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Wie aus Forschung Google wird

Spin-offs sind die logische Fortsetzung von Forschung und Lehre an den Universitäten. An der JKU soll die Möglichkeit, wissenschaftliche Innovationen in die Marktwirtschaft zu transferieren, noch mehr forciert werden.

Von DIETMAR MASCHER

Das Logo der JKU bei der Einfahrt zum Parkplatz
Foto: Paul Bauer

Es ist wahrscheinlich der Idealfall. Zwei Studenten der renommierten Stanford University entwickeln in einer gemeinsamen Forschungsarbeit eine Suchmaschine, die von der Universität auch zum Patent angemeldet wurde. Larry Page und Sergey Brin schaffen es, ihre Idee auch in ein Unternehmen umzusetzen, das sie 1998 gründen. Es wird so erfolgreich, dass sich aus dem Firmennamen schon bald auch ein Verb ableitet: googeln.

Google ist das, was man ein klassisches Spin-off nennt. Aus der wissenschaftlichen Arbeit entstehen Innovationen, die wirtschaftlich ein Erfolg werden und im Idealfall Weltruhm, Arbeitsplätze und dem Staat Steuern bringen. Für Stanford hat sich das übrigens gelohnt. Die Google- bzw. Alphabet-Chefs Brin und Page bedenken ihre Uni regelmäßig mit großzügigen Spenden, was wiederum die Finanzierung von Forschung und Wissenstransfer begünstigt. Die kalifornische Eliteuniversität verweist gerne darauf, dass auch Firmen wie Apple, Netscape oder Amazon ihre Wurzeln auf dem Campus bzw. in deren Spin-offs haben.

In Österreich hat die Spin-off-Kultur noch nicht diese Ausprägung. Allerdings gibt es auch an der JKU, speziell an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (TNF), einige bemerkenswerte Beispiele für gelungene Spinoffs, die international mehr als nur wohlwollende Anerkennung erhalten.

Eines der erfolgreichsten Beispiele ist das Unternehmen, das der spätere JKU-Rektor Richard Hagelauer 1999 mit seinem Kollegen Robert Weigl gegründet hat. DICE (Danube Integrated Circuit Engineering GmbH) hat frühzeitig auf die Änderungen in der Mobilfunktechnologie reagiert und die Grundlage für den Siegeszug der UMTS-Technologie geschaffen. „Wir hatten an der JKU das Know-how, das Siemens bzw. Infineon damals benötigt haben, und haben schon nach einem Jahr in Japan damit Fuß fassen können“, sagt Hagelauer. Infineon beteiligt sich auch umgehend an DICE. Herzstück der Entwicklung war ein Transceiver, also ein Empfänger und Sender in einem, der heute in jedem Handy Standard ist.

2007 wurde DICE in Linz zum Infineon- Kompetenzzentrum für Radarsysteme im Auto. Das umfasst die Sensoren für die Abstandsmessung zu anderen Fahrzeugen, selbstständiges Einparken und die Vorstufe zum autonomen Fahren. 2010 hatte DICE bereits 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als dann die Mobilfunksparte Infineons an Intel überging, wurden die DMCE und mit ihr 120 Mitarbeiter ausgelagert, die Radarsysteme blieben bei DICE. Heute hat DICE 300 Mitarbeiter, DMCE hat den Mitarbeiterstand auf 260 erhöht. „Man kann durchaus sagen, dass Linz in beiden Bereichen Weltkompetenzzentrum geworden ist“, sagt Hagelauer, der bei beiden Unternehmen noch beteiligt ist, aber bei DICE seinen Rückzug plant.

Noch älter, aber nicht minder erfolgreich ist das Spin-off, das Bruno Buchberger in Hagenberg geschaffen hat. Der Softwarepark wurde 1989 gegründet und beheimatet seither Buchbergers RISC-Institut, aber auch eine Fachhochschule und eine Reihe von Software-Firmen. Hagenberg ist in den vergangenen 29 Jahren zum Inbegriff von Weltkompetenz im ländlichen Raum geworden. Die Konzeption Buchbergers entsprach dem klassischen Feld des Spin-off-Prinzips, also Lehre und Forschung mit Firmen zu vernetzen, die die Forschungsergebnisse der Universität auch in die Praxis umsetzen.

„Die JKU und die mit ihr vernetzten Fachhochschulen sind in Oberösterreich und darüber hinaus als Nährboden für Spin-offs geradezu ideal“, sagt Buchberger. Das reiche von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung. „Wobei der Grundlagenforschung besonders große Bedeutung zukommt.“

Buchberger ist der Auffassung, dass der Großraum Linz noch enormes Potenzial für Spitzenforschung und die Nutzung in der Wirtschaft hat. „Es gibt an der JKU im TNF-Bereich sicher 15 Forscherinnen und Forscher mit Weltruf, die sich mit den wesentlichen Fragen des Lebens auseinandersetzen. Gleichzeitig gibt es auch international erfolgreiche Firmen, die sich für die Ergebnisse der Forschung interessieren“, sagt Buchberger. Und auch wenn dies immer wieder behauptet werde: Das Geld sei zwar wichtig, aber nicht ausschlaggebend. Letztlich geht es nicht um eine Materialschlacht, sondern um den Intellekt. Und der ist vorhanden“, sagt der Spitzenmathematiker. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es eine Gründerszene gibt, die sich im Wachsen befinde. Sei es auf dem Gelände der Tabakfabrik oder an der JKU selbst.

