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„Kaufen können uns nur unsere Leser“

OÖN-Korrespondent Christoph Kontako über die Frage, wie Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter betrieben werden kann. Seinen Vortrag hielt er bei der Geburtsstunde der KEPLER TRIBUNE im Festsaal der JKU.

Von Christoph Kotanko

Ein Mann zeitungslesend vor dem Science Park

Da gilt es eine Vorfrage zu klären: Was ist Qualitätsjournalismus? Karl Kraus hat gesagt: „Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können, das macht den Journalisten aus.“ So ähnlich haben meine lieben Eltern gedacht, als ich mich bei der Wahl zwischen Journalismus und Beruf für den Journalismus entschieden habe. Sie hielten einen Journalisten für eine Art Buchstabengaukler oder Falschmünzer oder Indiskreten. Ich konnte sie irgendwann überzeugen, dass es auch in dieser Branche solche und solche gibt. Aber wenn ich Ihnen das jetzt in allen Einzelheiten erzähle, ist meine Viertelstunde um.

Ich mache es kurz: Medien haben eine öffentliche Aufgabe und sind damit unverzichtbar für die Gesellschaft. Qualität bedeutet das ständige Bemühen um Fairness, Verständlichkeit, vollständiger Information (Objektivität?). Es geht auch um eine ethische Herausforderung, ein moralische, wenn man das große Wort verwenden will: Die Medien haben eine Berichtsund Informationsgewalt, sie sind Geburtshelfer oder Totengräber von Nachrichten, sie können Neuigkeiten favorisieren oder unterdrücken, sie können Informationen unterschiedlich gewichten und damit Bedeutung erzeugen oder Bedeutungslosigkeit vermitteln.

Noch etwas kommt dazu: Für Journalisten mit Qualitätsanspruch stellt sich ständig die Frage nach Distanz und Nähe. Helmut Schmidt hat einmal gesagt: „Wenn man ganz genau hinschaut, dann sieht man, dass die politischen Journalisten eigentlich mehr zur politischen Klasse gehören und weniger zum Journalismus.“ Dagegen müssen wir ankämpfen. Eine gute Faustregel der Branche lautet: Immer dabei sein, nie dazugehören. Das ist natürlich oft ein Balanceakt. Mir gefällt der Wappenspruch eines kleinen, aber sehr erfolgreichen französischen Mediums namens „mediapart“: „Kaufen können uns nur unsere Leser.“

Aber jetzt zur heutigen Schlüsselfrage: Wie betreibt man Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter? Es gibt zwei Herausforderungen: Die Vertrauenskrise und die wirtschaftliche Krise, also die Probleme mit unserem alten Geschäftsmodell. Gesichert ist, dass der Einfluss von Fake News und Halbwahrheiten wächst. Bei den Halbwahrheiten ist ja oft das Problem, dass die falsche Hälfte geglaubt wird. Man braucht Fachleute, die Verantwortung übernehmen. Wenn die Schleusenwärter fehlen, die den Faktengehalt von Nachrichten prüfen, punkten die Schwindler. Es geht in diesem Betrieb um die härteste Währung von öffentlicher und veröffentlichter Meinung: die Aufmerksamkeit. Der digitale Wettbewerb um die größtmögliche Aufmerksamkeit verändert den öffentlichen Diskurs. Für die Nutzer hat sich das Angebot an echten und falschen Nachrichten vervielfacht. Was aber im Übermaß vorhanden ist, verliert an Wert, und wir selbst verlieren den Überblick.

Man kann es sich nun bequem machen und die Auswahl den Algorithmen von Facebook oder Twitter überlassen. Bis zum Roboter-Journalismus ist es dann nicht mehr weit. Das hieße, den eigenen Anspruch aufzugeben. Damit unsere ohnehin von vielen Seiten medienpolitisch wie wirtschaftlich bedrohte Branche überlebt, müssen wir uns auf einige Grundsätze einigen. Veit Dengler, ein Österreicher, der auch bei der Neuen Zürcher Zeitung längere Zeit im Management tätig war, hat dazu einige Ideen beigesteuert.

