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Kepler Tribune
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Ausgabe 2/2020
Kommentar Ausgabe 2/2020

Der Mensch über allem

Ohne die Wis­sen­schaft hätte die Poli­tik gerade wenig zu sagen. Wenn wir Glück haben, hört sie noch wei­ter zu. Gedan­ken von Susanne Schnei­der über merk­wür­dige Zei­ten.

Von Susanne Schneider
Hintergrund Ausgabe 2/2020

Immer schön flach halten

Es ist nicht lange her, da hat es noch so gut wie nie­man­den inter­es­siert, wor­über Viro­lo­gin­nen und Viro­lo­gen gerade so nach­den­ken. Das hat sich nun schlag­ar­tig geän­dert. Die ganze Welt war­tet auf die große Erlö­sung und brin­gen kann sie, so viel ist klar, nur die Wis­sen­schaft. Aber mit Unge­duld tut sie sich schwer.

Von Saskia Jungnikl-Gossy
Wissen Ausgabe 2/2020

Gelernt ist gelernt

Ein an der JKU ent­wi­ckel­ter Algo­rith­mus sucht in einer Daten­bank von einer Mil­li­arde Mole­kü­len nach mög­li­chen Wirk­stof­fen gegen das Coro­na­vi­rus. Der Mensch würde dafür Jahre brau­chen – die Künst­li­che Intel­li­genz schafft es an nur einem ein­zi­gen Tag. Die Ergeb­nisse wur­den jetzt für alle ver­füg­bar gemacht.

Von Tanja Paar
Wissen Ausgabe 2/2020

Kleiner als klein

Der kurze Bam­mel, bevor der Arzt zusticht, die Trä­nen bei den Kin­dern, aber was heißt nur bei den Kin­dern: Seit lan­gem arbei­ten Wis­sen­schaft­ler*innen daran, dass vor Imp­fun­gen nie­mand mehr Angst zu haben braucht. Mit Mikro­na­deln
soll der Schmerz kaum noch zu spü­ren sein – doch das Pro­blem bleibt die Dosie­rung des Wirk­stoffs. An der JKU Linz wird an einer Lösung gear­bei­tet.

Von Jonas Vogt
Auf einem Post-It steht die Frage: Was mache ich hier eigentlich?
Wissen Ausgabe 2/2020

Was mache ich hier eigent­lich?

Die Corona-​Krise zwingt uns, unsere Arbeits­welt neu zu reflek­tie­ren. Jetzt, wo viele zu Hause sit­zen, drängt sich die Frage auf: Wie sinn­voll ist das, was wir tun? Die Ant­wort ist schwie­rig. Denn: Bedeut­sam­keit ist sub­jek­tiv – und sie lässt sich nicht erzwin­gen.

Von Ruth Eisenreich
Wissen Ausgabe 2/2020

Ein dickes Ding

Astro­no­men glau­ben, das meiste, das sich da oben tut, haben wir noch gar nicht gese­hen. Mit dem Rie­sen­te­le­skop ELT wer­den sie jetzt aber wei­ter ins All bli­cken kön­nen als je zuvor. Mathe­ma­ti­ker der JKU arbei­ten daran mit, dass es detail­ge­treue Bil­der lie­fert.

Von Benjamin Breitegger
Wissen Ausgabe 2/2020

Guter Riecher

Der Sand­fisch ist ein fas­zi­nie­ren­des Tier. Vor Tau­sen­den Jah­ren galt er als Aphro­di­sia­kum, dann fas­zi­nierte seine Fähig­keit, durch Sand schwim­men zu kön­nen, als wäre es Was­ser. Jetzt aber könnte er wegen sei­ner Nase das Vor­bild eines neuen Par­ti­kel­fil­ters gewor­den sein. Und bloß des­we­gen, weil er sich vor einer JKU-​Forscherin so lange im Sand ver­steckte.

Von Claudia Stieglecker
Wissen Ausgabe 2/2020

Diese Kappe liest Gedanken

Lange war der Ver­such, die Gedan­ken ande­rer Men­schen zu lesen, der Para­psy­cho­lo­gie vor­be­hal­ten. Heute sind es Neu­ro­wis­sen­schaft­ler*innen, die mit aus­ge­feil­ter Tech­nik die Vor­gänge in unse­ren Gehir­nen in Echt­zeit ent­schlüs­seln wol­len. Der JKU könnte nun der nächste Schritt gelun­gen sein.

