Die Steinzeit ist omnipräsent und so wichtig wie noch nie: Von Ernährungsideen, die unsere Körper an die Diät paläolithischer Menschen binden; über Ratgeber, die das Heil des Individuums und seiner sozialen Beziehungen in Geschlechterrollen suchen, die vage in einem suggerierten steinzeitlichen Paradies maskulinen Jagens und femininen Sammelns verortet werden; bis zu evolutionstheoretischen Ansätzen zur Erklärung von ästhetischen Präferenzen und sozialem Verhalten oder die populäre Faszination für paläogenetische Hypothesen über das Aussehen von Steinzeitmenschen und anderen Hominiden: Seit ihrer wissenschaftlichen ‚Erfindung‘ im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hat die Steinzeit eine erstaunliche Karriere hingelegt, vor allem dort, wo die Gegenwart durch Verankerung in der tiefen Menschheitsgeschichte legitimiert werden soll. Entscheidend dafür sind epistemische und hermeneutische Verfahren, die die Lücken der Ungewissheit füllen: Von der Steinzeit gibt es keine Zeugenberichte oder historischen Quellen, allein die materiellen Spuren von Körpern und Kulturen stehen zur Verfügung, um sie zu beforschen. Umso wichtiger sind Aktivitäten wie das Sammeln und Vergleichen, vor allem aber auch das Erzählen von Steinzeit: Mit diesen Kulturtechniken wird ein Verständnis dieser tiefsten Vergangenheit des Menschen für die Gegenwart hergestellt. Der Vortrag befasst sich im Rahmen einer Kultur- und Wissensgeschichte der Steinzeit mit der Rolle dieser Kulturtechniken für die Arbeit an der Vergegenwärtigung von Prähistorie.
MIRA SHAH
Kultur- und Literaturwissenschafterin
HENNING ENGELKE
JULIA GRILLMAYR
Gastgeber*in
Eine Veranstaltung der Kunstuniversität Linz , öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster(Abteilungen Kunstgeschichte und Kunsttheorie sowie Kulturwissenschaft) in Kooperation mit dem Kepler Salon