wenn überhaupt, werden logische Empiristen und Österreichische Ökonomen als philosophisch, wissenschaftlich und politisch völlig gegensätzlich positioniert. Schlagwortpaare wie Empirie vs. Apriorismus, formale Methoden vs. verbale Logik und Sozialismus vs. Liberalismus illustrieren den Kontrast.
Natürlich existieren Unterschiede zwischen logischem Empirismus und Österreichischer Schule. Mein Projekt hinterfragt jedoch die übliche Einschätzung absoluter Opposition, indem ich vernachlässigte Ähnlichkeiten und Kompatibilitäten zwischen den beiden Bewegungen rekonstruiere. Einige dieser Übereinstimmungen motivieren konstruktive Weiterentwicklungen der Tradition des logischen Empirismus und im Umfeld der Österreichischen Schule und liefern damit Lösungsvorschläge zu aktuellen Problemen in Philosophie, Wissenschaft und Politik. Dabei konzentriere ich mich auf folgende sechs „Research Spotlights“ und Fragen wie:
(1) Welche Vor- und Nachteile haben formaler Methoden in den Sozial- und Geisteswissenschaften? Welche formalen Methoden sind mit der Österreichischen Methodologie vereinbar?
(2) Wie kann „wissenschaftlicher Utopismus" Forschung, Politikberatung und Bildung unterstützen? Als Fallstudie analysiere ich Joseph Popper-Lynkeus' Sozialprogramm als Vorläufer eines bedingungslosen Grundeinkommens.
(3) Wie können normative Aussagen bewertet, kritisiert oder gerechtfertigt werden? Wie kann die Rolle normativer Aussagen in Argumenten fruchtbar analysiert werden?
(4) Anstelle des extremen Apriorismus habe ich analytische Praxeologie als Methodologie eines Zweiges der Österreichischen Schule vorgeschlagen und skizziert. Welche Zukunftsaussichten hat eine weiterzuentwickelnde analytische Praxeologie? Was genau lässt sich logisch aus einem formalisierten Fundamentalaxiom der Praxeologie ableiten?
(5) Karl Menger und Rudolf Carnap haben Toleranz sogar auf die Logik angewandt. Welche Rolle spielte Hans Hahn in der Frühgeschichte des logischen Toleranzprinzips? Ist logische Toleranz mit Kritik am Polylogismus vereinbar? Sind aus logischer Toleranz umfassendere, gesellschaftliche Konsequenzen zu ziehen?
(6) Otto Neurath und Ludwig Mises verteidigten Demokratie mit anderen Argumenten als Hans Kelsen. Können daraus Lehren für Herausforderungen gezogen werden, mit denen sich Demokratie aktuell konfrontiert sieht, wie etwa Sprachbarrieren, die Rolle von Experten und Bildung?