Von Thomas Brandstetter
Im Gespräch Ausgabe 2/2020

Refle­xion im Real­labor

„Zusam­men strea­men statt zusam­men­strö­men“ lau­tete das Motto der dies­jäh­ri­gen Dia­go­nale, die als eines der ers­ten Film­fes­ti­vals online über die Bühne ging. Nun bringt Crossing Europe einen cine­as­ti­schen Streif­zug quer durch Europa auf die Bild­schirme der Wohn­zim­mer. Das Ars Elec­tro­nica Cen­ter bie­tet einen inter­ak­ti­ven digi­ta­len Lie­fer­ser­vice, der Aus­stel­lungs­tou­ren, Work­shops, Vor­träge und Kon­zerte umfasst.

Die Corona-​Krise kata­pul­tiert auch die Kul­tur in vir­tu­elle Wel­ten. Und illus­triert über­deut­lich, wie stark unser All­tag bereits von einer Melange aus On- und Offline-​Wirklichkeiten geprägt ist, die untrenn­bar mit­ein­an­der ver­wo­ben sind, ein­an­der bedin­gen. Diese Digi­ta­li­sie­rung mit dem Vor­schlag­ham­mer mün­det in ein gro­ßes Real­la­bor, in dem Expe­ri­mente mit enor­mer Spann­weite in situ in der Gesell­schaft gewagt wer­den.

Mit Hilfe von digi­ta­len Werk­zeu­gen ent­ste­hen inno­va­tive Ver­mitt­lungs­an­sätze, die es erlau­ben, neue Ziel­grup­pen zu erschlie­ßen und Hemm­schwel­len abzu­bauen – vie­les davon wird die Krise über­dau­ern. Die Pan­de­mie löst einen Lern­pro­zess dar­über aus, wel­che Ange­bote im Netz funk­tio­nie­ren und wel­che nicht, und gene­riert bei vie­len die Erkennt­nis, dass wir schon längst in der real-​digitalen Sphäre leben, wo es kein Entweder-​oder zwi­schen dem Rea­len und dem Digi­ta­len gibt, son­dern der Schlüs­sel des Erfolgs in einer hybri­den und klu­gen Ver­bin­dung von bei­dem liegt.

Das Real­ex­pe­ri­ment in der Ära von COVID-​19 mani­fes­tiert aber auch den Wert von Kunst und Kul­tur als Instru­ment der Refle­xion.

Der glo­bale Lock­down zeigt die Wich­tig­keit und die Kraft von Krea­ti­vi­tät – also der ein­zi­gen mensch­li­chen Gabe, die es erlaubt, uns in unvor­her­seh­ba­ren Situa­tio­nen zurecht­zu­fin­den.

Im Real­la­bor zur Abwehr des Coro­na­vi­rus wer­den einst als undenk­bar gehan­delte Maß­nah­men Rea­li­tät, die einen Ein­griff in unsere Grund­rechte dar­stel­len. Sie ver­lan­gen nach kri­ti­schen Stim­men, um viel­schich­tige Dis­kurse anzu­re­gen und der All­ge­mein­heit einen Spie­gel vor­zu­hal­ten. In alle­dem liegt die Stärke der Kunst, sie pro­vo­ziert eine Per­spek­ti­ven­ver­schie­bung, emo­tio­nal, intel­lek­tu­ell oder ästhe­tisch. Geän­derte Blick­win­kel und Betrach­tungs­wei­sen eröff­nen neue Erkennt­nisse. Sie sind ein wesent­li­cher Nähr­bo­den für Krea­ti­vi­tät, kri­ti­sche Refle­xion oder Kurs­kor­rek­tu­ren.

