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Die biegbare Batterie

Je smarter die Welt wird, desto mehr Elektronikschrott türmen wir auf. Doch es geht auch anders: Ein Team der JKU hat jetzt eine weiche, dehnbare Batterie entworfen, die sogar biologisch abbaubar ist.

Von Verena Tang

Kreislaufwirtschaft

Fitnessarmbänder, medizinische Pads, die auf Oberarmen kleben, oder elektronische Wundpflaster sind nur der Anfang: In Zukunft werden noch viel mehr mit künstlicher Intelligenz oder Sensoren ausgestattete Dinge entstehen, die sich um die Gesundheit des Menschen kümmern. Intelligente Implantate, die im Körper Medikamente freisetzen, Wegwerf-Sensoren zur Messung von Gesundheitsdaten oder sogar Assistenzroboter, die so weich und flexibel sind, dass sie eng mit dem Menschen interagieren können, sind längst in Vorbereitung.

Sie alle haben ein paar Sachen gemeinsam: Sie brauchen Energie und sie brauchen all jene metallischen Bestandteile, die ihnen ihre Intelligenz ermöglichen, und wenn ihre Zeit vorbei ist, schmeißt man sie einfach weg. Keine andere Form von Müll hat in den vergangenen Jahren so einen Zuwachs erlebt wie der Elektroschrott. Über 50 Millionen Tonnen fallen mittlerweile jährlich global davon an, und weil das, was dann oft einfach nur in Deponien herumliegt, aus wertvollen Rohstoffen besteht, ist das auch eine ziemliche Verschwendung.

Martin Kaltenbrunner ist einer jener Menschen, die das ändern wollen. Als Leiter der Physik weicher Materie am Institut für Experimentalphysik der Johannes Kepler Universität Linz entwickelt er flexible, biologisch abbaubare Materialien für neue Anwendungen. Dabei haben der 39-Jährige und sein Team jetzt einen Meilenstein erreicht: Sie haben als Erste eine Batterie entwickelt, die gleichzeitig weich, dehnbar und biologisch abbaubar ist. „Unser Ziel ist es, alle Bauteile der Batterie so umweltverträglich wie möglich zu gestalten“, sagt der Wissenschaftler.

Die zentrale Frage dabei ist jene der Energie. „Sie ist ein riesiger Flaschenhals auf dem Weg zur nachhaltigen flexiblen Elektronik“, urteilt der Physiker. Ausgerechnet der für mobile Anwendungen am besten geeignete Speicher, die Batterie, ist im Normalfall starr, beinhaltet meist giftige Metalle und ist nicht ohne weiteres zu recyceln – geschweige denn biologisch abzubauen. Also das Gegenteil von dem, was gebraucht wird.

Der Trick mit dem Scherenschnitt

Daher hat Kaltenbrunners Team von Doktorandinnen und Doktoranden jedes Bauteil in der wenige Zentimeter großen Batterie sorgfältig durchdacht. Das Herz bilden eine Anode in Form von Magnesiumfolie sowie eine Paste aus Molybdänoxid als Kathode. Eine Molybdänfolie dient als Stromsammler, während ein bioabbaubares Gel aus Kalziumalginat die Elektroden voneinander trennt und gleichzeitig dafür sorgt, dass der Strom fließen kann. Eingebettet ist das Ganze in eine Hülle aus einem biologisch abbaubaren Polymer namens Polyglycerinsebacat, einem speziellen chemischen Stoff.

Dass sich ein Polymer, ein Gel sowie die Metalloxidpaste dehnen und biegen lassen, leuchtet ein – doch was ist mit den Metallfolien? Immerhin sind Metalle quasi das Gegenteil von weichen, flexiblen Materialien. Hier wandte Kaltenbrunners Team einen Trick an, der als „Kirigami“ bekannt ist. „Das Prinzip lautet Dehnbarkeit durch Geometrie“, erklärt der Experte und vergleicht die Folie mit einem Blatt Papier. Normalerweise lässt sich solches nicht auseinanderziehen. Doch sobald man in kurzen Abständen parallele Schnitte anbringt, sieht die Sache ganz anders aus: Stellt man es geschickt an, lässt sich das Blatt auseinanderziehen. Je nach Schnittmuster lässt sich das Papier so nicht nur nach außen falten, sondern bis zu einem gewissen Grad auch drehen. Das Material selbst ist dabei immer noch genauso starr wie zuvor, betont Kaltenbrunner: „Wir haben nun etwas geschaffen, das geometrisch dehnbar ist, ähnlich wie bei einer Feder. Auch dort wird nicht der Stahl selbst gedehnt, sondern die Geometrie verändert.“

