Die USA haben ein paar Sportarten groß gemacht und um die Welt geschickt. Auch an der JKU Linz sind sie sehr beliebt. Am Sport allein liegt das nicht.
Es ist stockdunkel in der Halle, aber unfassbar laut. Blau und und lila blitzt das Licht auf, der Sprühnebel leuchtet, der Stadionsprecher stürzt sich in die Spielernamen rein wie ein Skispringer in die Schanze und immer, wenn er den Höhepunkt erreicht, kommt von weißem Licht begleitet einer nach dem anderen in die Halle gelaufen: Die Spieler winken dem Publikum, sie klopfen ihren Teamkollegen auf die Schulter, sie klatschen sich gegenseitig ein. Die Musik wird lauter, die Logos der Teams drehen sich über die Video-Walls, die Halle kocht. Flammensäulen zischen auf und den Spielfeldrand entlang glitzern die Cheerdancer:innen. Gleich geht es los. Das Publikum ist bereit – und die Spieler sind es auch.
Was aussieht und klingt wie das Staples Center in Los Angeles, ist aber nur ein Teilbereich der Stadthalle Wien. Und wer angefeuert wird, als träfen hier gleich die L.A. Lakers auf die Golden State Warriors, sind die JKU Linz Astros und die MedUni Serpents. Es ist ein verschneiter Samstag im November und in Wien beginnt die Basketball-Saison der Austrian College Sports League (ACSL). Für die Serpents ist es ein weiteres Auftaktspiel, für die Astros eine echte Premiere: Zum ersten Mal sind sie Teil dieser Liga. Zum ersten Mal sind sie damit auch Teil dieser großen Show.
„Es ist gigantisch, wie schnell sich diese Liga und ihre Teams auf dem Campus in Linz etabliert haben“, sagt Martin Weiß. Er leitet das Universitätssportinstitut (USI) an der JKU, wo die ACSL in Linz angedockt ist. So begeistert, wie er über die zwei Basketball-Teams und das neue Football-Team der JKU spricht, ist er ein top Kandidat für den Titel des größten Astros-Fan der Saison, der ziemlich sicher auch noch zu holen sein wird. „Was hier aufgezogen wird, ist sehr professionell und durchdacht, vor allem aber bringt es sehr viel Spaß in den Sport und um den Sport herum“, sagt Martin Weiß. Basketball war bisher jedenfalls nicht die Stärke der JKU. Football hatte das USI bis zu diesem Studienjahr nicht einmal im Angebot. Jetzt haben sich plötzlich über 70 Studierende für die Try-Outs angemeldet, für das Auswahlverfahren der Kampfmannschaft. Was also ist da passiert?
„Die ACSL schafft es, aus Uni-Sport ein echtes Ereignis zu machen und die Teams bieten den Studierenden und Lehrenden offenbar etwas an, wodurch sie sich mit ihrer Uni plötzlich ganz anders identifizieren“, sagt Martin Weiß. Als jemand, der jahrelang selbst als Faustballer im Vereinssport tätig war, weiß er, dass das alles keine Selbstverständlichkeit ist. Dass da schon mehr dahinter steckt, als ein Team, das trainiert, das ein Logo hat und einen Namen und sich gelegentlich mit anderen Teams misst.
Die Inszeienerung, wie sie in der Stadthalle aufgezogen wird, wirkt seltsam vertraut: Die Lichter und der Nebel, die Cheerdancer*innen mit orangen Leggins, Logo-Shirts und silber glitzernden Puschen, die Kampfrufe und die Trommeln, die Wettkämpfe für das Publikum, die in den Spielpausen stattfinden, und auch die Merchandise-Produkte wirken seltsam vertraut.
Wir kennen das alles aus Filmen und Serien, die aus den USA kommen, in immer neuen Varianten machen sie uns mit den immer gleichen Ritualen bekannt. Wir kennen es auch von Instagram, wo selbst US-Promis, die nicht in Sport-Filmen mitspielen, immer gern zeigen, wie die „Kiss-Cam“ sie beim total spontanen Schmusen in einem Baseball-Stadion erwischt, wie ganz normale Leute eben auch. Seit Jahrzehnten begleiten uns diese Bilder: In den 1980ern träumten wir mit Kevins Costner in „Feld der Träume“ vom Baseball-Erfolg, das Jugendeishockey-Team der „Mighty Ducks“ begeisterte uns Anfang der 1990er-Jahre ebenso wie „Jerry Maguire“, der ein paar Jahre später ziemlich verquere Football-Spieler managte, oder die aktuell laufende Serie „Eine Klasse für sich“ über Frauen, die während des zweiten Weltkriegs die amerikanischen Baseball-Teams aufmischen. Keine Teenie-Serie kommt ohne Cheerleader*innen oder LaCrosse*Spielerinnen aus. Auch ohne je über den Atlantik geflogen zu sein, ist uns die Hierarchie an US-Highschools seltsam vertraut. Um Sport allein geht es dabei selten. Es geht um Erfolg und Misserfolgs, ums Scheitern und wieder Aufstehen, um das, was Fans und Spieler*innen miteinander verbindet.
Das alles ist auch heimischen Sportarten wie dem Fußball nicht fremd. Aber das ganz große Spektakel findet dort selten in den Uni-Teams statt. Nicht einmal in der Landesliga. Und wenn man ehrlich ist, kommt wahrscheinlich nicht einmal ein durchschnittliches Spiel der Fußball-Bundesliga an den Spaß heran, den so ein Uni-Basketball-Spiel aktuell bieten kann.