Doch wäh­rend die Wis­sen­schaft gerade vor den Vor­hang geholt wird und Viro­log*innen, Medi­zi­ner*innen oder Mathe­ma­ti­ker*innen im Zen­trum der Auf­merk­sam­keit ste­hen, fin­det Kul­tur plötz­lich im stil­len Käm­mer­lein statt. Die sozia­len, öko­no­mi­schen, poli­ti­schen und ethi­schen Fra­gen, die COVID-​19 auf­wirft, bedür­fen jedoch trans­dis­zi­pli­nä­rer Ansätze an der Schnitt­stelle von Kunst und Wis­sen­schaft. Der Bruch mit tra­di­tio­nel­len Seh­ge­wohn­hei­ten, die Erwei­te­rung des metho­di­schen Erfah­rungs­ho­ri­zonts und der spar­ten­über­grei­fende Erkennt­nis­ge­winn ent­spre­chen der Mul­ti­di­men­sio­na­li­tät unse­rer ver­netz­ten Welt und den Her­aus­for­de­run­gen, denen wir uns stel­len müs­sen. Nicht zuletzt doku­men­tiert auch der Blick in die Geschichte ein Oszil­lie­ren zwi­schen Kunst, Kul­tur, Wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gie als Inno­va­ti­ons­trei­ber der Mensch­heit.

Umso ent­schei­den­der ist es, die exis­ten­zi­elle wirt­schaft­li­che Kata­stro­phe für den Kul­tur­be­trieb zu ver­hin­dern und die Kunst als geis­tige Grund­lage unse­rer Gesell­schaft vor dem Aus­ster­ben zu bewah­ren. Schließ­lich offen­bart der Aus­nah­me­zu­stand: Der vor­über­ge­hende Ver­zicht auf kul­tu­relle Öffent­lich­keit bedeu­tet einen nie dage­we­se­nen Ver­lust an Lebens­qua­li­tät, Inspi­ra­tion und Kon­tem­pla­tion. Die aktu­elle Situa­tion führt uns ein­dring­lich vor Augen, dass die Kul­tur­land­schaft kein deko­ra­ti­ver Luxus ist, mit dem man sich nur in guten Zei­ten schmückt, son­dern kol­lek­ti­ver Kitt und ein unent­behr­li­ches Kor­rek­tiv in der Krise. 

CHRIS­TO­PHER LIN­DIN­GER beschäf­tigt sich seit über 20 Jah­ren mit neuen Tech­no­lo­gien, Inno­va­ti­ons­kul­tu­ren und Koope­ra­ti­ons­for­men für Kunst, Wis­sen­schaft und Gesell­schaft. Er forschte in Chi­cago zu Supercomputer-​Visualisierungen, ent­wi­ckelte Soft­ware für NASA, NCSA und war For­schungs­di­rek­tor des Ars Elec­tro­nica Futurel­abs. Seit 2019 ist er JKU-​Vizerektor für Inno­va­tion und For­scher*innen.

Von Christopher Lindinger
Im Gespräch Ausgabe 2/2020

Kultur in der Krise

Für die Kul­tur sind Kri­sen höchst dyna­mi­sche Pro­zesse, Höhe­punkte, an denen sich neue Wege auf­tun. Und – es gibt viel zu tun in Kri­sen­zei­ten. 

COVID-​19 wirft Pro­bleme und Fra­gen auf, die nicht neu sind. Das bedroh­li­che Virus wird mit einem Brenn­glas oder Rönt­gen­strahl ver­gli­chen, die soziale, poli­ti­sche, öko­no­mi­sche Zusam­men­hänge sicht­bar machen – COVID-​19 ver­grö­ßert wie eine kon­vexe Sam­mel­linse gesell­schaft­li­che Ungleich­hei­ten, Aus­schluss­for­men und natio­nale Herr­schafts­stra­te­gien und legt diese auf radi­kale Weise bloß. 

Von der Mög­lich­keit der Ver­än­de­rung spre­chen die einen, von dem Wunsch, Nor­ma­li­tät wie­der­her­zu­stel­len, die ande­ren. Doch wel­che Nor­ma­li­tät? Pre­ka­riat, Aus­beu­tung, Demo­kra­tie­ver­druss, Res­sour­cen­ver­schleiß und Kli­ma­wan­del auf Kos­ten der ande­ren. Und Wohl­stand, Gesund­heit und Glück für man­che. Es ist also eine Frage der Per­spek­tive – der Blick auf blü­hende Land­schaf­ten mag den Blick auf Inseln aus Plas­tik­müll, Berge von Elek­tronik­schrott, auf ein­stür­zende Tex­til­fa­bri­ken, Bildungs-​ und Geschlech­te­r­unge­rech­tig­kei­ten, Krieg und Gewalt ver­ges­sen machen. Die Ein­he­gung der Dis­zi­pli­nen mag die Errich­tung von Par­al­lel­wel­ten erlau­ben. Es bedurfte bloß eines unsicht­ba­ren Virus, um die­sen Schein wie eine Sei­fen­blase zer­plat­zen zu las­sen.

