In den vergangenen zwei Jahren haben viele Kollegen und ich ungläubig und auch traurig beobachten müssen, wie sehr viele Menschen kein Vertrauen mehr in uns gehabt haben. Wir müssen uns aber auch fragen: Warum haben uns diese Menschen nicht mehr geglaubt? Was sind die Gründe, warum sie lieber Heilsversprechen als der Medizinheilkunde glauben?
Ich möchte weniger über den Traum von Wissenschaft und mehr über das Vertrauen in sie, den Glauben an uns schreiben. Friedrich Nietzsche hat einen großen Satz gesagt: „He who has a strong enough why, can bear almost any how.“
Warum sollen uns als Ärztinnen und Ärzten Menschen vertrauen? Es wird angesichts meines Berufs wenig überraschen, dass die Antwort für mich lautet: Vertrauen baut man in guten Zeiten auf, um es in schwierigen Phasen zu nutzen. Allgemeinmedizin ist für mich dieser Vertrauensaufbau. Das Gefühl, dass wir da sind. Bei den kleinen Sorgen, die dennoch zu großen Ängsten führen können. Wir Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner sind immer da. Wenn es zwickt, wenn etwas dumm gelaufen ist – und oft genug auch dann, wenn es ein Ohr zum Zuhören braucht: Weil die Seele mehr schmerzt als der Körper.
Aber damit wir das auch leben können, brauchen wir Rahmenbedingungen. Wir brauchen den „Arzt des Vertrauens“ auch im 21. Jahrhundert. Wir müssen digital sein. Wenn die Freunde auf Facebook und Instagram sind, dann müssen auch wir im Handy der Menschen sein. Vertrauen, das entsteht durch Nähe – zeitliche, räumliche und emotionale. Was heute unter dem Schlagwort „transformative health care“ zusammengefasst wird, muss das Versorgungsmodell der Zukunft sein. Ein inklusives Modell.
Und so habe ich am Schluss doch einen Traum: Menschen werden uns wieder vertrauen, wenn wir den Menschen sehen. Seine Ängste und Träume, seine Wünsche und Hoffnung. Ein Arzt, der nur eine Ansammlung an Erkrankungen sieht, wird vielleicht Antworten finden. Ein Arzt, der den Menschen sieht, wird sein Vertrauen gewinnen. Wenn das gelingt, dann werden meine Studierenden zu mehr als Ärzten, sie werden zu Gesundheitsbegleitern der Menschen, die sich ihnen anvertrauen.
Die Wissenschaft, darüber kann es keine zwei Meinungen geben, ist eine aufregende Sache. In jeder Ausgabe widmen wir ihr deshalb die letzten Zeilen. Dieses Mal haben wir mit Erika Zelko, Lehrstuhlinhaberin für Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz, gesprochen.