Vielversprechende erste Tests

Beliebig weit treiben wie auf einem Blatt Papier lässt sich das Prinzip im Fall der Batterie jedoch nicht. Schließlich haben die Metallfolien wichtige Aufgaben zu erfüllen: Sie müssen Elektronen leiten und dadurch Strom bereitstellen. Bei aller Flexibilität sollte daher möglichst viel Elektrodenfläche nutzbar sein, erläutert Kaltenbrunner, damit die Batterie auch im gedehnten Zustand noch funktioniert und Strom durch das Elektrodenmaterial fließen kann.

Daher haben seine Doktorandinnen Mahya Karami-Mosammam und Doris Danninger die Schnittfolgen im Labor optimiert. Die Metallfolie sollte sich möglichst wenig nach außen biegen, da sich die Elektroden in dem dünnen Batterieaufbau sonst berühren könnten und ein Kurzschluss droht. Gleichzeitig sollte viel aktive Fläche erhalten bleiben. Zunächst ermittelten die Wissenschaftlerinnen, welches Verhältnis von Schnittlänge zum Abstand der Schnitte die besten Ergebnisse lieferte, und übertrugen das Konzept dann auf ein zweidimensionales Schnittmuster. Herausgekommen ist eine Abfolge von rechtwinklig zueinander angeordneten Schnitten, die jeweils vier Millimeter lang und einen halben Millimeter voneinander entfernt sind.

Die so aufgebaute Batterie kann pro Quadratzentimeter eine Leistung von bis zu 196 Mikrowatt liefern und besitzt eine Energiedichte von 1,72 Milliwattstunden pro Quadratzentimeter. Das ist zwar noch nicht vergleichbar mit gängigen Knopfzellen, die etwa 60-mal so leistungsfähig sind. Doch es genügt, um einen kleinen Sensor für einige Stunden zu betreiben. Getestet haben die Wissenschaftlerinnen ihre Batterie mit einem Sensor, der den Natriumgehalt auf der Haut misst und die Daten auf ein Smartphone überträgt. Typischerweise könnten Sportler*innen damit ihren Trainingsverlauf analysieren. Aber auch Anwendungen in der Medizintechnik sind denkbar, etwa die Messung wichtiger Vitalwerte bei Patient*innen.

Die Batterie löst sich mit Wasser in ihre Bestandteile auf

Nach dem Gebrauch lässt sich der gesamte Energiespeicher einfach kompostieren. Die Zersetzung beginnt, sobald die Batterie mit Wasser in Berührung kommt – vorher nicht, das ist entscheidend, damit man den Zeitpunkt gezielt bestimmen kann. Bei 37 Grad Celsius waren nach elf Wochen mehr als 70 Prozent der Batterie zersetzt. Doch auch im Magen, das ist eine der entscheidenden Botschaften des Teams, wird die Batterie komplett abgebaut: Die Hülle aus dem Biopolymer Polyglycerinsebacat lässt sich in harmlose Bausteine aufspalten, die der Körper verdauen kann, das Kalziumalginat ebenfalls – man kennt es für gewöhnlich als Geliermittel in Lebensmitteln. Die Elektrodenmetalle Magnesium und Molybdän wiederum sind für den Körper prinzipiell ungiftig, zumindest in den Dosen, wie sie durch Zersetzung einer solchen Batterie entstehen.

Gerade weil die neue Batterie ungiftig ist und sich im Körper zersetzt, ist sie für Martin Kaltenbrunner ein wichtiger Baustein auf dem Weg in eine Welt, in der wir noch viel enger und selbstverständlicher mit elektronischen Helfern interagieren als heute – seien es weiche Pflegeroboter, intelligente Implantate oder Sensoren auf der Haut.

Persönlich schließt sich mit der Entwicklung für den Physiker ein Kreis. Sein Doktorvater und Vorgänger am Lehrstuhl, Siegfried Bauer, stellte 2010 die weltweit erste dehnbare Batterie überhaupt vor. Kaltenbrunner hat als Doktorand das Projekt vorangetrieben. „Das war damals ein Kuriosum, aus dem mittlerweile ein Riesenforschungsgebiet geworden ist“, erinnert er sich. „Mit der biologisch abbaubaren, dehnbaren Batterie sind wir jetzt wieder Vorreiter.“