COVID-​19 hätte das post­fak­ti­sche Zeit­al­ter been­det, sagt die Wis­sen­schafts­his­to­ri­ke­rin Helga Nowotny. Die Wis­sen­schaf­ten waren bis vor kur­zem weit abge­schla­gen auf den hin­te­ren Plät­zen der poli­ti­schen Auf­merk­sam­keit, da sie unter Umstän­den auch unan­ge­nehme Dinge zu ver­kün­den hat­ten und haben. Kann nun aber der bange Blick auf die magi­schen Kur­ven von Krank­heit und Tod allein das Ver­hält­nis zu den Wis­sen­schaf­ten ver­än­dern? Die Wis­sen­schaf­ten brau­chen Kri­tik und Dif­fe­renz, um Per­spek­ti­ven zu über­prü­fen, in Frage zu stel­len, neue Sicht­wei­sen ein­zu­neh­men und diese unter Umstän­den wie­der zu ver­wer­fen. In ihrer Pra­xis müs­sen sie frei sein, frei von kom­mer­zi­el­len oder poli­ti­schen Inter­es­sen und diese Frei­heit tei­len sie mit Kunst und Kul­tur. Zu deren Stra­te­gien gehö­ren Expe­ri­ment, Über­schuss und Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät – diese mit den Wis­sen­schaf­ten in Aus­tausch und Wider­streit zu brin­gen ist genauso unent­behr­lich wie die gesell­schaft­li­che Kom­mu­ni­ka­tion und die öffent­li­che Debatte darum.

Die Kraft der Kunst, sagt Chris­toph Menke, läge in der Mög­lich­keit, in der Frei­heit – und Han­nah Are­ndt würde ergän­zen, in der Mög­lich­keit zu han­deln. Das Ver­mö­gen zu han­deln wäre dabei zu unter­schei­den vom „Sich-​Verhalten“. Gerade jetzt, wo es ange­zeigt ist, eine Reihe von Ver­hal­tens­re­geln im Umgang mit­ein­an­der zu beach­ten, um die Pan­de­mie ein­zu­schrän­ken, dür­fen wir nicht ver­ges­sen, was es heißt zu han­deln, dür­fen wir Regeln nicht mit Repres­sio­nen und Frei­heit nicht mit Rück­sichts­lo­sig­keit ver­wech­seln. Gerade jetzt kommt Kunst und Kul­tur die Auf­gabe zu, Nar­ra­tio­nen zu ent­wer­fen, die uns eine dis­kur­sive, ästhe­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit Fra­gen der Ethik, des Rechts, der Sou­ve­rä­ni­tät und des Sub­jekts auf­er­legt.

EVA MARIA STAD­LER ist Vize­rek­to­rin für Aus­stel­lun­gen und Wis­sens­trans­fer an der Uni­ver­si­tät für ange­wandte Kunst Wien, dar­über hin­aus ist sie Pro­fes­so­rin für Kunst und Wis­sens­trans­fer und Insti­tuts­vor­stän­din am Insti­tut für Kunst und Gesell­schaft an der Uni­ver­si­tät für ange­wandte Kunst in Wien und arbei­tet als Kura­to­rin für zeit­ge­nös­si­sche Kunst.  

Von Eva Maria Stadler
Campus Ausgabe 2/2020

Im Schnell­vor­lauf

Virus­nach­weise im Gen­la­bor, hof­fent­lich bald ein Medi­ka­ment gegen COVID-​19 und ein green new deal für die Zeit danach: Bei allem Nega­ti­ven zeigt sich in der Corona-​Krise auch die Chance für neue Kon­zepte in der Wirt­schaft, in der For­schung und in der Art, wie wir künf­tig arbei­ten und leben.

