Erinnern Sie sich an den Chemieunterricht in der Schule? Sicher kommt Ihnen der Begriff Periodensystem bekannt vor. Er steht für eine Tabelle mit vielen bunten Quadraten, die in 7 Zeilen und 18 Spalten aufgeteilt ist. Das Periodensystem der Elemente ist das ABC des Universums.
Die Schulzeit mag noch so lange zurückliegen, manche Dinge vergisst man einfach nie. Die versteckte Ecke auf dem Schulhof etwa, in die sich die rauchenden Mitschülerinnen und Mitschüler nach der Mittagspause verdrückten. Oder den Ansturm auf die Sitzplätze am Fenster jeweils am ersten Schultag nach den großen Ferien.
Kaum aus der Erinnerung verdrängen lässt sich auch das riesige Plakat mit den bunten Quadraten, das im Chemiezimmer zuvorderst über dem Pult des Lehrers hing. Unvergessen ist, wie der Chemielehrer in seinem weißen Kittel mit einem Holzstab die einzelnen Quadrate antippte, während er komplizierte Formeln erklärte.
Geliebt und gehasst
Das Periodensystem der Elemente war geliebt und gehasst, denn einerseits war es ja ganz nützlich, um überhaupt eine Chance zu haben, bestimmte chemische Vorgänge nachzuvollziehen. Andererseits schwitzte man Blut, als der Lehrer eines Tages anordnete, bis zum Ende des Semesters habe die Klasse die Tabelle auswendig zu lernen. Wie sollte man sich nur schon die Abkürzungen der chemischen Elemente merken, von Ac wie Actinium bis Zr wie Zirconium?
Rückblickend ist schleierhaft, ob wundersame Kräfte am Werk waren – doch irgendwie gelang es, sich die Merkmale der über 100 Elemente einzuprägen. Die meisten waren aber auch schnell wieder vergessen.
Seither ist die damals schon große Tabelle noch umfangreicher geworden. Es sind einige Elemente mit Nummern und Abkürzungen dazugekommen, denn das Periodensystem ist kein abgeschlossenes Regelwerk, das immer und ewig gleichbleibt. Noch immer werden neue chemische Elemente entdeckt. Zuletzt haben jene mit den Ordnungszahlen 113, 115, 117 und 118 ihren Platz in der Tabelle und ihren endgültigen Namen erhalten. Sie heißen Nihonium (Nh), Moscovium (Mc), Tenness (Ts) und Oganesson (Og).
Die Namensgebung neuer Elemente treibt mitunter seltsame Blüten, wie eine Recherche im Internet ergibt. Fans des 2015 verstorbenen Motörhead- Frontmanns Lemmy Kilmister hatten sich dafür stark gemacht, dass der britische Musiker im Periodensystem verewigt wird.
Sie hatten eine Petition an einen internationalen Chemiker-Verband unterzeichnet, der für die Namensgebung neuer Elemente zuständig ist. „Lemmium“ hätten die Fans das Element nennen wollen, in Erinnerung an einen Menschen, der eine „Naturgewalt“ gewesen sei. Ihr Ansinnen wurde vom Verband jedoch abgelehnt.
Eine spektakuläre Entdeckung
Das Beispiel zeigt, wie sehr das Periodensystem im Bewusstsein vieler Menschen verankert ist. Es ist weltweit bekannt und gebräuchlich, seit es vor genau 150 Jahren entdeckt wurde. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen und die UNESCO haben das Jahr 2019 zum Internationalen Jahr des Periodensystems ausgerufen. Seit 150 Jahren verfügen Chemikerinnen und Chemiker auf der ganzen Welt über eine gemeinsame, internationale Sprache.
Doch im Grunde ist das Periodensystem noch viel mehr: Es ist ein tabellarisches Abbild aller Elemente, die im Universum vorkommen. Den Hauptbeitrag zur Erfindung und Präsentation des Periodensystems im Jahr 1869 leistete der Russe Dmitri Mendelejew; der Deutsche Lothar Meyer stellte wenig später ein ähnliches System vor. Diese Entdeckungen wecken bei Chemikern noch heute höchste Bewunderung.
Oliver Brüggemann, Chemieprofessor an der Johannes Kepler Universität Linz, ist fasziniert vom Periodensystem der Elemente. Er hält es für sensationell, dass Menschen bereits vor 150 Jahren erfassten, aus welchen Elementen das Universum besteht. „Das Periodensystem ist mein wichtigstes Werkzeug im Alltag. Bis vor kurzem trug ich im Portemonnaie stets ein gedrucktes Exemplar mit“, erklärt er. „Heute gibt es animierte Apps auf dem Smartphone.“
Der Professor im Goldrausch
In den Augen des Chemieprofessors ist das Periodensystem der Elemente ein unterschätztes Instrument. „Es ist die Grundlage für die Entwicklung neuer Materialien oder Medikamente. Überall im Alltag gibt es Berührungspunkte. Ich habe Goldzähne im Mund und trage einen Platinring am Finger“, sagt er. „Auch in den Vorlesungen versuche ich, die chemischen Elemente mit Anekdoten und realen Anwendungen zu verknüpfen.“
Da ist zum Beispiel Gold mit der Ordnungszahl 79 und der Abkürzung Au für das lateinische Wort Aurum. Brüggemann erinnert sich an einen Ausflug in den Kings-Canyon-Nationalpark in den USA zu Studentenzeiten: „Wir tauchten in einem Fluss und sahen plötzlich feinste, golden glitzernde Kristalle unter Wasser. Wir sammelten sie und dachten schon, wir würden reich.“ Später, an der Luft, verfärbten sich die Kristalle schwarz – der Traum vom Reichtum war leider geplatzt.
Ein interessantes Element ist auch Arsen (As) mit der Ordnungszahl 33. Der Professor erzählt von einem Klassiker unter den Experimenten zum Nachweis von Arsen: Wird Arsenoxid mit Natriumacetat versetzt, entsteht Kakodyloxid – ein hochgiftiges und nach Kot stinkendes Gas. „In meiner Studienzeit führten wir den Versuch einmal durch. Der Student, der die Probe verbotenerweise quer durchs Labor trug, wurde von da weg nur noch Kako genannt.“
Oliver Brüggemann versucht, seinen Studentinnen und Studenten eine emotionale Beziehung zu den chemischen Elementen zu vermitteln. Zum Auswendiglernen helfen heutzutage mit dem Periodensystem bedruckte Duschvorhänge und Schreibunterlagen. Und auch die entsprechende Bettwäsche gibt es. Lernen im Schlaf – einen Versuch ist es wert!