Das neue Unbehagen
In der Nacht zum 24. Oktober 2018 starb ein 88-jähriger Mann – eine unscheinbare Nachricht und doch deutet sich hier eine Zäsur an. Rudolf Gelbard war einer der letzten Zeitzeugen, die mit der Autorität des Überlebenden über ihre Deportation und das Konzentrationslager Theresienstadt sprechen konnten. Ein Kämpfer gegen all das, was in dieser Republik an Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus und seiner Geisteshaltung geschehen ist, ein Unerschrockener und ein Skeptiker. Die Lehre, die er gezogen hat und weitergab: „Widerstehe den Anfängen, denn wenn einmal eine gefährliche Entwicklung sehr weit gediehen ist, muss man sehr viel Mut aufbringen.“ Und woher weiß man, wann es angefangen hat? Das sei schwierig zu bestimmen, sagte Gelbard ein paar Wochen vor seinem Tod.
Wir wissen heute nicht, wo wir stehen, wir sind mittendrin. Wir ziehen hilflos Analogien und wie es scheint, klingt in den Klassikern der Zwischenkriegszeit etwas an, was uns zu denken gibt.
Sigmund Freuds Essay „Das Unbehagen in der Kultur“ erschien 1930, am Vorabend der großen Katastrophe, die in Gelbards Leben einbrach wie ein Gewittersturm, und liest sich verdächtig aktuell. Freud geht darin der Frage nach, wie der Mensch mit den Enttäuschungen des Lebens fertigwird, mit dem Widerstand, der seinem Streben nach Glück, dem eingeschriebenen Programm jedes Menschen, dem Lustprinzip im Wege steht. In seiner schönen klaren Sprache erklärt er uns, führt den Beweis, warum in diesem Bemühen, in dieser Anstrengung die viel gerühmte Kultur eine Quelle des Leidens werden kann, werden muss. „Die Schicksalsfrage der Menschenart scheint mir zu sein, ob und in welchem Maße es ihrer Kulturentwicklung gelingen wird, der Störung des Zusammenlebens durch den menschlichen Aggressions- und Selbstvernichtungstrieb Herr zu werden“, so Freuds Resümee. Das war 1930, wenige Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkrieges und des größten Zivilisationsbruchs der Neuzeit, des Holocaust.
Wieder gibt es ein Unbehagen in der Kultur und wir wissen nur: Der Firnis der Zivilisation ist dünn, über Nacht kann das Rohe blank liegen.
Österreich rühmt sich gern seines Nationalcharakters. Alle Härte werde gemildert durch „Schlamperei“, so sagt man. Vor kurzem erst, am vergangenen Nationalfeiertag, beschwor Bundespräsident Alexander Van der Bellen die „österreichische Tradition“. Er zielte auf ihre liebenswürdigen Erscheinungsformen: Bereitschaft und Sehnsucht nach Kompromissen, Reden und Verhandeln, die Kunst des Abtauschens, des Gebens und Nehmens. Doch was ist mit den Abgründen des „österreichischen Menschen“, seiner Mischung aus Charme, Schlamperei, Feigheit und Niedertracht? – Die Menschenhatz, die Exzesse gegen Juden gingen im Österreich des Jahres 1938 mit einer besonderen Niedertracht, mit Leidenschaft und Sadismus einher. Wer sich daran erinnert, bei dem müssen die Alarmglocken schrillen, wenn das „Österreichische“ so lobend hervorgehoben wird.
Der Österreicher hat ein Problem mit seiner Selbstvergewisserung. Er verträgt nicht viel davon, vom Nationalismus ist er rasch vergiftet. Und wie man von Schlangenbissen weiß, hilft da nur entsprechendes Gegengift. Der freiheitliche Innenminister Herbert Kickl muss das intuitiv geahnt haben. Die Ablehnung des UN-Migrationspapiers begründete er mit „toxischen Passagen“. Dabei will diese Willenserklärung nicht mehr als gemeinsam die weltweite Migration mit menschenrechtlichen Mindeststandards in den Griff bekommen. Sie ist rechtlich nicht bindend und hat auch sonst nichts Böses im Sinn.