Von Christopher Wurmdobler
Visionen Ausgabe 2/2020

Somnium - der Traum von Wissen­schaft

Ich muss mich beim Hexen ver­spro­chen haben“, sagte die kleine Hexe. Frü­her war ihr auch schon dann und wann etwas dane­ben­ge­gan­gen. Aber gleich vier­mal hin­ter­ein­an­der?

Tja, das kann schon ein­mal vor­kom­men, wenn man sich mit Bio­lo­gie, Che­mie und Phy­sik beschäf­tigt. Da geht ein und das­selbe Expe­ri­ment mehr­mals hin­ter­ein­an­der dane­ben. Ganz so, wie bei der klei­nen Hexe von Otfried Preuß­ler. Seit ich mich erin­nern kann, bin ich von all die­sen Natur­wis­sen­schaf­ten fas­zi­niert. Weil es ein biss­chen wie Zau­bern und Hexen ist. Aus dem, was uns die Natur so gibt, Neues zu schaf­fen. Zu kom­bi­nie­ren. Wir­kun­gen und Effekte zu erzie­len, ein­fach damit, dass man zusam­men­fügt, was gar nicht zwangs­läu­fig zusam­men­ge­hört.

Dabei war mein Weg in die Wis­sen­schaft gar kein direk­ter. Es war eher so wie in der Geschichte, als die kleine Hexe zum ers­ten Mal auf ihrem neuen Zau­ber­be­sen rei­tet: ein ziem­lich wil­der Ritt. Nach der Schule, bei mir war es die Poly­tech­ni­sche Schule, begann ich eine Lehre. Zuerst als Dro­gis­tin und danach noch eine Lehre als pharmazeutisch-​kaufmännische Assis­ten­tin. Da waren sie schon, die Natur­wis­sen­schaf­ten. Nur mein Drang nach Wis­sen war damit noch nicht gestillt. Erst mit der Berufs­rei­fe­prü­fung kam das Gefühl, dass ein Stu­dium mein Weg sein könnte. Und auch wenn es Phy­sik wurde – für mich waren und sind Natur­wis­sen­schaf­ten immer inter­dis­zi­pli­när. Phy­sik, Che­mie, Bio­lo­gie. Das sind Sei­ten des­sel­ben Buches und man sollte sie nicht gegen­ein­an­der, son­dern mit­ein­an­der lesen und ver­ste­hen.

Mitt­ler­weile for­sche und arbeite ich in einem groß­ar­ti­gen Team an bio­lo­gisch abbau­ba­rer Elek­tro­nik und jetzt auch Robo­tik. Also, ganz ein­fach for­mu­liert, an Robo­tern und Elek­tro­nik, die unsere Umwelt nicht belas­ten, son­dern aus mög­lichst natür­li­chen Werk­stof­fen gebaut wer­den. Ganz oft geht es uns da wie der klei­nen Hexe und wir haben das Gefühl, dass wir uns ver­spro­chen haben, weil wie­der mal etwas nicht funk­tio­niert. Umso schö­ner ist das Gefühl, wenn es dann klappt. Und dann komme ich mei­nem Traum ein klei­nes Stück näher: Dass es irgend­wann sol­che Robo­ter ganz nor­mal im Geschäft zu kau­fen gibt und ich dann zu mei­nem Sohn sagen kann: Da hat die Mama mit­ge­ar­bei­tet. Und dann freue ich mich auf das Leuch­ten sei­ner Augen und den Stolz, dass seine Mama eine kleine Hexe ist.  

Von Melanie Baumgartner
Kepler Salon Ausgabe 2/2020

Im Gegen­war­te­zimmer

Nor­bert Tra­wö­ger sin­niert über das Anfan­gen, die Unge­duld, die Ver­ge­gen­wär­ti­gung der Gegen­wart in der Gegen­wart und fragt sich, wie man Exper­tin­nen und Exper­ten erkennt. Dies alles vom Logen­platz aus.