Martin Weiß vom USI glaubt, dass das mit der enormen Professionalität zu tun hat, mir der die ACSL sich ihrem Konzept verschrieben hat, aus dem Uni-Sport ein Event für die gesamte Uni zu machen: „Die Teams und die Gamedays, an denen so viel mehr Studierende mit einbezogen werden, schaffen eine Identität, wie es sie für die JKU bisher nicht gegeben hat“, sagt Weiß, und: „Vielleicht kann das auf diese einnehmende Art auch nur der Sport.“
Ausverkaufte Hallen und Stadien
Dass die Austrian College Sports League wie eine Uni-Sport-Liga in den USA funktioniert, ist kein Zufall. Lawrence Gimeo hat an der Wirtschaftsuniversität Wien studiert, ein Auslandssemester in Kentucky verbracht und sich dort gedacht: Das machen wir in Wien jetzt auch. Colin Fuchs-Robetin, mit dem Gimeo die Liga seit 2017 nun als gemeinsames Unternehmen betreibt, war sogar Teil des Basketball-Programms einer US-Uni, bis er nach Wien zurückkehrte und sich ebenfalls in die Idee einer eigenen Uni-Liga widmete.
Spiele zwischen USI-Mannschaften gibt es schon lang, in vielen Sportarten finden regelmäßig akademische Meisterschaften statt und oft gibt es eine Verbindung zwischen privaten Sportvereinen und ihren Ligen und den studentischen Mannschaften. Den beiden Wienern schwebte aber etwas anderes vor. Etwas viel größeres, lauteres, öffentlicheres als die Spiele, bei denen manchmal nur eine Handvoll eingefleischter Fans zusieht, wenn man die Verwandten der Spieler*innen mal weglässt. Gimeo und Fuchs-Robetin wollten das volle Programm, wie sie es aus den USA kannten. Und sie schafften es auch.
Den Anfang machte 2015 Basketball mit sechs Teams in Wien. In den vergangenen Jahren waren fünf Wiener Universitäten – Hauptuni, WU Wien, TU Wien, MedUni Wien und die Boku – in der Liga dabei und zu Basketball ist auch American Football dazu gekommen. Vor allem aber ist es der ACSL gelungen, was dem Uni-Sport bisher eher selten gelang: „Diese Veranstaltungen sind echte Events geworden, die Studierende und Lehrende erreichen“, sagt Martin Weiß. Er selbst hat zum Beispiel das Basketball-Saisonopening im Vorjahr besucht: „Da war die Stadthalle mit 1.900 Besuchern ausverkauft, das sind fast doppelt so viele Besucher, wie ein Bundesligaspiel im Basketball heute hat.“ Auch der Summer Bowl, das Abschlussspiel im American Football, habe mit 5.500 Zuschauer*innen die österreichische Football-Bundesliga hinter sich gelassen.
Für Weiß, der selbst jahrelang Faustball im Verein spielte, liegt das an dem amerikanischen Konzept – und seiner ausgezeichneten Umsetzung. Die ACSL hat in Linz zwei Mitarbeiter, die sich vom Logo bis zur Social-Media-Betreuung um die Astros kümmern und die Spieltage bewusst gestalten. Anders als an den Wiener Universitäten hat die JKU den Vorteil, dass sich die Kepler Hall mitten auf dem Campus befindet. Bei den Trainingsspielen der Basketball-Teams Anfang Oktober war sie mit 450 Sportfans gesteckt voll.
Sie wurde dafür mit Basketball-Linien und mobilen Körben ausgestattet, aber auch mit der Weltall-Ente, dem Logo der Astros. Im nächsten Studienjahr wird sie nicht nur die Basketballteams der Männer und Frauen bekleiden, sondern auch die Trikots des ersten American-Football-Teams der JKU. Die Try-Outs, also das öffentliche Auswahlverfahren, fand Ende November statt, über 70 Studierende hatten sich dafür angemeldet. Auch bei den Basketball-Try-Outs Ende Juni war das Interesse gewaltig: „Die oberösterreichischen Basketballteams gibt es in Wels und Gmunden, im Raum Linz tut sich nicht viel, deshalb waren wir hier besonders überrascht“, sagt Martin Weiß. Wie viele an der Uni habe er unterschätzt, dass die JKU mittlerweile sehr viele internationale Studierende hat. „Und viele von ihnen spielen ganz hervorragend Basketball“, sagt der USI-Leiter.
Noch mehr überrascht hat Weiß aber, dass sich auf die Aufrufe, mitzumachen, auch viele Studierende meldeten, die sich als nicht besonders sportlich einschätzen. „Sie wollen als Volunteers Bier verkaufen, Plakate aufhängen oder beim Ablauf der Gamedays mitmachen“, sagt Martin Weiß. Er merke, wie rund um die Sportveranstaltungen so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl entsteht. Wie die Uni plötzlich mehr wird, als der Ort, an dem man lernt oder unterrichtet und forscht. Dass das alles sehr amerikanisch aufgeladen ist, stört Weiß nicht: „Es ist die Begeisterung, die zählt. Und die ist gewaltig.“ Da macht es auch nichts, wenn die Astros vorerst vor allem verlieren. Geht es nach der amerikanischen Erzählung, muss es fast so sein. Umso schöner wird dann der Erfolg.