zum Generalthema "Herausforderung Umweltverfahren"
Am 14. und 15. September 2016 veranstaltete das Institut für Umweltrecht der JKU Linz gemeinsam dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. i.R. Dr. Ferdinand Kerschner (JKU Linz), Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Erika M. Wagner (JKU) und Univ.-Prof.in MMag.a Dr.in Eva Schulev-Steindl, LL.M. (Universität Graz) die bereits 21. Österreichischen Umweltrechtstage.
Das Generalthema "Herausforderung Umweltverfahren - Effizienz, Rechts(un)sicherheit, Öffentlichkeitsbeteiligung" war ein neuerlicher Publikumsmagnet - auch heuer nahmen wieder mehr als 150 Mitglieder der "Umweltrechtsfamilie" an den Umweltrechtstagen teil.
Erster Vormittag
Inhaltlich begannen die Umweltrechtstage auch diesmal in traditioneller Weise wieder mit einem gründlichen Überblick über die Neuerungen des vergangenen Jahres im europäischen und nationalen Umweltrecht. Die ReferentInnen boten wieder umfassende Updates im Europarecht, in der nationalen Gesetzgebung und Judikatur, und zwar im öffentlichen Recht, im Privatrecht, sowie im Wasser- und im Abfallrecht.
Aktuelles zum Umweltrecht - Teil 1
Im ersten Vortrag des Tages gab Dr. Florian Stangl (CHSH Rechtsanwälte GmbH) zunächst einen prägnanten und informativen Überblick über die aktuellen Rechtssetzungsvorhaben der Europäischen Union.
Er machte dabei klar, dass sich die EU derzeit sehr stark auf die Wirtschaftskrise, auf den Brexit und auf die Flüchtlingsprobleme konzentriert. Vor dem Hintergrund des Brexit merkte er an, dass sich der Zustand der Umwelt im Vereinigten Königreich durch die EU gebessert habe. Er resümierte, dass die EU-Richtlinien GB zur Umsetzung des EU-Umweltrechts in nationales Recht gezwungen hätten - in diesem Bereich werde es hoffentlich nicht sofort einen Kahlschlag geben. Anders sei dies natürlich bei den Verordnungen, die dann wegfallen werden.
Daran anschließend skizzierte Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Wessely (LVwG NÖ) die neuen Entwicklungen im Bereich der Judikatur zum öffentlichen Recht. Er zeigte dabei in allen Verästelungen, welche Konsequenzen die Entscheidung Gruber in Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsbeteiligung nach sich zieht. Ein zweiter Schwerpunkt seines Referats war materienspezifischer Judikatur gewidmet.
Im ersten Teil des Berichts zu den neuen Entwicklungen der Gesetzgebung im Bereich des Öffentlichen Rechts informierte Prof. Dr. Daniel Ennöckl (Universität Wien) über Novellen zur Gewerbeordnung, zum Strahlenschutzgesetz, zum Pflanzenschutzgesetz und zum UVP-G sowie über das neue Energie-Infrastrukturgesetz.
RA Mag. Martin Niederhuber (Niederhuber & Partner Rechtsanwälte) komplettierte den Bericht zur Gesetzgebung im Bereich des Öffentlichen Rechts mit einem bunten Mix aus Bundes- (Normengesetz 2016, Änderung des Eisenbahgesetzes) und Landesrecht (Vbg Seveso-Anpassungsgesetz - Sammelnovelle, Novelle des OÖ Umweltschutzgesetzes, Novelle des NÖ Umweltschutzgesetzes, Novelle des Bgld Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes).
Generalthema "Wirtschaft und Umwelt"
Der Nachmittag des ersten Tages war dem heurigen Generalthema "Herausforderung Umweltverfahren: Effizienz, Recht(un)sicherheit, Öffentlichkeitsbeteiligung" gewidmet.
Unter dem Titel "Baustellen des Umweltverfahrens & Anforderungen an Umweltverfahren aus naturschutzfachlicher Sicht" boten RA Christian Schmelz und Hr. DI Wolfgang Suske eine sehr launige, aber auch "gehaltvolle" Doppelconference.
Prof. Dr. Daniel Ennöckl machte den TeilnehmerInnen in seinem Vortrag zu "Effizienz, Rechtssicherheit und Partizipation als Herausforderung" klar, dass wir zwar in den 90er-Jahren einen Trend in Richtung Deregulierung hatten, der zum Teil natürlich immer noch anhält, dass es aber jetzt auch stark in die Gegenrichtung geht, eben durch die europäischen, durch die völkerrechtlichen Einflüsse, Schlagwort: Aarhus-Konvention, die ein Mehr an Verfahrensbeteiligung, ein Mehr an Partizipation und Rechtsschutz fordert.
