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Science oder Fiction?

Videotelefonie, selbstschnürende Turnschuhe, Weltraumtourismus: Die Popkultur bedient sich häuig der Wissenschaft und eröfnet dieser umgekehrt oft neue Pfade. Dies gilt vor allem für das Genre der Science-Fiction, deren Autoren seit jeher dieselbe Inspirationsquelle für ihre Groschenhefte wie Forscher und Erfinder verwenden – ihre Fantasie.

Von DANIEL FABIAN

Zwischen Popkultur und Wissenschaft herrscht ein reger Austausch
Illustration: Istock / Beemore

Der Film galt schon immer als Projektionsfläche unserer Fantasie, als Schauplatz des vermeintlich Unmöglichen und Spielplatz jener, die dem Jetzt entliehen, um einen Blick auf das zu werfen, was einmal sein könnte – geheimnisvolle, oft düstere Visionen der Zukunft, die mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten und auch den Denkapparat des Publikums ankurbeln. Aber liegt es nicht ohnehin in der Natur des Fortschritts, einen Blick über den Tellerrand zu werfen, um sich dem Unbekannten zu stellen, den Ist-Zustand hinter sich zu lassen und sich zu fragen: Was wäre, wenn?

Von Angesicht zu Angesicht

Es ist wenig überraschend, dass eine der ersten und gleichzeitig größten Errungenschaften der modernen Kommunikation gerade dem expressionistischen Kino entspringt, das sich mithilfe oft gar grotesker Übertreibungen bewusst von seiner Umwelt abzuheben versuchte. Doch was in Fritz Langs Metropolis (1927) noch surreal schien – und zwar, seinen Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung nicht nur hören, sondern auch sehen zu können –, ist längst Realität. Was einst Science-Fiction war, wurde bereits zur Zeit des Zweiten Weltkriegs zum Science Fact, als man die Urform der Videotelefonie zur Kommunikation nutzte. Heute hat die Realität selbst die Vorstellungskraft damaliger Expressionisten längst überholt. Die klobigen Telefonapparate, so groß wie Kühlschränke, haben ausgedient. Wer mit seinem Gegenüber – wo auch immer auf der Welt sich dieses gerade befindet – von Angesicht zu Angesicht sprechen möchte, braucht nichts weiter zu tun, als ganz selbstverständlich sein Smartphone aus der Tasche zu holen. Und voilà, schon kann man mit Menschen rund um den Globus in Verbindung treten und als Draufgabe auch noch auf einen schier endlosen Pool an Informationen zugreifen. Was Fritz Lang wohl dazu sagen würde?