Erstens:

Wer investiert, gewinnt. Wer nur spart, verliert. Die Washington Post hat 140 Journalisten und 50 Digital-Experten eingestellt und ist erfolgreich, weil sie einen klaren investigativen Kurs verfolgt (Donald Trump ist diesbezüglich ein Geschenk). Rupert Murdoch, der unter anderem das hoch spezialisierte Wall Street Journal betreibt, hat 2017 zugelegt, das Wall Street Journal hat die Online-Abos um 29 Prozent auf 1,4 Millionen gesteigert. Der deutsche Axel-Springer-Verlag, der groß in die Digitalisierung investiert, hat den Umsatz 2017 um acht Prozent auf 3,6 Milliarden Euro gesteigert. Wachstumstreiber ist ein Alleinstellungsmerkmal seiner Produkte, das aggressiv beworben wird. Und der Slogan des Economist, der gegen den Trend der Branche ebenfalls höchst erfolgreich ist, lautet: „We are the trusted filter on world afairs.“ Diese Filterfunktion gilt nicht nur für ein globales Produkt, sondern genauso – oder sogar noch stärker – für das regionale. Auch hier kann man eine Alleinstellung ausbauen und absichern. Wir müssen in Print- und Digital-Themen setzen, die nicht in Konkurrenz zu den Angeboten überregionaler Mitbewerber stehen. Damit unterscheiden wir uns auch vom Amateurjournalismus, der sich gratis im Netz breitgemacht hat.

Zweitens:

Wer Zahlungsbereitschaft wecken will, braucht Produkte, die es gratis nicht gibt. Wir müssen den Leserinnen und Lesern einen Nutzen bieten, für den sie zu zahlen bereit sind. Das tun sie gewiss nicht für etwas, das sie x-fach im Web gratis finden. Ich komme nochmals zum Alleinstellungsmerkmal zurück: Gut gemachte Regionalzeitungen haben einen natürlichen Heimvorteil. Das sagt sich leichter, als es getan ist: Wir müssen heiße Themen anpacken, investigativer auch im Lokalen werden, das wird uns die Akzeptanz unserer Kundschaft sichern – egal, auf welcher Plattform dieser Journalismus stattfindet.

Drittens:

Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter bedeutet den Übergang vom Text-Medium zum Multi-Medium. Unser Geschäft ist nicht mehr, Papier zu verkaufen, sondern Inhalte. Das setzt neue handwerkliche Kompetenzen voraus, auch neue Darstellungsformen und Recherchemethoden. Ein Kennzeichen des digitalen Journalismus ist das enorme Tempo, sowohl bei der Informationsbeschaffung über das Web und über Social Media, als auch bei der Berichterstattung nahezu in Echtzeit. Außerdem werden die Journalisten zu Verkäufern ihrer Geschichten: Noch nie hatten die Redaktionen einen intensiveren Publikumskontakt, sei es durch die direkte Resonanz in den sozialen Medien oder durch die technische Messung, ob ein journalistisches Angebot angenommen – also geklickt – wird oder nicht. Damit müssen wir umgehen, ohne uns verrückt machen zu lassen. Ich habe in den sozialen Medien rund 17.000 Follower und sogenannte Freunde und weiß, wovon ich rede.

Viertens:

Der Journalismus unter digitalen Vorzeichen ist prozesshaft, aber er wurzelt in seriöser Arbeit, die nach den klassischen Handwerksregeln funktioniert. Wir müssen in der Lage sein, Sachverhalte nach ihrer Bedeutung zu beurteilen, wir müssen sortieren und einordnen. Niemand erspart uns die Unterscheidung von wichtig und unwichtig, von belanglos und unverzichtbar. Das sollte für uns kein Problem sein, sondern die Lösung.