Von Norbert Trawöger
Kepler Salon Ausgabe 2/2020

Japan – Insel­reich in Bewe­gung

Wäh­rend in Öster­reich erste Locke­run­gen des Shut­down begin­nen, wei­tet Japans Pre­mier­mi­nis­ter Shinzo Abe den Aus­nah­me­zu­stand von zunächst sie­ben auf alle 47 Prä­fek­tu­ren des Lan­des aus. Die Bevöl­ke­rung wird ersucht, ihre per­sön­li­chen Kon­takte um 70 bis 80 Pro­zent zu redu­zie­ren. Fir­men wer­den auf­ge­for­dert, mög­lichst auf Heim­ar­beit umzu­stel­len. Um etwa einen Monat zeit­ver­zö­gert, voll­zieht Japan Mitte April die all­mäh­li­che Still­le­gung des Lan­des. Die Geschäfts­stra­ßen sehen aus wie sonst nur zu Neu­jahr, wenn sich das ganze Land rund eine Woche lang zu Fami­li­en­fei­ern ins Haus zurück­zieht.

Ich hatte geglaubt, dass die japa­ni­sche Höf­lich­keit und Eti­kette mit ihrem kul­tu­rell ver­wur­zel­ten Abstand­hal­ten und Mas­ken­tra­gen das Insel­reich von Corona weit­ge­hend ver­scho­nen würde. War doch dort das kol­lek­tive und feucht-​fröhliche hanami, das Bestau­nen der Kirsch­blüte, noch zu einem Zeit­punkt mög­lich, als wir hier das Haus längst nur mehr in den erlaub­ten sel­te­nen Fäl­len ver­lie­ßen. Ein­zeln. Maxi­mal zu zweit. Dann hatte Abe Ende März an die Men­schen in Tokyo, Osaka und ande­ren Groß­städ­ten appel­liert, doch ein Wochen­ende lang mal frei­wil­lig zu Hause zu blei­ben. „Wir machen die­ses Wochen­ende social distancing“, ulkte eine Freun­din in Tokyo, mit der ich über den japa­ni­schen Messenger-​Dienst LINE tele­fo­nierte. Freund Ogino erzählte über LINE, dass er seine 98-​jährige Mut­ter nicht mehr besu­chen dürfe. Er habe bei der Rezep­tion des Alters­hei­mes eine Por­tion Eis­creme für sie abge­ge­ben. Sie lebt auf der Demenz­sta­tion. Ihren Sohn erkennt sie schon lange nicht mehr. Ihre Lei­den­schaft für Eis­creme ist geblie­ben. Im April hatte ich sie noch besucht. Sie hatte mich erstaunt ange­se­hen und eine der Man­ner­schnit­ten, die ich ihr mit­ge­bracht hatte, in klei­nen Stück­chen gemüm­melt. Ogino war nach Kyoto gekom­men, um nach einer Knie­ope­ra­tion die Schrau­ben her­aus­neh­men zu las­sen. Ansons­ten lebt er in Thai­land. Wäh­rend er in Kyoto im Kran­ken­haus war, machte Thai­land die Gren­zen dicht und ließ ihn nicht mehr zurück­rei­sen. „Sho ga nai“, sagte er schick­sals­er­ge­ben. Da kann man nichts machen.

Eine Woche ehe nun auch Abe in Japan erste Maß­nah­men ergriff, war die Aus­tra­gung der Olym­pi­schen Som­mer­spiele in Tokyo wegen der welt­wei­ten COVID-​19-Pandemie um ein Jahr ver­scho­ben wor­den. Seit klar ist, dass 2020 nicht das Jahr der Olym­pi­schen Spiele in Tokyo wird, wer­den täg­lich mehr Corona-​Fälle ver­öf­fent­licht. Japan habe die tat­säch­li­chen Zah­len der Corona-​Erkrankungen ver­schlei­ert und Maß­nah­men ver­zö­gert, um die Aus­tra­gung der Olym­pi­schen Spiele nicht zu gefähr­den, mei­nen böse Zun­gen.