Hannah Arendt, die Philosophin, die Deutschland 1933 verlassen musste, hatte wohl recht gehabt. Angesichts des Grauens der Naziherrschaft war sie, was den Menschen betrifft, skeptisch geworden: „Je besser die Völker einander kennenlernen, desto mehr scheuen sie begreiflicherweise vor der Idee der Menschheit zurück, weil sie spüren, dass in der Idee der Menschheit, gleich ob sie in religiöser oder humanistischer oder schwärmerisch kosmopolitischer Form auftritt, eine Verpflichtung zu einer Gesamtverantwortung entsteht, die sie nicht zu übernehmen wünschen.“
Eine der Strategien des Menschen, mit seinem kleinen Leben zurechtzukommen, ist die der Projektion des eigenen Unglücks auf die Außenwelt, auf eine markante Gruppe in der Gesellschaft – auf Außenseiter, auf die Fremden.
Fühlt man sich aufgehoben in einem Kollektiv, glaubt man, sich deshalb über die anderen erheben zu können, ist das Unheil schon geschehen. Man nennt das auch die Strategie des Sündenbocks. Sich selbst unterwirft man einem eisernen Regime von Regeln und Normen, dafür drischt man auf die anderen ein. Freud kommt in seinem Text immer wieder auf das, in unserem Kulturkreis verankerte, christliche Gebot der Nächstenliebe zu sprechen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Doch warum soll er das, seinen Nächsten lieben wie sich selbst, fragt Freud. Was hat er davon? Nichts anderes laufe doch der menschlichen Natur so sehr zuwider wie ausgerechnet dieses Gebot. Freud hält es für die stärkste Abwehr der menschlichen Aggression – und das Gebot für undurchführbar. Das ist Zivilisation. Liegt darin eine bittere Erkenntnis, warum diese Gesellschaft so sehr auseinanderdriftet und warum die Mitte der Gesellschaft heute rechts steht? Was ist eigentlich rechts?
Die Geburtsstunde der Begriffe für die politischen Lager lag in der Französischen Revolution von 1789. In der Nationalversammlung begaben sich Königstreue, Offiziere und Klerus auf die rechte Seite des Präsidiums; links gruppierten sich jene, die zwei Tage zuvor proklamiert hatten, dass jeder Mensch die gleichen Rechte habe.
Rechtes Denken heute ist eine Sicht auf die Welt, die eine Präferenz für das Eigene biologisch begründet, die von Ethnie spricht und Rasse meint und von homogenen und „reinen“ Gemeinschaften träumt, die in ihren angestammten Räumen leben. Rechtes Denken verachtet verfahrensdemokratische Gepflogenheiten; es lebt vom Ausnahmezustand, denkt in Freund/Feind-Kategorien und hält Liberalismus für ein zersetzendes Gift.
Es findet Gehör bei dem, was der Psychoanalytiker Erich Fromm, später berühmt geworden mit „Die Kunst des Liebens“, in den 1930er-Jahren den autoritären Charakter nannte: „Die Unfähigkeit, auf sich selbst zu stehen, unabhängig zu sein oder, um es anders auszudrücken, die Freiheit zu ertragen.“ All das vermengt sich mit einem Zeitgeist, der die Anonymität und Kälte der Globalisierung beklagt und sie der Wärme und Vertrautheit in gewachsenen Gemeinschaften wie der Familie oder Vereinen gegenüberstellt. Rechtes Denken will nichts davon hören, dass die Entfremdung des Menschen mit dem globalen Kapitalismus zu tun hat, dessen Werte und Regeln sich wie ein Netz über alles spannen; oder mit den neuen Technologien, die dem Bewusstsein weit voraus sind und von denen wir noch nicht wissen, wie nachhaltig sie den Menschen und die Gesellschaft weiter verändern werden. Rechtes Denken hadert mit den Ideen der Aufklärung. Aus ihren nie ganz eingehaltenen Idealen bezieht es seinen Triumph: Die Universalität der Menschenrechte sei zwar dekretiert, aber nicht verwirklicht worden.