Er legte auch plastisch dar, was die Präklusion im modernen Umweltrecht im Moment bedeutet. Hier bestehe eine große Unsicherheit, da man nicht wisse, wer letztendlich noch Partei sei und etwas mitzureden habe. Die Frage sei, ob auch nach Jahren noch jemand als übergangene Partei kommen könne. Er machte in diesem Zusammenhang einen sehr praktikablen Vorschlag in dem Sinne, dass man mit einer Internetkundmachung den Kreis der potentiellen Parteien zumindest fiktiv erfasse.
Im letzten Vortrag des ersten Tages beruhigte Ass.jur. Jochen Schumacher in seinem Vortrag zu "REFIT und das Europäische Naturschutzrecht" die TeilnehmerInnen wieder, indem er meinte, dass das Naturschutzrecht zwar auch einem "Fitnesscheck" unterzogen werde, dass es aber den Deregulierungsbestimmungen in seinen wesentlichen Bereichen recht gut standhalte.
Rahmenprogramm
Der vom Land Oberösterreich und der Stadt Linz unterstützte Abendempfang fand heuer im Rahmen einer Donauschifffahrt mit der "Linzerin" statt.
Umwelt- und Technikrechtspreise 2016
Im Anschluss an die Begrüßungsansprachen konnte Hon.-Prof. Dr. Wilhelm Bergthaler (Rechtsanwälte Haslinger Nagele und Partner, Linz/Wien) die PreisträgerInnen der "Umwelt- und Technikrechtspreise 2016" vorstellen, die wiederum von der Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH, dem Verlag MANZ, dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) und der IG Umwelt und Technik für hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet des österreichischen und europäischen Umwelt- und Technikrechts ausgelobt wurden.
Heuer konnten wieder zwei Hauptpreise vergeben werden, und zwar an
- Dr. Matthäus Metzler für seine Dissertation „Ausgleichsenergie im Elektrizitätsrecht“ und an
- Dr. Gernot Papst für seine Dissertation „Rechtsschutz gegen Straßenverkehrsimmissionen“.
In seiner Laudatio würdigte Ferdinand Kerschner den großen Mut von Gernot Papst, sich mit dem Thema Gesundheitsbelastungen durch Autos auseinander zu setzen. Wilhelm Bergthaler lobte in Namen von Bernhard Raschauer die erste systematische Untersuchung des Bilanzgruppensystems im Elektrizitätsrecht.
An diesem lauen Sommerabend konnten die Gäste das Panorama von Linz bewundern.
Für die ebenso stilvolle wie dezente musikalische Umrahmung des Empfangs sorgte das "Trio Acoustica" unter der bewährten Leitung von Christian M. Seitelberger.
Zweiter Vormittag
Am Vormittag des zweiten Tages hatten die TeilnehmerInnen die Qual der Wahl zwischen zwei Workshops zu höchst interessanten und aktuellen Themenbereichen des Umweltrechts, nämlich einerseits zur "Öffentlichkeitsbeteiligung und gerichtliche(r) Kontrolle" und andererseits zum "Sachverständigenbeweis - Verfahrensrechtliche und praktische Herausforderungen".
Workshop A: "Öffentlichkeitsbeteiligung und gerichtliche Kontrolle - Aarhus und seine Konsequenzen"
In diesem Workshop unter der Leitung von RA Mag. Martin Niederhuber (Niederhuber&Partner Rechtsanwälte GmbH) mit Impulsstatements von GF Mag. Thomas Alge (ÖKOBÜRO),Prof. Dr. Daniel Ennöckl (Universität Wien), Dr. Peter Sander (Niederhuber&Partner Rechtsanwälte GmbH) und Mag. Wolfram Schachinger (Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG) wurde klar, dass die Präklusion, wenn sie jetzt auch wegfällt, eigentlich ein widersprüchliches Element war: Sie hat nämlich auch Konflikte gefördert, sie hat auch die Parteien dazu gebracht, dass sie unbedingt gegen dieses Projekt sein müssen und alles Mögliche vorbringen. Wenn man das jetzt wegfallen lässt, diese Präklusion, dann hat das ja auch einen entlastenden, friedensstiftenden Effekt, bis zu einem gewissen Grad.
Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention, die zweite große Baustelle von Aarhus, kam ebenfalls zur Sprache.