Die Uni­ver­si­tät mei­ner ehe­ma­li­gen Stu­den­tin Yui hat bis Sep­tem­ber Online-​ Unter­richt ver­ord­net. Yui schickt mir eine Liste mit Vor­schrif­ten, an die sie sich hal­ten muss. Alle Stu­die­ren­den sind ange­hal­ten, nicht aus­zu­ge­hen und keine Rei­sen zu unter­neh­men, außer in unbe­dingt not­wen­di­gen und drin­gen­den Fäl­len. Gehört unser Hiroshima-​ Pro­jekt dazu? Aus der Sicht der japa­ni­schen Behör­den wohl eher nicht. Mit Yui als einer mei­ner wich­tigs­ten Prot­ago­nis­tin­nen wollte ich einen Film zum 75. Jah­res­tag des Atom­bom­ben­ab­wurfs auf Hiro­shima im August 2020 dre­hen. Es sollte eine Spu­ren­su­che mit der Enkel­ge­nera­tion wer­den. Yuis Groß­va­ter war ein hiba­ku­sha, ein Über­le­ben­der der Atom­bombe. Sie hat seine Geschichte auf­ge­ar­bei­tet und nie­der­ge­schrie­ben und arbei­tet nun an ihrer Dis­ser­ta­tion über die Trau­ma­ti­sie­rung von Atom­bom­ben­über­le­ben­den. Es wird ein Pio­nier­werk wer­den, denn dar­über hat in Japan bis­lang noch nie­mand geforscht.

Meine Bekannt­schaft mit Yui Aiba hat 2014 in Nagoya begon­nen. Ich hatte an der Städ­ti­schen Uni­ver­si­tät Nagoya einen Lehr­auf­trag im Rah­men der ver­glei­chen­den Kul­tur­wis­sen­schaf­ten. Als Thema mei­ner Vor­le­sung hatte ich zwei Werke des öster­rei­chi­schen Jour­na­lis­ten und Frie­dens­ak­ti­vis­ten Robert Jungk gewählt, „Der Atom­staat“ und „Strah­len aus der Asche“, das erste Werk in deut­scher Spra­che über die Fol­gen der Atom­bombe in Hiro­shima. Vor dem Hin­ter­grund der ato­ma­ren Bom­bar­die­rung Hiro­shi­mas und der Nukle­ar­ka­ta­stro­phe von Fuku­shima erschie­nen mir Jungks kri­ti­sche und pazi­fis­ti­sche Annä­he­run­gen an das Nukleare für junge Men­schen in Japan aus­ge­spro­chen gut geeig­net. Doch ich hatte nicht mit dem gro­ßen Des­in­ter­esse und dem his­to­ri­schen Nicht-​Wissen der Stu­die­ren­den gerech­net. Ein ers­ter Zwi­schen­test fiel kata­stro­phal aus. Um nicht 90 Pro­zent der Stu­die­ren­den nega­tiv beur­tei­len zu müs­sen, bot ich ihnen als Lösung an, zu aus­ge­wähl­ten The­men, die frei­lich zur Vor­le­sung pas­sen müss­ten, einen Essay zu schrei­ben, damit sie sich ihre Note ver­bes­sern konn­ten. Bereits nach der nächs­ten Stunde kam ein Mäd­chen zu mir und gab eine Arbeit von meh­re­ren Sei­ten ab. Sie habe das gleich in der Vor­wo­che geschrie­ben. Ich warf einen kur­zen Blick auf den Titel und erhaschte die Worte: „Mein Groß­va­ter, 6. August 1945, Hiro­shima …“ Das war meine erste Begeg­nung mit Yui. Ich nahm den Auf­satz mit nach Hause und las ihn beim Abend­essen. Er rührte mich zu Trä­nen. Sie hatte ihren Groß­va­ter inter­viewt, der als 18-​Jähriger ein­ge­zo­gen und von Nagoya nach Hiro­shima beor­dert wor­den war. Der damals 88-​jährige Groß­va­ter, erzählt Yui in ihrem Auf­satz, habe schon viele Male dar­über reden wol­len, dass er selbst ein hiba­ku­sha, also ein Über­le­ben­der der Atom­bombe ist, aber sie habe seine Geschichte ein­fach nicht hören wol­len. Durch die Vor­le­sung über Robert Jungk und die Lek­türe von „Strah­len aus der Asche“ sei sie moti­viert wor­den, ihm zuzu­hö­ren, ihm Fra­gen zu stel­len.