In den 1920er-Jahren beschäftigten sich Philosophen, Soziologen und Künstler mit dem Auftreten von Massenbewegungen. Die Masse: Das war das Menschengewimmel in den Metropolen, Soldaten, die in Reih und Glied und begeistert in den Krieg marschierten, Arbeiter, die durch hohe Fabrikstore in große Hallen strömten, Menschen, die sich aus Protest auf den Straßen versammelten. Die Masse machte Angst. Wer sie zu kontrollieren und zu lenken verstand, in ihr ein gemeinsames Gefühl erwecken konnte, war ein Held, ein Führer.
Man untersuchte, nach welchen Gesetzen sich ein Kollektiv verhält, nach welchen Mustern sich die Menschen dem einen oder anderen Politiker, dieser und jener Ideologie zuwenden. Man erkannte, dass sie mit der Kühle der Vernunft schwer zu begeistern waren und dass Menschen auch gegen ihre offensichtlichen Interessen zu handeln in der Lage sind, sich vergessen, kasteien und aufopfern können, um ein abstraktes Ziel zu erreichen. Der Schriftsteller und Kafka-Freund Hermann Broch sprach von „Dämmerzustand“, Sehnsucht nach Besoffenheit: „Geben Sie mir etwas, damit wir wieder alle zusammengehören.“
Vergangene Faschismen waren von der jungen Generation getragen worden. Die Jugend wünschte sich einen, der ein Machtwort spricht. „System“-Parteien, wie es die Nationalsozialisten nannten, empfanden sie als lau und weich. Sie müssen sich gefühlt haben wie in einer Maschine, in der der Kapitän in Ohnmacht gefallen war und ein Gangster sich ins Cockpit setzt und eine unerträgliche Lage beendet.
Auch heute erscheint rechten Wählern die traditionelle Politik schwach und machtlos, und das ist nachvollziehbar. Finanzkrise, Bankenrettung, Flüchtlings- und Migrationsströme. Wie oft haben sie gehört, es gebe hier keine Alternative. Rechte Politiker hingegen punkten mit Entschiedenheit. Doch dabei ist eine Wirklichkeitsverweigerung zu beobachten und das ist die große Gefahr. FPÖ-Politiker weisen bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass Österreich keine Einwanderungsgesellschaft sei. Vielleicht meinen sie, dass es das nicht sein sollte. Denn jeder fünfte Österreicher wurde im Ausland geboren. 70 Prozent der Klein- und Volksschulkinder in Wien haben Migrationshintergrund, das heißt: Ein Elternteil oder beide sind einst zugewandert.
Wer das nicht zur Kenntnis nimmt, handelt irrational und irrationale Politik befördert Verschwörungstheorien. In rechten Kreisen wird etwa seit zwei, drei Jahren behauptet, „gewisse Kreise“ planten einen Bevölkerungsaustausch, eine „Umvolkung“, wie es noch vor Kurzem in rechten Onlineplattformen hieß, neuerdings nennt man es „Ethnomorphose“. Dafür werden linke Kreise verantwortlich gemacht, bei Bedarf auch Freimaurer oder Juden wie der aus Ungarn stammende US-Milliardär und Philanthrop George Soros, der angeblich diesen „Austausch“ in großem Stil finanziert. Ungarns Premier Viktor Orbán hat eine Hetzkampagne gegen Soros gestartet, FPÖ-Politiker teilen das in den Sozialen Medien. So wird auch klar, warum FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache die Ablehnung des UN-Migrationspakts zur Koalitionsfrage machte. Für ihn ist das keineswegs Symbolpolitik. Seine Klientel glaubt wirklich, dass eine Elite den „Austausch“ planmäßig betreibe.