Mag. Gerald Kroneder (Magistrat Wien) erläuterte in diesem Zusammenhang im Rahmen der Publikumsdiskussion , dass das Land Wien hier jetzt eine Vorreiterrolle einnimmt, indem Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention in Kürze im neuen Naturschutzrecht umgesetzt wird.
Workshop B: "Sachverständigenbeweis - Verfahrensrechtliche und praktische Herausforderungen"
Im von Hon.-Prof. Dr. Wilhelm Bergthaler (Rechtsanwälte Haslinger Nagele und Partner, Linz/Wien) moderierten Workshop B zum Thema "Sachverständigenbeweis - Verfahrensrechtliche und praktische Herausforderungen" bot zunächst dieser in seinem Einleitungsstatement einen gewohnt prägnanten und pointierten Überblick über das Thema des Workshops.
Im Anschluss daran machte DI Dr. Andreas Sommer (Amt der Sbg LReg) die "Herausforderungen" zum Thema seiner Ausführungen. Er versuchte dabei - höchst erfolgreich - eine Betrachtung von beiden Seiten, indem er einerseits darstellte, was von den Sachverständigen erwartet wird, andererseits aber auch, was sich die Sachverständigen (von den BehördenjuristInnen) erwarten.
RA Dr.in Katharina Huber-Medek (Schwartz Huber-Medek & Partner RAe GmbH) stellte die Lage in der Folge ebenso pointiert wie fundiert aus der Perspektive der Parteienvertreter dar, ...
bevor schließlich noch DI Wolfgang Suske (Suske Consulting Naturschutz & Ländlicher Raum & Soziales) in seinem Impulsstatement die Sicht der Sachverständigen darstellte.
Aktuelles zum Umweltrecht - Teil 2
Ein weiterer Block der Umweltrechtstage war auch heuer traditionell dem zweiten Teil von "Aktuelles im Umweltrecht" gewidmet.
Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Erika M. Wagner erörterte eingehend die aktuellen umweltrelevanten Privatrechtsentscheidungen aus den Jahren 2015 und 2016 und stieß dabei wie gewohnt auf großes Interesse des Publikums.
Im ersten Vortrag des zweiten Nachmittags gab Mag.a Evelyn Wolfslehner (Lebensministerium) ein Überblick über "Entwicklungen im Abfallrecht".
Sie konnte dazu im ersten Teil viel Neues unter anderem zur (nach wie vor) geplanten AWG-Novelle2015, zur Elektroaltgeräte-V-Novelle 2016, zur Neufassung der Abfallbehandlungspflichten-V und zur geplanten Verwaltungsreform des BMLFUW - Abfallrecht präsentieren.
Im zweiten Teil berichtete sie über Neuigkeiten im EU-Recht (insb Abfallpaket der EU), im dritten Teil erfuhren die TeilnehmerInnen noch Interessantes über Änderungen im EDM.
Im letzten Vortrag der heurigen Umweltrechtstage stellte Mag. Gunter Ossegger (Lebensministerium) noch "Neue Entwicklungen im Wasserrecht" vor.
Im Judikaturblock berichtete er einerseits über das "Weserurteil" (EuGH C-461/13) und das Urteil zur "Schwarzen Sulm" (EuGH C-346/14).
Im Legistikblock ging er abschließend noch auf die Finalisierung der Entwürfe für den Hochwasserrisikomanagementplan 2015 und den Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan 2015 sowie auf die Entwürfe zur Novellierung der Qualitätszielverordnung Chemie Oberflächengewässer, der Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer,der Qualitätszielverordnung Chemie Grundwasser und mehrerer Abwasseremissionesverordnungen ein.
Abschließend brachte Univ.-Prof.in MMag.a Dr.in Eva Schulev-Steindl, LL.M., in ihren Schlussworten noch die Vorträge und Diskussionen der heurigen Umweltrechtstage zum Thema "Herausforderung Umweltverfahren" prägnant auf den Punkt, ...
... bevor Univ.-Prof.in Dr.in Erika Wagner die inhaltlichen Ergebnisse der heurigen Umweltrechtstage resumierte.
In bester Tradition verfolgten die zahlreichen interessierten TeilnehmerInnen nicht nur gespannt die Ausführungen der hochkarätigen Vortragenden, ...
... sondern nützten auch ausgiebig die Gelegenheit zur Diskussion mit den Vortragenden ...
Text:
Unter Verwendung der Schlussworte
von Univ.-Prof.in MMag.a Dr.in Eva Schulev-Steindl, LL.M.
Alle Fotos:
(c) ÖWAV
mit Ausnahme:
Fotos Workshop B (Screenshots der Videoaufzeichnung):
(c) Rainer Weiß
Post-Production:
Rainer Weiß September 2016