Medizinische Tests sollten nicht nur im Labor stattfinden, sondern auch direkt bei den Patient*innen. So genannte „Labore auf dem Chip“ ermöglichen das.
Nicht erst durch die Corona-Pandemie hat sich gezeigt: Medizinische Tests sollten nicht nur im Labor stattfinden, sondern auch direkt bei den Patient*innen. So genannte „Labore auf dem Chip“ ermöglichen das. Deren Entwurf und die Herstellung von Kleinserien ist aber oft noch mit viel manuellem Aufwand verbunden. Ein Konsortium bestehend aus der Johannes Kepler Universität Linz, der ESS Engineering Software Steyr GmbH, der Ernst Wittner Gesellschaft m.b.H. und dem Software Competence Center Hagenberg (SCCH) arbeitet nun an der Automatisierung dieses Prozesses. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt das Projekt mit über 1,4 Millionen Euro.
Medizinische Analysen und Untersuchungen werden heutzutage noch oft in hochmodernen Laboren durchgeführt, in denen Expert*innen verschiedene Substanzen unter Einsatz von komplexem Equipment, kostenintensiven Chemikalien und hohem Personaleinsatz analysieren. Gleichzeitig stehen mit so genannten „Laboren auf dem Chip“ aber auch Alternativen zur Verfügung, in denen unter anderem typische Aufgaben wie das Mischen, Erhitzen oder Inkubieren von Proben auf mikro-Ebene durchgeführt werden können. Das Labor „schrumpft“ damit auf einen einzelnen Chip, der entsprechende Analysen dann auch direkt bei den Patient*innen erlaubt. Der Schwangerschaftstest oder der durch die Pandemie berühmt gewordene Corona-Schnelltest sind einfache Beispiele dieser Technologie. Zudem steckt weiteres Potenzial zum Beispiel im Bereich der Point-of-Care Diagnostik, der Krebsforschung oder der Behandlung weiterer Infektionskrankheiten – gerade in Orten mit schlechter Gesundheitsversorgung, z.B. in Entwicklungsländern.
Komplexe Technologie im Einsatz
Doch das Potenzial dieser Technologie wird bisher kaum genutzt. Einer der Gründe: Der Entwurf und die Herstellung entsprechender Chiplabore ist komplex und erfordert bisher noch sehr viel manuellen Aufwand: so müssen Kanäle, durch die Substanzen und Chemikalien geleitet werden, dimensioniert und verbunden werden. Die verwendeten Flüssigkeiten müssen mit dem korrekten Druck in den Chip injiziert werden und Operationen wie Mischen, Erhitzen oder Inkubieren müssen genau zur richtigen Zeit gestartet werden. Da alles im Mikroliter-Bereich stattfindet, führen hier schon kleinste Abweichungen zu fehlerhaften Chips. Der Entwurf und die Produktion gelingen daher – wenn überhaupt – oft nur durch mühsames „Trial-and-Error“.
Ein Konsortium bestehend aus der Johannes Kepler Universität Linz, der ESS, der Ernst Wittner Gesellschaft m.b.H. und dem Software Competence Center Hagenberg will dieses Problem nun durch die Entwicklung spezieller Methoden zur Entwurfsautomatisierung lösen. Inspiration kommt dabei vom Entwurf klassischer Computerchips: diese sind heutzutage ebenfalls hochkomplexe Einheiten mit teilweise Millionen oder gar Billionen von Komponenten wie z.B. Transistoren, die korrekt platziert, verbunden, etc. werden müssen. Im Gegensatz zu den „Laboren auf dem Chip“ haben sich hier aber in der Vergangenheit zahlreiche automatische Methoden durchgesetzt, mit denen sich diese Chips „auf Knopfdruck“ entwerfen lassen. Ähnliche Verfahren sollen nun auch für die Chiplabore entwickelt werden.
Labor kommt zu den Patient*innen
„Mit den im Projekt entwickelten Methoden wird es deutlich einfacher werden, weitere medizinische Analysen und Untersuchungen vom Labor direkt zu den Patient*innen zu bringen. Während bisher monatelange Kleinstarbeit die Umsetzung vieler Labore auf dem Chip verzögerte oder gar verhinderte, werden künftige Chips in wenigen Tagen entworfen und produziert werden können,“ erläutert Prof. Dr. Robert Wille, der als Konsortialführer das Projekt leitet. Damit schafft man es nicht nur, diese Technologie für viele weitere Anwendungen kostengünstig nutzbar zu machen, sondern auch schnell auf neue Herausforderungen wie Tests für neue Virusvarianten zu reagieren.
Das Projekt bringt dabei Kompetenzen zusammen, die sich ideal ergänzen: Während an der JKU die Grundlagen des Entwurfs und der Produktion von Chiplaboren erforscht werden, sind mit der ESS und der Ernst Wittner GmbH etablierte Firmen dabei, die erfolgreich und international Methoden zur Automatisierung von Entwurfsprozessen vermarktet haben bzw. jahrzehntelange Erfahrung in der Produktion vorweisen können. Das SCCH stellt mit seiner Kompetenz im Bereich Software Science zudem sicher, dass alle Methoden auch wirklich für die interdisziplinäre Zielgruppe bedien- und nutzbar bleiben.
Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt das Projekt mit über 1,4 Millionen Euro.