zum Generalthema "Klimaschutz im Recht"
Nachdem im im Vorjahr eine präsente Abhaltung der Österreichischen Umweltrechtstage leider nicht möglich war und "nur" ein Webinar zum aktuellen Umweltrecht durchgeführt werden konnte, veranstaltete das Institut für Umweltrecht der JKU Linz gemeinsam mit dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) mit Unterstützung des Vereins zur Förderung des Instituts für Umweltrecht unter der wissenschaftlichen Leitung von Vis.-Prof. Univ.-Prof. i.R. Dr. Ferdinand Kerschner (JKU Linz), Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Erika M. Wagner (JKU) und Univ.-Prof.in MMag.a Dr.in Eva Schulev-Steindl, LL.M. (Universität Graz) am 22. und 23. September 2021 mit einjähriger Verspätung die bereits 25. Österreichischen Umweltrechtstage.
Erwartungsgemäß war das gewählte Generalthema "Klimaschutz im Recht" ein voller Erfolg, der Festsaal der JKU Linz war wieder sehr gut mit interessierten und engagierten Mitgliedern der "Umweltrechtsfamilie" gefüllt. Besonders erfreulich ist auch, dass alle TeilnehmerInnen den rigoros durchgeführten 3G-Test beim Zutritt problemlos bestanden.
Eröffnet wurde die Tagung mit Grußworten von BR h.c. DI Roland Hohenauer (Büro Dr. Lengyel ZT GmbH ÖWAV-Präsident).
Er bedankte sich bei Univ.-Prof.in Dr.in Eva Schulev-Steindl für ihre langjährige Tätigkeit als Leiterin der Österreichischen Umweltrechtstage und verlieh ihr dafür die Goldene Ehrennadel des ÖWAV.
Anschließend begrüßte Univ.-Prof.in Dr.in Erika M. Wagner (Institut für Umweltrecht der JKU Linz) die Gäste.
In bewährter Weise bekamen die BesucherInnen auch heuer in den ersten Vorträgen der Tagung wieder einen gründlichen Überblick über die Neuerungen des vergangenen Jahres im europäischen und nationalen Umweltrecht. Die ReferentInnen boten in gewohnter Art und Weise umfassende Updates im Europarecht, in der nationalen Gesetzgebung und Judikatur, und zwar im öffentlichen Recht, im Privatrecht, sowie im Wasser- und im Abfallrecht.
Aktuelles zum Umweltrecht - Teil 1
Als erster Vortragender des Tages gab Dr. Florian Stangl (Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH) einen kompakten und informativen Überblick über aktuelle Entwicklungen im europäischen Umweltrecht.
Er zeigte prägnant auf, dass das Klimaschutzrecht auch auf EU-Ebene eine sehr, sehr große Bedeutung bekommen hat. Es gibt ja jetzt ein Klimaschutzgesetz, das „Gesetz“ heißt, obwohl es eigentlich eine Verordnung ist.
Als nächster Vortragender führte dann Priv.Doz. Dr. Wolfgang Wessely (Landesverwaltungsgericht Niederösterreich) in bekannt guter, präziser, geballter Information das „Best of“ des letzten Jahres, was die Judikatur anbelangt, vor Augen.
Univ.-Prof. Dr. Daniel Ennöckl (BOKU Wien / ÖWAV-Vorstand) begann seine Ausführungen mit dem Pflanzenschutzgesetz und dem Düngemittelgesetz. Er wies auch auf die Glyphosatproblematik hin, die ja in Österreich zu einem Teilverbot dieses Wirkstoffes geführt hat. Sein Fazit war ermunternd. Er meinte nämlich, dass sich der Gesetzgeber mitten in einem Umbau zu einer grünen Gesellschaft befinde.