Was er zu erzäh­len hatte, war schreck­lich: Der junge Mann musste nach dem Atom­bom­ben­ab­wurf in Hiro­shima die Lei­chen ber­gen hel­fen, über Details aber könne er bis heute nicht spre­chen. Sie habe ihn auch gefragt, schreibt sie, ob er Hass auf die USA emp­finde, und der Groß­va­ter habe geant­wor­tet: „Nein, denn die USA hät­ten schließ­lich durch die Atom­bom­ben den Krieg been­det, den Japan sonst ewig wei­ter­ge­führt hätte.“ Der Groß­va­ter, schreibt Yui, habe in ihrem ers­ten Gespräch auch – ganz im Sinne mei­ner Lehr­ver­an­stal­tung und im Sinne Jungks – den Bogen zu Fuku­shima und zur Atom­ener­gie gespannt und sei dafür ein­ge­tre­ten, Japan möge sofort aus der Atom­ener­gie aus­stei­gen und alle AKWs abschal­ten. Zu Semes­ter­ende kam es zu einer ers­ten Begeg­nung zwi­schen mir, dem Groß­va­ter und Yuis Mut­ter. Ich hatte gebe­ten, den Groß­va­ter für eine Radio­sen­dung inter­viewen zu dür­fen, und an einem Sonn­tag­vor­mit­tag kam die ganze Fami­lie in mein Büro an der Uni­ver­si­tät. Als ich auf ihr Klop­fen die Türe öff­nete, stan­den sie vor mir, strah­lend, der Groß­va­ter mit einem klei­nen Lei­ter­wa­gen (!), auf dem er alle Mate­ria­lien, Bücher, Zei­tungs­ar­ti­kel, Bil­der und Doku­mente in gro­ßen Kis­ten mit­brachte, die er seit jenem 6. August 1945 gesam­melt hatte …

Ihre Abschluss­ar­beit an der Uni­ver­si­tät schrieb Yui über die hiba­ku­sha in der Prä­fek­tur Aichi, wo sie lebt. Im Februar 2018 kam sie eigens nach Wien, um mir ihre Arbeit zu über­rei­chen. Ihre Magis­ter­ar­beit über ihren Groß­va­ter erschien Anfang 2019 als Buch und wurde in Japan viel beach­tet. Bei jeder Japan­reise traf ich Yui, ihren Groß­va­ter, ihre Groß­mutter und ihre Mut­ter. Sie luden mich zum Essen ein und erwie­sen mir ihre Dank­bar­keit. Im Herbst 2019 war der Groß­va­ter bereits zu schwach für die geplan­ten Dreh­ar­bei­ten mit sei­ner Enke­lin in Hiro­shima. Wir führ­ten ein letz­tes Skype-​Gespräch. Der Groß­va­ter lag im Bett. Wir wink­ten uns zu. Ich solle mich um Yui küm­mern, gab er mir mit. In den Weih­nachts­fe­rien besuchte ich Yui und ihre Fami­lie. Ich konnte nur mehr kon­do­lie­ren. Auf dem Haus­al­tar stan­den Fotos von unse­ren Tref­fen und die letzte Notiz, die sich der Groß­va­ter nach dem Sky­pen im Okto­ber gemacht hatte: „Mit Frau Brand­ner gespro­chen. Es war sehr erfreu­lich. Sie wird im Dezem­ber auf Besuch kom­men. Ich bemühe mich, bis dahin durch­zu­hal­ten.“ Wir haben uns knapp ver­passt. Am 10. Novem­ber starb er im Alter von 93 Jah­ren. Ich habe Yui und ihrem Groß­va­ter ein Kapi­tel in mei­nem Buch „Japan – Insel­reich in Bewe­gung“ gewid­met, das im Herbst 2019 im Resi­denz Ver­lag erschie­nen ist. Yui und ich üben uns in social distancing und hof­fen auf ein bal­di­ges Wie­der­se­hen.  

Von Judith Brandner
Kepler Salon Ausgabe 2/2020

Das posi­tive Denken – das Posi­tive denken

Die­ser Text ist noch vor Aus­bruch der Corona-​Krise ent­stan­den. Die Autorin hat dar­auf ver­zich­tet, ihn für die Zeit der Qua­ran­täne zu adap­tie­ren, um Ihnen ein paar Minu­ten ohne Viren, Aus­gangs­be­schrän­kun­gen und Infek­ti­ons­ra­ten zu gön­nen. Zudem ändert sich nichts an der Grund­hal­tung. Es hat sich nur die Dank­bar­keit der Autorin gegen­über jenen, die uns das gute Leben ermög­li­chen, wei­ter ver­tieft.

Von Dominika Meindl