Vom Alltag im All

Obwohl, aber auch gerade weil sich Arthur C. Clarke den technischen Möglichkeiten der nahen Zukunft verschwor und nichts für die kleingeistigen Hirngespinste damaliger Genrefilme übrighatte, wagte er Mitte der 1960erJahre den Schritt ins Filmgeschäft. Gemeinsam mit Regisseur Stanley Kubrick sollte er 2001: Odyssee im Weltraum (1968) entwickeln, eine Weltraumoper ohne kitschigen Schnickschnack, die mit den technischen Möglichkeiten der nahen Zukunft spielte und sich darüber hinaus mit den essenziellen Fragen der Menschheit beschäftigte: Woher kommen wir? Und wohin gehen wir? Tatsächlich sollte das geniale Duo in einigen Punkten Recht behalten. Die heutige Satellitentechnik basiert immerhin auf Clarkes Erkenntnissen auf dem Gebiet, und auch wenn die Kolonialisierung von Exoplaneten (noch) nicht eingetreten ist, so ist die Suche nach erdähnlichen Alternativen seit der Kepler-Mission im Jahr 2009 in vollem Gange. Und gehört Weltraumtourismus erst einmal zu unserem Alltag, ist das Bewohnen neuer Welten auch nicht mehr weit. Stichwort Alltag: Bereits vor über 50 Jahren wurde über tägliche Routineabläufe im All gemutmaßt, Sport etwa nicht nur als Ausgleich der Astronauten betrachtet, sondern vielmehr als unerlässliche Notwendigkeit, um einer potenziellen Degeneration des Körpers entgegenzuwirken. Selbst von Tablets, wie wir sie heute kennen, hatten Kubrick und Clarke bereits ein genaues Bild vor Augen. Wenn im Film Astronaut Dr. Dave Bowman beispielsweise die irdischen Nachrichten verfolgt, während er sein wohlrationiertes Mittagessen vertilgt, ist dies nicht weniger als eine unglaublich präzise Prophezeiung, die sich Jahrzehnte später bewahrheitete – Internet sei Dank, ist Raumfahrern der Luxus von Nachrichten, Filmen und TV-Serien tatsächlich gegönnt. Aller Euphorie über die Technologie von morgen zum Trotz stürzten sich die schlauen Köpfe hinter 2001: Odyssee im Weltraum jedoch keineswegs blauäugig in das Verderben, das sich hinter einer augenscheinlich perfekten Welt verbirgt. Denn wo Fortschritt und Veränderung herrschen, heißt es auch, neue Herausforderungen, neue Probleme, neue Ängste zu bewältigen – eine Kehrseite, der in Form des Supercomputers HAL 9000 ein Gesicht gegeben wurde.

Technokratische Schreckensvisionen

Es ahnte noch niemand, dass der HAL 9000 zum maschinellen Urvater unseres technologischen Feindbildes werden würde, da rief H. G. Wells bereits zur Vorsicht. Denn er beschäftigte sich nicht nur mit Zeitreisen, noch bevor Albert Einstein überhaupt den Begriff der Relativität etablierte, sondern verbreitete bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit einem der einflussreichsten Werke des Genres Angst und Schrecken. Noch lange bevor Byron Haskin (1953) und Steven Spielberg (2005) den Krieg der Welten auf die Leinwand brachten, war es einst die Hörspiel-Fassung der Geschichte, die in den 1930erJahren irrtümlich für Nachrichten gehalten wurde, die einen Angriff der Marsianer prophezeiten und beinahe eine Massenpanik auslösten. Zugegeben, feindselige Außerirdische haben sich noch nicht auf die Erde verirrt, und dennoch wusste Wells schon damals, wie der Mensch gebündelte Energie einst einsetzen würde. Als sich der Rest der Welt noch an neuartigen Erfindungen wie der Fahrradkette erfreute, schuf er den Begriff der Atombombe und inspirierte damit Leó Szilárd zu ersten Überlegungen nuklearer Kettenreaktion. Weniger haarsträubend, für das Kino aber ebenso bedeutsam war seine Annahme, auch Laser als Waffen einsetzen zu können. Von den Plasmakanonen und Phasern in Star Trek (1966) über die Blaster und allseits beliebten Lichtschwerter aus George Lucas’ Star Wars (1977) bis hin zum Proton Pack aus Ghostbusters (1984) – während das US-Militär gerade noch dabei ist, ansatzweise so starke Strahlenkanonen zu entwickeln, wie sie H. G. Wells bereits erwähnte, baut das moderne Science-Fiction-Kino seit jeher auf dessen Denkanstoß, der sich nach und nach als Weissagung offenbart.