Das Thema Sicherheit – ein von Furcht getriebenes, emotionales Bedürfnis der Bevölkerung – wird nicht mit der gebotenen Vernunft behandelt. Helmut Hirtenlehner, Professor am Zentrum für Kriminologie an der Kepler Universität Linz, weiß aus seinen Studien, dass die Straflust zunimmt, die Menschen also ein Bedürfnis nach harten Strafen haben. Doch die empirische Erfahrung sagt: Härtere Strafen führen nicht zu weniger Kriminalität. Auch hier klaffen also objektive und subjektive Wirklichkeiten auseinander. „Der Zusammenhang von Polizeidichte und Sicherheitsgefühl ist ambivalent. Polizeisirenen etwa reduzieren das Sicherheitsgefühl, während Streifenpolizisten es verstärken“, sagt Hirtenlehner.
Auch hier regiert die Ideologie. „Je anonymer die Lebensbedingungen, desto größer wird der Wunsch nach staatlicher Kriminalitätskontrolle. Rechte Parteien gewinnen damit an Bedeutung“, erklärt Hirtenlehner den Hype um dieses Thema.
Die Masse zeigt sich heute nicht mehr auf der Straße, sondern in den Sozialen Medien. Der allgegenwärtige Algorithmus, der uns auf ganz bestimmte Bahnen führt, die Illusion, dass alle um uns herum – unsere Freunde auf Facebook, unsere Follower auf Twitter und Instagram – mehr oder weniger gleich denken wie wir, dieselben Interessen verfolgen, sich über dieselben Dinge empören, lässt uns als Masse fühlen, als einen homogenen weltanschaulichen Brei. Der Eindruck des sozialen Erlebnisses ist durchaus vergleichbar mit dem Auftreten der Massen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Man setzt sich nicht mehr mit anderen Meinungen und Argumenten auseinander, man lässt sie nicht gelten, man nimmt sie höchstens als Feindobjekt wahr. Die Idee von der parlamentarischen Demokratie in ihrer idealen Form, die von Rede und Gegenrede lebt, ist hiermit abgeschafft. Wem kommt das entgegen? Wie macht sich der Bürger ein Bild? Es ist eine der brennendsten Fragen unserer Gegenwart und sie wurde schon vor hundert Jahren gestellt: von Walter Lippmann, in den USA der meistgelesene politische Autor des 20. Jahrhunderts. In seinem 1922 erschienenen Buch „Public Opinion“ warnte Lippmann vor der „überforderten Demokratie“. Der Zeitgenosse sei nicht in der Lage, „die komplexen gesellschaftlichen Zusammenhänge zu durchschauen“.
Der JKU-Ökonom Walter Ötsch, Professor am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft an der Johannes Kepler Universität, hat gemeinsam mit Silja Graupe diesen Klassiker jetzt herausgeben. Ötsch sieht Lippmann als „frühen Warner vor einer Entwicklung, die wir als Marketing, Werbung, politischen Spin, politisches Framing, Beeinflussung sozialer Veränderungsprozesse, Inszenierungen aller Art und Fake News kennen“. Lippmann hatte sich mit der „Macht der inneren Bilder“ und ihrem Zustandekommen auseinandergesetzt. Den Ausweg aus der Undurchschaubarkeit der Welt sah er in einer Art „gelenkter Demokratie“, in der unabhängigen Eliten eine Schlüsselrolle zukommt. „Wo und worin werden sie gebildet? Wo sind also die Eliten der heutigen Zeit geblieben? Sind sie womöglich Opfer ihrer eigenen Propaganda geworden? Wissen die manipulierenden Eliten womöglich nicht mehr, was sie manipulieren, weil sie selbst über kein Bild der Gesellschaft mehr verfügen? Haben sie die durch ihre eigene Propaganda vermittelte Abwertung der Politik selbst schon verinnerlicht? Und wenn dies so wäre: Könnte diese – durch fehlende Bilder bedingte – Handlungsunfähigkeit der Eliten zu dem Befund führen, dass soziale Stabilität zukünftig durch einen autoritären Überwachungs- und Kontrollstaat garantiert werden muss, in dem die Bevölkerung durch eine dauernde Angstmache manipulativ an die jeweilige Führung gebunden wird?“ Diese Fragen stellen Ötsch und Graupe in ihrem Vorwort.