Als letzter Redner im ersten Vormittagsblock bot RA Mag. Martin Niederhuber (Niederhuber & Partner Rechtsanwälte) im zweiten Teil des Berichts zu den neuen Entwicklungen der Gesetzgebung im Bereich des Öffentlichen Rechts einen informativen wie auch kritischen Überblick über das Erneuerbaren-Ausbau-Paket, umweltbezogene Änderungen im Luftfahrtrecht sowie zu den Themenkomplexen "Raumordnung und Klimaschutz" und "Naturschutz und Aarhus". Abschließend ging er noch auf den Eisabfall als akzeptiertes Risiko und Abfallvermeidung auf Landesebene ein.
Nach dem gleichermaßen informativen wie spannenden, aber auch anstrengenden ersten Vortragsblock bot das auch diesmal strikt biologische Mittagsbuffet die beste Gelegenheit, wieder neue Kraft zu tanken.
Block II - Klimaschutz im Recht
Die Vorträge zum heurigen Generalthema "Klimaschutz im Recht" füllten den Nachmittagsblock des ersten Tages.
Dr.in Renate Christ (ehem. Generalsekretärin des IPCC - Weltklimarat; 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet), eine Klimaschützerin der ersten Stunde, führte dem Publikum eindrucksvoll mit Zahlen und Fakten vor Augen, was der Klimawandel bedeutet. Sie wies in diesem Zusammenhang auch ganz klar darauf hin, dass der Klimawandel "man-made", also „menschengemacht“ ist. Sie machte zudem auch die Unterschiede klar, die eigentlich darin bestehen, ob – wie zB in China – sehr viele Emissionen produziert werden, oder ob – wie zB in Österreich – weniger produziert wird, aber wir über den Konsum sehr viel indirekt emittieren. Sie hielt uns dabei auch einen Spiegel vor die Augen und meinte, dass Österreich in den letzten dreißig Jahren praktisch nichts reduziert hat, dafür aber jetzt in den nächsten zwanzig Jahren "von Hundert auf Null" reduzieren muss.
Assoz.Prof.in Mag.a Dr.in Andrea Steiner unterstrich diese Aussagen und erklärte, dass es immer neue Klimarekorde gibt, das sei natürlich aus den Medien bekannt. Sie bestätigte in diesem Zusammenhang aber noch einmal nachdrücklich, dass 2020 in Europa das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war. Sie zeigte aber auch einen Lichtblick auf. Die Klimawissenschaften entwickelten sich nämlich rasant weiter und könnten über die sog Attributionsforschung, die gerade in Graz sehr stark ist, den Juristinnen und Juristen Hilfe leisten, was nämlich die Frage der Kausalität betrifft. Die Klimawissenschaften könnten heute schon sehr genau sagen, ob ein bestimmtes Ereignis an einem bestimmten Ort zu einem großen Prozentsatz, zu einem großen Wahrscheinlichkeitswert durch den Klimawandel und damit durch den Beitrag des Menschen zum Klimawandel indiziert sei. Das könne dann im Berichtsverfahren helfen.
HR Univ.-Prof. Dr. Meinrad Handstanger (VwGH / Universität Graz) hat dann die Höhen des Verfassungsrechts erklommen und im Anschluss an die Causa dritte Piste noch einmal erläutert, dass es da eigentlich wenig „hartes“ Recht gibt, va im BVG Nachhaltigkeit. Er vertritt in diesem Zusammenhang einen sehr interessanten Ansatz: Er führte nämlich aus, dass es einen subjektiven Anspruch auf rechtsrichtige Auslegung gibt. (Zu dieser Aussage erntete er nicht nur von Univ.-Prof.in Dr.in Eva Schulev Steindl Zustimmung). Über diesen subjektiven Anspruch auf rechtsrichtige Auslegung, den man indirekt über die Rechtsmittel hat (das ist eine Art Legalitätsrecht), kommt natürlich auch das Unionsrecht hinein mit seinen doch zT ambitionierteren Klimavorgaben. Der Referent wies auch darauf hin (das ist sicher für die nächste Judikatur auch sehr entscheidend), dass das relative Gewicht des Klimaschutzes mit dem Fortschreiten des Klimawandels zunehmen wird. Dies kann durchaus dazu führen, dass möglicherweise zukünftig eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anders ausgeht.
