Projektbeschreibung:
Die Sozialstruktur ländlicher Regionen hat sich in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend verändert. Während im letzten Jahrhundert der soziale Zusammenhalt in ländlichen Gemeinden durch Familiennetzwerke, lokal gebundene Freundeskreise und Gemeindeverbände gewährleistet wurde, sind diese Vergemeinschaftungsformen heute eher rückläufig. Die Abgeschiedenheit ländlicher Gebiete garantiert keine fürsorglichen Gemeinschaften und lokalen Unterstützungsnetze mehr. Infolgedessen sind immer mehr Menschen in ländlichen Regionen in Bezug auf soziale Integration, kulturelle Teilhabe, Gesundheit und allgemeines Wohlbefinden gefährdet.
Digitale Kommunikations- und Koordinationswerkzeuge können hier neue Systeme lokaler sozialer Unterstützung inspirieren, neue Freiwillige für die Gemeinschaftsarbeit gewinnen, die Art und Weise verändern, wie Mitglieder ländlicher Gemeinden interagieren, und so die soziale Desintegration abmildern und den sozialen Zusammenhalt in ländlichen Gemeinden wiederherstellen. Dezentrale Netzwerke wie Online-Freiwilligenplattformen, Online-Nachbarschaftshilfegruppen, mediatisierte Beratung oder ortsbezogene Social-Media-Gruppen können niedrigschwellige Möglichkeiten sowohl für potenzielle Freiwillige als auch für Klient*innen und Empfänger*innen von Hilfeleistungen bieten. Hierzu fehlen bislang jedoch wissenschaftlich fundierte Belege.
Um zu verstehen, ob die Digitalisierung den sozialen Zusammenhalt in ländlichen Gebieten tatsächlich unterstützen kann, ist es von entscheidender Bedeutung, die tatsächliche Nutzung digitaler Werkzeuge in den konkreten Praktiken und Interaktionen von Freiwilligen in ländlichen Gemeinden zu untersuchen. Die weitreichende Digitalisierung sozialer Interaktionen, die durch die Einschränkungen der physischen Ko-Präsenz während der Covid-19-Lockdowns verursacht wird, beschleunigt nicht nur die zuvor isolierten Bemühungen, die Freiwilligenarbeit in den Gemeinden digital zu unterstützen, sondern unterzieht diese Bemühungen auch einem Stresstest. Unser Ziel ist es daher, die faktische Praxis digital vermittelter Freiwilligenarbeit zu erforschen.
Um diese tatsächlichen Phänomene sowohl in ihrer Breite als auch in ihrer Tiefe empirisch zu untersuchen, greifen wir auf explorative Feldstudien zurück, sowohl in einer Vielzahl von ländlichen Kontexten und Orten als auch mit einer Vielzahl von digitalen Werkzeugen und Praktiken. Ein Living Lab soll initiiert werden, um Best-Practice-Maßnahmen zu generieren und die gewonnenen Erkenntnisse unter regionalen Entwicklern, lokalen Freiwilligen und Praktikern sowie sozialen Diensten und öffentlichen Einrichtungen zu verbreiten. Unser Fokus wird sich schließlich darauf richten, nicht nur digitale Formen zur Verbesserung des sozialen Zusammenhalts in ländlichen Gebieten zu untersuchen, sondern auch dazu beizutragen, diese Best-Practice-Maßnahmen zu verfeinern und ihre Verbreitung in verschiedenen lokalen Gemeinschaften anzuschieben.