Eine Frage der Interpretation

Was ist die Wirklichkeit? Wie definiert sie sich? Woran ist sie gebunden? Und kann man ihr überhaupt entliehen? All das sind philosophische Fragen, die auch Wissenschaftlern zu denken geben. Als einer der Ersten war Physiker Hugh Everett davon überzeugt, dass wir uns innerhalb eines Multiversums befinden und lediglich eines von vielen Universen beleben. Er ging sogar noch weiter und behauptete, dass sich darin zweifelsfrei höherentwickelte Zivilisationen herumtreiben würden, deren Computer über ausreichend Rechenleistung verfügen, um eine Welt wie unsere problemlos zu simulieren. Ein Denkansatz, der mit jener Urknall-Theorie einhergeht, die besagt, dass die Naturgesetze bei der Entstehung von Materie, Raum und Zeit unmöglich zufällig richtig gestanden sind, sondern vielmehr bewusst auf Leben programmiert waren. Die Idee der Schöpfung, die Geschichte von gottesgleichen Erbauern und manipulierten Untertanen, wird im Science-Fiction-Genre auf unterschiedlichste Weisen weitergesponnen. In Westworld (1973) beispielsweise ist es der Mensch, der buchstäblich die Fäden zieht und hochentwickelte Androiden wie Vieh behandelt, wie ein Produkt, austauschbar und minderwertig. Das Paradoxon dahinter: Obwohl oder gerade weil die von Menschenhand zusammengedeichselten Zahnräder und Drähte ihren Machern immer ähnlicher werden, wächst deren Gottkomplex ins Unermessliche. Ja, sie mögen uns ähneln, uns in mancher Hinsicht gar überlegen sein, aber ohne uns würden sie gar nicht existieren. Wir setzen ihnen die Grenzen ihres Handelns, ihres Seins und üben stets Kontrolle über sie aus. Aber was, wenn auch wir nur irgendjemandes Geschöpf sind, ein Spielzeug oder Werkzeug einer höherentwickelten Zivilisation? Die Schwierigkeit liegt nicht nur darin, Realität festzulegen, sondern gleichzeitig auch Reales von Unrealem trennen zu können – etwa in Ridley Scotts Blade Runner (1982), in dem die Maschinenwesen kaum von ihrem menschlichen Vorbild zu unterscheiden sind. Das Paradoxon des sogenannten Uncanny-Valley-Effekts besteht in der Akzeptanzlücke zwischen Mensch und Maschine, die mit zunehmender Annäherung wächst. Tatsächlich ist es uns schon heute möglich, mit unserem elektronischen Helferlein „sozial“ zu interagieren, wenn wir etwa unsere Lautsprecher oder Smartphones „um Rat bitten“. Das ist praktisch und spart Zeit. Kombiniert mit moderner Robotertechnologie, die nicht zuletzt menschliche Verhaltensweisen suggerieren soll, verschwimmt die Grenze zwischen Schöpfer und Geschöpf immer mehr. Aber ist doch halb so schlimm, solange wir die Macht über sie haben, sie programmieren und steuern, oder?

Dein Freund und Helfer

Technophobie existiert nicht erst seit Filmen wie Terminator (1984) oder Matrix (1999), in denen die Maschinen in den Krieg gegen ihre Fabrikanten ziehen. Die Angst fortschreitender Technisierung hat viele Gesichter und ist allgegenwärtig, in Charlie Chaplins Moderne Zeiten (1936) ebenso wie in dem Monster-Film-Klassiker schlechthin, Godzilla (1954). Doch während ein Schreckensszenario das nächste jagt und die Zukunft langsam zum Abbild einer Dystopie verkommt, sehen andere – zynisch könnte man sie Querdenker nennen – immer wieder ein Licht am Ende des Tunnels des Fortschritts, einen Hoffnungsschimmer am Horizont, den die Maschinen zu verdunkeln scheinen; Menschen wie Isaac Asimov. Früh hatte er erkannt, dass uns Roboter eines Tages Arbeiten abnehmen werden, nicht um uns zu ersetzen, sondern um uns das Leben schlichtweg zu erleichtern. Mit dem Begriff der Robotik schuf er ein Konzept, das unseren Blick auf Roboter grundlegend veränderte und längst nicht nur in der Science-Fiction Verwendung findet. Bei ihm treten mechanische Unterstützungssysteme anstelle feindselig gesinnter Maschinenmonster, die ihrem organischen Schöpfer stets zu Diensten stehen, wenn es dessen Interessen vertritt. Und er sollte Recht damit behalten. Nachdem der erste Industrieroboter Unimate Anfang der 1960erJahre lediglich Abhilfe in der Automobilbranche schuf, werden seine Nachfahren heute bereits in der Arbeit mit Alzheimer-Patienten oder autistischen Kindern eingesetzt. Beim Militär finden Roboter nicht etwa im Kampfeinsatz, sondern bei der Erkundung gefährlicher Gebiete Verwendung, um von den Soldaten nach folgenschweren Einsätzen fast wie ein gefallener Kamerad gehuldigt zu werden. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine, zwischen organisch und mechanisch verschwimmen aber nicht nur zunehmend, sondern beginnen mit der Entwicklung von Cyber-Prothesen endgültig zu verschmelzen. Kult-Regisseur Paul Verhoeven schuf mit RoboCop (1984) nicht nur einen Klassiker des modernen ScienceFictionGenres, der sich auf den Ansatz des Transhumanismus beruft, sondern mit Starship Troopers (1997) auch gleich einen zweiten. Beeindruckend dabei ist vor allem die Tatsache, dass die Geschichte auf einem Roman von Robert A. Heinleins beruht, der über 40 Jahre zuvor veröffentlicht wurde und schon damals von Superrüstungen sprach, die den Menschen im Krieg gegen die außerirdischen „Bugs“ zum Sieg verhelfen sollten. Tatsächlich werden heute ähnliche Apparaturen, sogenannte Exoskelette, in der Medizin eingesetzt, etwa in der Therapie von gelähmten Menschen.