Assoz.Univ.-Prof. Thomas Bieber informierte im Anschluss daran das interessierte Publikum noch eingehend über die CO2-Bepreisung.
Dabei berichtete er zunächst über den Status quo der CO2-Bepreisung, insbesondere über die Ausgangslage international und in Österreich sowie über verschiedene mögliche Modelle der CO2-Bepreisung (EU-Emissionshandelssystem und CO2-Steuern). Zudem gab er einen guten Überblick über empirische Studien zu diesen Themen. Er wies in seinem Vortrag auch auf die sozialen Aspekte hin.
Im zweiten Teil seines Vortrags ging er unter dem Motto "(R)evolution der Energiebesteuerung auf Unionsebene" näher auf die Entwicklung des Energiesteuerrechts auf europäischer Ebene, insbeesondere auf die Eckpunkte des Entwurfs COM (2021) 563 fin und die Auswirkungen auf das österreichische Energiesteuerrecht ein.
Abendempfang
Der von Land Oberösterreich und Stadt Linz unterstützte Abendempfang fand heuer wieder am Campus der JKU statt. Der gelungene Abend wurde mit kurzen Ansprachen von Univ.-Prof.in Dr.in Erika M. Wagner (Institut für Umweltrecht der JKU Linz), LAbg Ulrike Schwarz (Land Oberösterreich), Oliver Schrot, MSc (Stadtklimakoordinator, Landeshauptstadt Linz), Univ.-Prof. Mag. Dr. Stefan Koch (Vizerektor für Lehre, JKU Linz) und GF DI Manfred Assmann (ÖWAV) eingeleitet.
Umwelt- und Technikrechtspreise 2021
Im Anschluss konnte Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Bergthaler (Rechtsanwälte Haslinger Nagele und Partner, Linz/Wien) die PreisträgerInnen der "Umwelt- und Technikrechtspreise 2021" präsentieren, die wiederum von der Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH, dem Verlag MANZ, dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) und der IG Umwelt und Technik für hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet des österreichischen und europäischen Umwelt- und Technikrechts ausgelobt wurden.
Univ.-Prof.in Dr.in Eva Schulev-Steindl, LLM (Universität Graz) und Vis.-Prof. Univ.-Prof. i.R. Dr. Ferdinand Kerschner (JKU Linz) stellten in ihren Laudationes die Arbeiten der Preisträger näher vor.
Den Empfehlungen der Juroren folgend ging diesmal ein Hauptpreis an
- Dr. Robin Damberger
für seine Dissertation „CO2-Steuern – eine rechtliche Einordnung möglicher Ausgestaltungsoptionen in Österreich“.
Einen Förderpreis erhielt
- Dr. Markus Johann Scharler
für seine Dissertation "Absiedlungen als raumbezogene Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel“.
Ein weiterer Förderpreis ging an
- Dr. Alfred Benny Auner, LL.M. (WU)
für seine Monografie „Das gewerberechtliche Sonderregime der IPPC-Anlagen“.
Im Anschluss daran ehrten Prof.in Wagner und Prof. Bergthaler Prof.in Schulev-Steindl für ihre Verdienste (vor allem) um die Österreichischen Umweltrechtstage und bedankten sich bei ihr mit einer Grafik von Paul Flora.
Der weitere Abend wurde zum Diskutieren und Vernetzen bestens genutzt.
Zweiter Vormittag
Der Vormittag des zweiten Tages war überwiegend den beiden topaktuellen Workshops gewidmet.
Workshop A:
Klimaklagen aus privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Sicht - Lässt sich Klimaschutz einklagen?
In diesem Workshop diskutierten Univ.-Prof.in Dr.in Eva Schulev-Steindl, Univ.-Prof.in Dr.in Erika Wagner, und RAin Mag.a Michaela Krömer nach ihren einleitenden Vorträgen sehr intensiv über die Klimaklagen.
Workshop B:
Rechtliche Instrumente im Klimaschutz - Wie kann das Recht das Klima schützen?
