2024 feiert der Kepler Salon sein 15-jähriges Bestehen und führt seine diskursive Vermittlung von Wissen unter neuer Leitung fort. Er schreibt damit ein weiteres Kapitel seiner Geschichte: eine Transformation in Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft. Der Grundstein für eine innovative und lebendige Neuausrichtung wurde im 1. Halbjahr gesetzt, dieser basiert auf Partizipation, Kooperation und kultureller Vielfalt. Die JKU Linz als Trägerinstitution setzt damit ein klares Zeichen der Bekenntnis zu Innovation und Wandel. Diese Transformation ist ein Tribut an den Fortschritt und eine Einladung, sich auf eine Reise der ständigen Veränderung einzulassen. Die Kuratierung ist ein Versprechen, dass der Salon nicht nur ein Raum ist, sondern ein lebendiger Organismus und eine einzigartige, zeitgemäße Plattform für kritischen Diskurs und Wissensvermittlung.
Ereignisse
DENKEN UND DIALOG IN EINER FRAGILEN WELT
Von CORNELIA LEHNER
Im Jahr 2025 stehen wir vor Herausforderungen, die uns in ihrer Vielschichtigkeit und Dynamik zuweilen überwältigen mögen. Globale Krisen, gesellschaftliche Polarisierung und ein allgegenwärtiges Gefühl der Fragilität prägen die Gegenwart. Diese Spannungen fordern nicht nur unser Handeln, sondern auch unser Denken heraus. Wie Simone de Beauvoir einst bemerkte, liege die Freiheit des Menschen darin, den Sinn seines Lebens selbst zu entwerfen. In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen individueller Verantwortung und kollektiver Gestaltung immer fließender werden, gewinnen Orte an Bedeutung, die nicht nur Raum für Reflexion bieten, sondern auch das Ringen um Sinn und Perspektiven fördern. Der Kepler Salon versteht sich als ein solcher Ort. Hier wird Denken zum Akt der Begegnung: Kritische Stimmen treffen auf visionäre Perspektiven, Wissenschaft auf Kunst, Erfahrung auf Intuition. In dieser Vielstimmigkeit entsteht, was Hannah Arendt als „Raum der Erscheinung“ bezeichnete – ein Raum, an dem wir unsere Pluralität in die Gesellschaft einbringen.
Die Programmierung spiegelt diese Ambition wider. Wir stellen uns den drängenden Fragen der Gegenwart: Wie können wir soziale Gerechtigkeit neu denken in einer Welt, die von Ungleichheit zerrissen ist? Wie gehen wir mit Krisen um, die uns scheinbar ohnmächtig zurücklassen? Und welche Verantwortung tragen Wissenschaft, Kunst und Kultur, wenn es darum geht, nicht nur zu verstehen, sondern auch neue Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen?
Die intime Atmosphäre des Salons – die Nähe zwischen Vortragenden und Publikum – erlaubt eine Form der Wissensvermittlung, die keine bloße Übertragung von Fakten darstellt. Sie ist ein lebendiger Austausch, ein gemeinsames Navigieren durch die Un sicherheiten unserer Zeit. In dieser Tradition sehen wir uns mit Johannes Kepler verbunden, dessen Name für die Schnittstelle von Wissenschaft, Philosophie und dem Staunen über die Welt steht.
Cornelia Lehner
Salonintendantin
RELATIFS: FEMINIST OBSERVATION: THE CASE OF „PROCESSO PER STUPRO“ (A TRIAL FOR RAPE, 1979)
„Processo per stupro“ ist ein beobachtender Dokumentarfilm über das Gerichtsverfahren gegen vier Männer, die angeklagt waren, eine 18-jährige Frau in eine Villa gelockt und vergewaltigt zu haben. 1978 vom Collettivo femminista di cinema gedreht, wurde Processo im Folgejahr vor einem Millionenpublikum im Fernsehen ausgestrahlt. Der Vortrag zeigt, wie sich eigentlich distanzierende Strategien der Beobachtung in diesem Film mit Fürsorge, Teilnahme und autorialer Zurückhaltung verbinden. Damit stellt der Film zugleich etablierte Konzepte der Geschichtsschreibung des feministischen Films in Frage.
ERIKA BALSOM
Reader für Filmwissenschaft am King‘s College London
HENNING ENGELKE
JULIA GRILLMAYR
ANNE VON DER HEIDEN
Gastgeber*innen
Vortrag in englischer Sprache
Eine Veranstaltung der Kunstuniversität Linz (Abteilungen Kulturwissenschaft sowie Kunstgeschichte und Kunsttheorie) in Kooperation mit dem Kepler Salon
ZUR SONNE, ZUR FREIHEIT
Stefanie Jaksch und Norbert Trawöger schauen gerne ins Licht und sind, wenn auch manchmal zweifelnd, unverbesserliche Optimist*innen. Begegnet sind sie sich dank des Kepler Salon, er damals als Intendant desselben, sie als Verlagsleiterin mit vielen Autor*innen im Gepäck. Das ist drei Jahre her, beide haben inzwischen Bücher verfasst, wandeln auf ungewohnten Pfaden und weigern sich nach wie vor, dem Weltwahnsinn anheimzufallen. Zum Jahresbeginn sprechen die beiden miteinander und mit dem Publikum über Neustarts, persönliche und gesellschaftliche Dunkelkammern und natürlich über das Helle.
STEFANIE JAKSCH
Autorin, Moderatorin, Kuratorin
NORBERT TRAWÖGER
Künstlerischer Leiter des Brucknerjahrs und des Bruckner Orchester Linz
Begrüßung zum Jahresauftakt:
CORNELIA LEHNER
Salonintendantin
CHINA UND DIE NEUORDNUNG DER WELT
Weltmacht, Wirtschaftsmacht, wachsende Spannungen in den internationalen Beziehungen: China erzeugt in Europa zunehmend Angst. Doch das muss nicht sein, zeigt Susanne Weigelin-Schwiedrzik: Europa, so der überraschende Befund, ist im geopolitischen Kräfte- und Mächtespiel zwischen China, den USA und Russland der versteckte Akteur, der durchaus entscheidend sein kann. Ihre profunde Kenntnis Chinas verbindet sie mit einer scharfsichtigen Analyse der Haltung Pekings im russischen Krieg gegen die Ukraine und des strategischen Dreiecks im – eben nicht nur bipolaren – Kalten Krieg. Heute, da sich die Welt neu ordnet, kann und muss Europa auch gegenüber China eine aktive Rolle einnehmen.
SUSANNE WEIGELIN-SCHWIEDRZIK
Sinologin, Politikwissenschafterin
CHRISTINE HAIDEN
Gastgeberin