„Wir haben die Verantwortung, die Nachkriegsjustiz aufzuarbeiten“
Anlass war die Präsentation eines Sammelbandes, in dem die Volksgerichtsverfahren in sieben Beiträgen auf ihre verfahrensrechtlichen Grundlagen hin untersucht werden. „Wir haben die Verantwortung, die Nachkriegsjustiz aufzuarbeiten“, betonte Prof. Bergthaler in der Begrüßung die Bedeutung der vorgelegten Arbeiten.
Für Prof.in Lyane Sautner werde gerade in diesem Projekt der Forschungsschwerpunkt Procedural Justice gut sichtbar. Die Leiterin des gleichnamigen Institutes verwies auf die laufenden praxisrelevanten Untersuchungen zum Prozessrecht, die gemeinsam mit Kriminolog*innen und Rechtspsycholog*innen erfolgen. „Diese Interdisziplinarität ist ein Alleinstellungsmerkmal unseres Institutes in ganz Österreich“, sagte Prof.in Sautner.
Siegmar Lengauer fasste als Herausgeber und Leiter des Projektes am Institut für Strafrechtswissenschaften wesentliche Ergebnisse zusammen. So können die damaligen Rechtsgrundlagen als „tauglich“ beurteilt werden, doch waren weiters unklare Zuständigkeiten, der geringe Einfluss der Schöffen und nur wenig verlässliche Zeugenaussagen festzustellen.
Im Hauptvortrag berichtete Oberstaatsanwalt Thomas Will über die Tätigkeit einer besonderen Behörde, nämlich der 1958 geschaffenen „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltung zur Aufklärung Nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg, Baden-Württemberg. 7694 Vorermittlungen wurden bisher durchgeführt, 18688 Verfahren wegen nationalsozialistischer Verbrechen sind seither anhängig. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte etwa das Verfahren gegen John Demjanjuk; das Vorermittlungsverfahren der Zentralen Stelle ergab hierfür, dass dieser an der Ermordung von mindestens 29.000 Menschen mitgewirkt habe. Mittlerweile schränke das hohe Alter der Täter*innen den Kreis mehr und mehr ein.
Peter Eigelsberger von der Dokumentationsstelle Hartheim verwies auf die „nur wenigen Verurteilungen für die 30000 Opfer“ der Tötungsanstalt. Auf die ganz praktischen Schwierigkeiten, zehntausende Verfahren in dieser Zeit zu führen, verwies Claudia Kuretsidis-Haider von der Dokumentationsstelle des österr. Widerstandes (DÖW), vom fehlenden Papier bis hin zum Personalmangel. Kritisiert wurde die aktuelle Regelung etwa im OÖ Landesarchiv, dass Akteneinsicht nur mehr mit einem besonderen Nachweis möglich sei. „Das ist eine Verhinderung der Forschung“, sagte die DÖW-Forschungsleiterin.
Als Vertreter der 6 Wissenschaftler*innen des Sammelbandes differenzierte Johannes Dietrich eindrücklich den „Befehlsnotstand“, eine Zwangslage des Täters, die zur Straffreiheit führt. So könnten sich Täter in Sonderkommandos, die persönlich erlebt haben, dass es keine ernsthaften Folgen hatte, sich einem Tötungsbefehl zu entziehen, nicht mehr auf einen vermuteten Notstand ausreden. Anders sei es etwa bei jungen weiblichen Pflegekräften in Hartheim, die sich von mächtigen Vorgesetzten einschüchtern ließen.
Der „äußerst lesenswerte Sammelband“ (Bergthaler) ist im Jan Sramek Verlag erschienen.
Maßnahmen gegen die drohende Klimakatastrophe statt Kriminalisierung friedlicher Proteste
In einem modernen Rechtsstaat darf das Strafrecht nur verwendet werden, um gravierende Verstöße gegen den gesellschaftlichen Wertekonsens zu ahnden. Strafnormen müssen nach diesem Verständnis unbedingt erforderlich sein, um ein geordnetes menschliches Zusammenleben zu ermöglichen.
Die Kriminalisierung von gewaltfreiem Klimaprotest ist ein überzogenes Mittel, das dem Konsens einer modernen Gesellschaft von „Strafrecht als letztem Mittel“ widerspricht. Die Kriminalisierung führt dazu, sich die berechtigten Anliegen der Protestierenden nicht anhören zu müssen, weil sie von „Kriminellen“ geäußert werden. Wenn jene, die zu Recht Schritte zur Verhinderung der Klimakatastrophe fordern, an den Pranger gestellt werden, wird es zu keinem Umdenken kommen und die längst notwendigen Schritte werden auch weiterhin ausbleiben. Gegen friedlich Protestierende die Strafrechtskeule zu schwingen, und sei es auch aus einem Akt der Hilflosigkeit, lenkt ab von der Notwendigkeit, endlich Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele zu setzen.
In den vergangen Wochen wird zusätzlich zur Forderung von Straftatbeständen für Klimaproteste versucht, Klimaaktivist:innen als „kriminelle Vereinigung“ einzustufen. Dabei setzt die kriminelle Vereinigung einen Zusammenschluss zum Zweck voraus, Gewalttaten oder schwere Sachbeschädigungen zu begehen. Wenn der Hauptzweck einer Vereinigung darin besteht, mit friedlichem Protest wachzurütteln, fehlt es schon begrifflich an einer kriminellen Vereinigung. Dass dennoch versucht wird, den Klimaprotest mit „mafiaähnlichen Strukturen“ zu vergleichen, erscheint als weiterer Mosaikstein, um von der drohenden Klimakatastrophe abzulenken und sich die Welt schön zu reden.
