Gründungsgeneration
Am 2. Oktober 1967 wurde mit der Berufung von Gustav Otruba (1925–1994) zum „Extraordinarius“ die Existenz eines Instituts für Sozial und Wirtschaftsgeschichte an der Linzer Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften begründet. Otruba beklagte in einem Zehnjahres-Rückblick vorerst „große räumliche und personelle Schwierigkeiten“. Mit Jahresbeginn 1968 wurde Rudolf Kropf als Universitätsassistent eingestellt, ein Sekretariat konnte allerdings erst ein Jahr später eingerichtet werden. 1970 ist Otruba zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannt worden. Die „Lehrkanzel für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“, wie sie damals bezeichnet wurde, betreute auch das Fach Volkskunde, das von Ernst Burgstaller vertreten wurde. Später stieß Udo B. Wiesinger als zweiter Assistent ans Institut.
Die Bezeichnung "Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte" war vorerst auch Programm, denn in Wien lautete die Bezeichnung "Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte". Im Jahr 1970 wurden somit zwei Geschichteinstitute an der Hochschule geführt: Das von Gustav Otruba und später auch von Rudolf Kropf geleitete Institut und das Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte unter Karl Stadler. Beide Institute dienten den Studienfächern von der Soziologie über die Betriebswirtschaft bis hin zur Volkswirtschaft als wichtige Wahlfächer, die den Studierenden den Blick auf Zusammenhänge in der historischen Dimension öffnen sollten. Bald konzentrierten sich die Forschungsbemühungen der Sozial- und Wirtschaftshistoriker auf die Industriegeschichte in unterschiedlichen Facetten, die nicht nur Unternehmens- und Unternehmergeschichte, sondern auch Fragen der Sozialstruktur und der Organisationsgeschichte der Arbeiterbewegung beinhalteten. Zu den damals innovativen Aktivitäten zählte ferner die Beschäftigung mit den Fachbereichen Historische Metrologie und Historische Frauenforschung. 1975 wurde die Hochschule zur Universität und ab diesem Zeitpunkt ist von einem Universitätsinstitut zu sprechen.
Erster Generationenwechsel
Gegen Ende der 1980er Jahre hat sich am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte ein erster Generationswechsel vollzogen. Roman Sandgruber war 1988 Gustav Otruba in der Professur nachgefolgt, Michael John von Wien nach Linz als Vertragsassistent gekommen, Josef Moser wurde Universitätsassistent und die Riege der Lehrbeauftragten und sonstigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hatte sich mit Gerhard Pfeisinger, Gerhard Stadler, Andrea Komlosy, Susan Zimmermann, Wolfgang Maderthaner und anderen deutlich erweitert. Damit waren Personen in beiden Instituten tätig, die innerhalb der österreichischen Geschichtswissenschaft markante Positionen vertraten und diese auch an ihre neue Wirkungsstätte mitbrachten. Ab 1992 wirkte auch Michael Pammer am Institut, der neue wirtschaftshistorische Fragestellungen, quantitative Methoden und eine verstärkt internationale Ausrichtung einbrachte. 2001 wurden Michael John und Michael Pammer zu außerordentlichen Universitätsprofessoren ernannt.
Das Institut zeichnete sich nun durch breit gefächerte Fragestellungen aus, die von der Regional- bis zur europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte reichten. Methodisch wurde ein breiter Bogen gespannt: vom klassischen Aktenstudium über quantifizierende, kliometrische und volkswirtschaftliche Methoden bis hin zu Oral History, Video History, ethnologischen Methoden und der angewandten Geschichte. Bernd Kreuzer brachte in das Institut schließlich einen stärker verkehrshistorischen Akzent ein, der mit seinem Ausscheiden aber wieder verloren ging. Im Jahr 1998 wurde am Institut ein Universitätslehrgang für Tourismanagement eingerichtet. Als langjährige Geschäftsführerin fungiert Herta Neiß, die auch wissenschaftlich und als Lehrende wirkt. Tourismusgeschichte gehört seitdem ebenfalls zum Themenspektrum des Instituts.
Zweiter Generationenwechsel
Roman Sandgruber prägte das Institut über einen längeren Zeitraum, er wirkte im gesamtuniversitären Rahmen auch als Vorsitzender des Senats der Universität Linz. Er emeritierte 2015, woraufhin Michael John die Vorstandsfunktion übernahm. Im Wintersemester 2016/17 fand der nächste Generationenwechsel statt: Auf die Institutsvorstände Gustav Otruba, Rudolf Kropf, Roman Sandgruber und Michael John folgte Ernst Langthaler. Das Sekretariat wurde nach Monika Horner und Karin Triebert nunmehr mit Astrid Faltinger besetzt.
Ernst Langthaler entstammt ebenfalls der Schule des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Neue Akzente wurden und werden jetzt gesetzt: Zu den Hauptthemen Wirtschaft und Gesellschaft stießen Global- und Regionalgeschichte, Agrar- und Ernährungsgeschichte sowie Umwelt- und Technikgeschichte. Der instituts- und fachbereichsübergreifende Lehr- und Forschungsschwerpunkt Interdisciplinary Commodity Studies wurde am Institut angesiedelt. Mit den Assistentinnen und Assistenten Sofie Pfannerer-Mittas und Jonas Albrecht, gefolgt von Lisa Maria Hofer und Marian Niedermayr, vergrößerte sich das akademische Personal des Instituts auf fünf Personen. Als Nachfolger von Michael John kam Klemens Kaps, der seine Kompetenz in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Frühneuzeit einbrachte. Über eingeworbene Forschungsprojekte wurden weitere Nachwuchswissenschafterinnen und -wissenschafter befristet angestellt. Seit 2016 ist das Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, gemeinsam mit dem Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte, erstmals für ein eigenes Studium verantwortlich: das Lehramtsstudium Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung (Bachelor- und Masterstudium). Eine besondere Bedeutung kommt dem Fach auch im Rahmen des Doktoratsstudiums Geistes- und Kulturwissenschaften und des Doktoratsstudiums Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zu.
Zum Jahreswechsel 2023/24 genehmigte die Universitätsleitung die Erweiterung der Bezeichnung auf „Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte“. Bereits in den Jahren zuvor hatte das Institut durch umwelthistorische Aktivitäten (inter-)nationale Anerkennung erworben. Dazu zählt auch der Kick-Off der österreichweiten Dissertantinnen- und Dissertantentagung Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte, die seither jährlich an wechselnden Universitätsstandorten stattfindet. Die Erweiterung trägt der Aufwertung sozialökologischer Fragen (z.B. „Anthropozän“) in Wissenschaft und Gesellschaft Rechnung. Im erweiterten Aufgabenbereich verbinden sich die bisherigen Institutsschwerpunkte in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte mit der Umweltgeschichte als neuem Schwerpunkt. Die von Ernst Langthaler koordinierte Arbeitsgruppe Interdisciplinary Commodity Studies wurden zu einem Lab des Linz Institute of Transformative Change aufgewertet.