„Die Rechten haben einen eher intuitiven Zugang zu Gefühlen und Bildern“, meint Walter Ötsch. Sie seien stark in den Sozialen Medien, verfügten über Onlineplattformen und Zeitungen. Der Jargon der Verachtung gegenüber schwachen Gruppen in der Gesellschaft habe sich seit Langem abgezeichnet. Doch es existierten Gegenbewegungen, so wie auch in den 1930er-Jahren unter Theodor Roosevelt, der mit seiner Politik des New Deal die Arbeitslosigkeit bekämpfte, mit Sozialreformen der Gesellschaft einen neuen Zusammenhalt gab. Das hat schon Karl Polanyi so gesehen, ein Wirtschaftstheoretiker aus Wien, der 1935 wegen der zunehmenden faschistischen Tendenzen in Österreich nach England emigrierte. Polanyi bekämpfte die weitverbreitete Ansicht, Märkte würden sich selbst regulieren.
In dem Klassiker „The Great Transformation“, den er im Jahr 1944 veröffentlichte, beschrieb er, wie der Faschismus auf den Trümmern des Laissez-faire-Kapitalismus zu blühen begann. Auch Polanyi wird gerade wiederentdeckt. Im Mai 2018 wurde in Wien eine internationale Polanyi-Gesellschaft gegründet. Deren Vizepräsidentin Brigitte Aulenbacher, Soziologin an der Kepler Universität in Linz und Vizepräsidentin derselben, meinte in einem ORF-Interview, man müsse vorsichtig sein mit historischen Vergleichen, doch die „Analogien springen einem ins Auge“. Anzeichen gibt es genug: Der verrohte Stil in Leserforen und Sozialen Medien, die Verachtung von Migranten und Flüchtlingen, wenn sie nicht spuren wie erwünscht, die Selbsterhebung über das Fremde. Die parlamentarische Demokratie ist auf dem Prüfstand.
In unserem Nachbarland Ungarn hat Premier Viktor Orbán die illiberale Demokratie ausgerufen und sich auf den sogenannten Volkswillen berufen. So führt die populistische Rechte zur Aushöhlung von Institutionen.
Ivan Krastev, der bulgarische Politikwissenschaftler, der in seinem Essay „Europadämmerung“ die Wirkungen der Flüchtlingskrise auf Europa mit den Folgen des 11. September auf Amerika verglichen hat, warnt davor, dass „die, die alles haben und alles fürchten“, auch in Europa zu einer starken illiberalen Kraft heranwachsen und einen neuen Populismus hervorbringen könnten. Diese Strömung würde sich an die Verlierer von morgen richten und den europäischen Mainstream vollkommen verändern.
Wenn Vertreter der politischen Mitte nicht mehr sagen, dass Vielfalt gut ist für die Gesellschaft, dann bedrohe das das liberale Europa. Doch offenbar funktioniert auch das nicht mehr. In Spanien hat eine linke Regierung in den vergangenen Monaten eine humane Flüchtlings- und Migrationspolitik gemacht und schon hat eine neue rechtsextreme Partei lautstark die Bühne betreten, „Vox“ (lat.: die Stimme) zieht bei ihren Veranstaltungen immer mehr Anhänger an.
Da bleibt nur ein Trostwort des Bestsellerautors Lippmann von vor hundert Jahren. Er rät uns: „So leben, als ob der gute Wille herrschen könnte. Wir können nicht bei jeder Gelegenheit beweisen, dass er es wirklich kann, nicht, warum Hass, Intoleranz, Misstrauen, Bigotterie, Geheimhaltung, Furcht und Lügen die sieben Todsünden gegen die öffentliche Meinung sind. Wir können bloß behaupten, dass sie keinen Platz in dem Appell an die Vernunft haben, dass sie auf die Dauer Gift sind. [...] Wir können dies alles umso besser tun, je weniger wir der Furcht und dem Fanatismus erlauben, uns so tief zu beeindrucken, dass wir feige die Hände heben und das Interesse am längeren Lauf der Zeit verlieren.“