Alles eine Frage der Zeit

In James-Bond-Filmen galten selbstfahrende Autos, Kameras, die kaum größer als der Kopf einer Anstecknadel sind, und ausgeklügelte Fingerabdruck-Scanner einst als technische Errungenschaften, die die Abenteuer von 007 erst so aufregend machten – und doch basierten die meisten jener einst modernen Spielereien auf Forschungen, die seinerzeit bereits auf Hochtouren liefen. Anders herum gaben vermeintliche Absurditäten auf der Leinwand überhaupt erst die Grundlage für Forschungen, deren Resultate es Jahrzehnte später tatsächlich in unseren Alltag geschafft haben. Wenn Marty McFly in „Zurück in die Zukunft II“ (1989) in seine selbstschnürenden Turnschuhe schlüpft, um auf seinem Hoverboard davonzuschweben, dient das vor allem der Unterhaltung. Ob das auch wirklich möglich wäre, kümmert nicht – oder zumindest war das einmal so. Pünktlich zur Feier jenes Datums, an das Michael J. Fox im Film reist, enthüllte der Automobilhersteller Lexus die tatsächliche Entwicklung eines schwebenden Skateboards, wie das, auf dem der Titelheld seinem Erzwidersacher Bif einst die Show stahl. Es mag sich dabei zwar nur um einen Prototyp handeln, eine andere Er-indung, die einen „zurück in die Zukunft“ versetzt, ist hingegen schon jetzt im Einsatz: Was Ende der 1980erJahre noch Science-Fiction war, scheint heute möglich. Denn intelligente Schnürsenkel, die sich dem Fuß individuell anpassen, sind nicht länger bloß Produkt einer Hollywood-Fantasie, sondern mittlerweile auch im Schuhladen um die Ecke erhältlich. Und ja, selbst die waschechten selbstschnürenden Nike Mags, wie sie im Film zu sehen sind, haben uns nahezu pünktlich im Jahr 2015 erreicht. Die streng limitierte Auflage ist zwar nur wenigen Auserwählten vorbehalten, aber wie uns die Science-Fiction immer wieder lehrt: wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Die Wege von Wissenschaft und Popkultur, von Fiktion und Wirklichkeit verlaufen meist in verschiedenen Bahnen, die sich oftmals doch noch kreuzen, fast so, als wäre alles möglich – mal früher, mal später. Denn letzten Endes ist Science-Fiction auch nur so lange Fantasie, bis sie von der Realität eingeholt wird.