Wir brauchen ein Umdenken und endlich effektive Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele. Denn die Kriminalisierung von Klimaaktivist:innen wird die Klimakatastrophe nicht abwenden können.
Quelle: Celsius, der Klimablogg von Scientists for Future Österreich, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, Redaktion OÖ, 18. Dezember 2023
Einander verstehen lernen - Recht und Medizin im Gespräch
Jurist*innen und Mediziner*innen haben jeweils ihre eigene Terminologie und Perspekte. Das kann zu Missverständnissen führen - auch bei Streitfällen vor Gericht. Die JKU und der Dachverband der intensivmedizinischen Gesellschaften Österreichs haben daher eine Veranstaltungsreihe gestartet, die den Dialog zwischen beiden Bereichen fördern soll.
Start ist am 5. Dezmeber (14.00 Uhr im JKU medLoft, Med Campus) mit dem Thema "Übertherapie am Lebensende". Es erwarten Sie zahlreiche Vorträge wie z.B. "Kausalität des Sterbens im juridischen Kontext" von Prof. Alois Birklbauer (Institut für Strafrecht der JKU). Die Begrüßung erfolgt u.a. von Vizerektorin Elgin Drda.
Unternehmensstrafrecht, Wettbewerb und Menschenrechtsschutz
Projektband I: Perspektiven des Wirtschaftsvölkerstrafrechts
Herausgegeben von RA Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer
Nomos, 2023, 928 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-7560-0471-3
Schriftenreihe zum deutschen, europäischen und internationalen Wirtschaftsstrafrecht (Band 53)
Mit Beiträgen von Mag. Nihad Amara, B.A., Mag. Dr. Christoph Kathollnig, Mag. Dr. Sergio Pollak, Mag. Dr. Nikolai Schäffler, Assoz. Univ.-Prof. Dr. Stefan Schumann, RA Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer
Projekt: Unternehmensstrafrecht im globalen Wettbewerb und Menschenrechtsschutz (UWM)
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer
Universitätsöffentliche Vorträge des 3. Symposiums zum Strafrecht:
„Wahrheit fördern statt gefährden: Angemessene Beweiserhebung und -würdigung“
Am Donnerstag, 23. November 2023, um 18 Uhr
im Uni-Center der JKU
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleg*innen,
im November feiert Frau Univ.-Prof.in Dr.in Petra Velten ihren 65. Geburtstag und Abschied als Hochschullehrerin. Aus diesem Anlass lädt das Institut für Strafrechtswissenschaften der JKU Linz zusammen mit Prof. Dr. Helmut Frister und Prof. Dr. Mark Deiters ganz herzlich zu den universitätsöffentlichen Vorträgen ein:
Der Nachweis im Strafverfahren
Univ.-Prof. Dr. Kurt Schmoller (Universität Salzburg)
Zum deutschen Beweisrecht
Prof. Dr. Helmut Frister (Universität Düsseldorf)
am Donnerstag, 23. November 2023, um 18.00 Uhr
im Uni-Center der JKU
Anschließend wird zum Sektempfang geladen.
Wir bitten um Anmeldung unter strafrecht@jku.at bis zum 15. November 2023
und freuen uns auf Ihre Teilnahme!
Neuvermessung des Refoulementverbots der Europäischen Menschenrechtskonvention
Vortragsnachmittag mit Diskussion zur Notwendigkeit und Umsetzung in Österreich
Mittwoch, 11. Oktober 2023, 15.30 Uhr, HS 16, Managementzentrum
Das sogenannte „Refoulementverbot“ der Europäischen Menschenrechtskonvention schützt unter anderem Fremde vor Abschiebung in Staaten, in denen ihnen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen wie Folter oder Tod drohen. Neben Folter- und Todesgefahr, die bekanntermaßen einen solchen (Refoulement-)Schutz begründen, sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch andere im Ausland drohende Grundrechtsverletzungen (wie insbesondere auch der „Verfahrensfairness“) erheblich.
Auf diese „Erweiterung“ des Refoulementverbots konzentriert sich unsere Veranstaltung, wobei dessen konventionsrechtliche Grundlagen ebenso betrachtet werden wie die Frage seiner Rezeption im Unionsrecht sowie schließlich der Stand der Umsetzung im österreichischen Auslieferungs- und Fremdenrecht.
Mit Univ.-Prof. Dr. David Leeb, Univ.-Ass. Dr. Manuel Neusiedler und Univ.-Ass.in Mag.a Katharina Leithner vom Institut für Staatsrecht und Politische Wissenschaften,
Univ.-Ass. in MMag. a Dr. in Ranjana Andrea Achleitner, Institut für Europarecht
Ass.-Prof. in Dr. in Ingrid Mitgutsch, Institut für Strafrechtswissenschaften und
Univ.-Ass. in Dr. in Lisa Schmollmüller, Institut für Procedural Justice
Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der beigeschlossenen Einladung samt Programm.