Auf dem Campus der JKU wird derzeit viel unternommen, um die Kultur des Gründens und der praktischen Anwendung des Wissens als gleichberechtigtes Element neben Forschung und Lehre zu fördern, wie dies im angloamerikanischen Raum selbstverständlich ist. Am Institut für Unternehmensgründung ist das Wissenstransferzentrum West angesiedelt, das neben Linz auch Salzburg und Innsbruck umfasst. Ziel des Zentrums ist es, die Verwertung universitärer Forschung bis zur Marktreife zu begleiten, sagt Projektleiterin Birgit Wimmer-Wurm. „Wir unterstützen die Firmen bei Patentverfahren, Lizenzfragen oder der Kooperation mit Unternehmen.“ Dabei geht es auch darum, Fördermittel zu organisieren (etwa über die Forschungsförderungsgesellschaft FFG) oder die Kontakte zur Gründerfirma des Landes „tech2b“ herzustellen.

Mit dem Open Innovation Center wird in den kommenden Monaten und Jahren zudem Platz für Spin-offs geschaffen, die den Konnex zwischen Forschung und Entwicklung zur Marktreife vereinfachen. Auf diesem Weg ist etwa die Firma Moldsonics der Wissenschafter Bernhard Praher und Klaus Straka. Bei ihrem Projekt geht es um die Ultraschallüberwachung beim Spritzguss, was wiederum helfen soll, bei diesem Kosten zu senken. Sensortechnik wird hier mit Kunststofftechnik kombiniert, beides Spezialgebiete der JKU.

Roboter mit Gefühlen Schon seit mehr als zehn Jahren existiert die Firma FerRobotics, die von Paolo Ferrara und Roland Naderer vom Institut für Robotik gegründet wurde. Die JKU-Wissenschafter haben sich zum Ziel gesetzt, den Robotern Gefühle zu geben. „Roboter sind grundsätzlich blind, taub und gefühllos. Wir geben ihnen das haptische Gefühl. Das ist vor allem wichtig, wenn sie in Kontakt mit Oberflächen kommen, etwa beim Schleifen und Polieren“, sagt Naderer. Mit der patentierten Active Compliant Technology passt der Roboter sein Verhalten auch komplexeren Oberflächen an. Das wird nicht zuletzt von der Autoindustrie honoriert, die für zwei Drittel des FerRobotics-Umsatzes verantwortlich zeichnet. Von VW über BMW, Lamborghini, Bentley bis Jaguar, Mercedes und Ford reicht die Kundenliste der Linzer, deren Zentrale sich nach wie vor im Science Park befindet und die schon 40 Mitarbeiter beschäftigen. „Wir suchen aber noch weitere Mitarbeiter“, sagt Naderer im Gespräch mit der Kepler Tribune. 2016 wurde eine eigene US-Tochter gegründet.

Der Nährboden gäbe mehr her

Es gibt also gute Beispiele für Spin-offs an der JKU. Allen Verantwortlichen ist allerdings auch klar, dass der Nährboden mehr hergäbe. Wenn denn auch die Voraussetzungen passten. „Die Finanzierung junger innovativer Unternehmen ist sicher heute einfacher als vor zwölf Jahren“, sagt Naderer. Dennoch brauche es noch mehr Venture Capital, auch im siebenstelligen Bereich. Denn gerade die Entwicklung neuer Technologien ist kapitalintensiv und braucht Zeit, bis man die PS auf die Straße des freien Marktes bringt.

Auch Richard Hagelauer sagt, dass es in Österreich noch an Venture Capital mangle. Andererseits seien die Rahmenbedingungen hierzulande besser als in Deutschland, wo viele Mittel an die Spezialinstitute gehen und weniger an die Unis. So könne man mit Christian Doppler Labors für sieben Jahre zwei Generationen von Doktoranden beschäftigen und beträchtlich Know-how aufbauen. Was ihm in Österreich dagegen noch fehle, sei auch die Risikobereitschaft der jungen Leute, sich auf die Selbstständigkeit einzulassen, sagt der Wissenschafter und Unternehmer. Das wiederum will das Team um das Rektorat, Birgit Wimmer-Wurm und in Kooperation mit anderen, etwa der Kepler Society, fördern. Mit Founding Days, (kostenlosem) Raum fürs Nachdenken und Experimente und Bewusstseinsbildung, dass Unternehmertum zu einer Universität genauso gehört wie Forschung und Lehre.

Pionier Bruno Buchberger weist allerdings auch darauf hin, dass es für mehr Spin-offs auch mehr wagemutige Studierende braucht. „Die österreichischen allein sind zu wenig, die Anmeldezahlen für etliche Technikstudien an der JKU und den Fachhochschulen sinken allein aus demographischen Gründen. Wir brauchen Exzellenz aus dem Ausland. Und da darf sich der eine nicht auf den anderen verlassen“, sagt Buchberger. Wenn jeder renommierte Professor der JKU pro Jahr je zehn junge Spitzenleute an die JKU bringe, ergäbe dies ein riesiges Potenzial für Spin-offs und für den Standort Österreich generell. Er selbst hat Uni um Uni besucht, um schließlich in Ägypten fündig zu werden. Von dort kommen Doktoranden, ebenso aus Rumänien und Taiwan, wo ehemalige Studenten Buchbergers als Professoren fungieren.