Nach den einleitenden Impulsstatements von
- Univ.-Prof. Dr. Daniel Ennöckl, LL.M. (BOKU Wien)
zum Thema "Wie kann das Recht das Klima schützen? Ein Überblick"
- Mag.a Stefanie Markut (WEB Windenergie AG)
zum Thema "Erzeugung erneuerbarer Energie und Netze – Änderungsbedarf zur Erreichung der Klimaziele"
und
- DI Sebastian Spaun (Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie)
zum Thema "Technologieoffensive Industrie, CCS und CCU, klimafreundliche Baustoffe"
wurde sehr intensiv über die Frage "Was kann das Recht tun, um das Klima zu schützen?", diskutiert, und zwar auch mit Fokus auf neue Technologien.
Aktuelles zum Umweltrecht - Teil 2
Zu Beginn des abschließenden Blocks der Umweltrechtstage, der auch bei dieser Jubiläumsveranstaltung dem zweiten Teil von "Aktuelles im Umweltrecht" gewidmet war, zeigte Vis.-Prof. Univ.-Prof. i.R. Dr. Ferdinand Kerschner (IUR der JKU Linz), der Doyen des österreichischen Umweltprivatrechts, unter dem Titel "Aktuelles zum Umweltprivatrecht" aus seinem reichen Erfahrungsschatz die Defizite und Dilemmata des Umweltprivatrechts auf.
Nach einer spannenden Diskussionsrunde und der wohlverdienten Mittagspause stellte Mag. Gunter Ossegger (BMLRT) in Vertretung von Mag.a Charlotte Vogl (BMLRT), die sich leider krankheitsbedingt sehr kurzfristig entschuldigen musste, überblicksmäßig "Neue Entwicklungen im Wasserrecht" vor.
Mag.a Evelyn Wolfslehner (BMK) vollendete schließlich den Umweltrechts-Block mit einem spannenden Überblick über aktuelle "Neue Entwicklungen im Abfallrecht".
Im Anschluss daran resümierte Univ.-Prof.in Dr.in Eva Schulev-Steindl die Vorträge der letzten beiden Tage, bevor Univ.-Prof.in Dr.in Erika M. Wagner einen gleichermaßen fachlich fundierten wie persönlich engagierten Ausblick auf die Zukunft des Klimaschutzrechts gab.
Abschließend lud sie noch zu den nächsten Umweltrechtstagen, die voraussichtlich am 21. und 22. September 2022 an der JKU Linz stattfinden, ein.
Die Jungen UmweltjuristInnen im ÖWAV
Abschließend präsentierten unter der erfahrenen Moderation von Univ.-Prof. RA Dr. Wilhelm Bergthaler mehrere der Jungen UmweltjuristInnen im ÖWAV ihre Forschungsergebnisse dem interessierten Publikum.
Zu Beginn dieses Blocks stellte sich und dem Plenum RA Ing. Dr. Florian Berl (Onz & Partner Rechtsanwälte GmbH) die Frage "Blockiert der Artenschutz die Energiewende?".
Anschließend präsentierten Univ.-Ass.in Mag.a Daniela Ecker, LL.B. (IUR, JKU Linz) und RAA Dr. Julius Ecker (Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH, ehemals IUR, JKU Linz) unter dem Titel "Naturkatastrophenisiko durch Klimawandel" "10 Thesen zu den rechtlichen Folgewirkungen".
Zuguterletzt referierte noch Univ.-Ass.in Dr.in Miriam Hofer (Karl Franzens Universität Graz) zum Thema "Strompreis und Klimaschutz - eine heikle Beziehung".
Die einzelnen Vorträge wurden jeweils einer ausführlichen Diskussion unterzogen.
Bildergalerie
Hier finden Sie zusätzlich zu den bereits oben verwendeten Bildern weitere Aufnahmen von den 25. Österreichischen Umweltrechtstagen, und zwar in deutlich besserer Auflösung!
Text:
Rainer Weiß
unter Verwendung der Zusammenfassung der Vorträge
durch Univ.-Prof.in Dr.in Eva Schulev-Steindl.
Alle Fotos:
© Rainer Weiß
Post-Production:
Rainer Weiß September 2021