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Kepler Tribune
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Ausgabe 3/2022
Die Welt aus dem Gleichgewicht.
Kommentar Ausgabe 3/2022

Another life is possible

Die Zukunft wirkt durch Dau­er­kri­sen wie eine ein­zige Kata­stro­phe und dass es schnell zurück in die gute alte Zeit gehen kann, glaubt seit dem Krieg in der Ukraine auch nie­mand mehr. So wie bis­her kön­nen wir aber nicht wei­ter­ma­chen. Das ahnen fast alle. Aber begrei­fen wir es auch? Ein Essay von Ste­phan Les­se­nich.

Von Stephan Lessenich
Hintergrund Ausgabe 3/2022

But how?

Die Situa­tion mag manch­mal aus­sichts­los erschei­nen, aber sie ist es nicht. Die Ansätze dazu, wie die Mensch­heit die­ses Zeit­al­ter der mul­ti­plen Kri­sen mit einem blauen Auge über­ste­hen kann, gibt es. Und sie wer­den mehr.  

Von Nina Horaczek
Die Welt aus dem Gleichgewicht.
Kreislaufwirtschaft
Wissen Ausgabe 3/2022

Die bieg­bare Batterie

Je smar­ter die Welt wird, desto mehr Elek­tronik­schrott tür­men wir auf. Doch es geht auch anders: Ein Team der JKU hat jetzt eine wei­che, dehn­bare Bat­te­rie ent­wor­fen, die sogar bio­lo­gisch abbau­bar ist.

Von Verena Tang
Wissen Ausgabe 3/2022

Eine Frage der rich­tigen Fragen

Ein Quan­ten­com­pu­ter kann nicht nur null und eins unter­schei­den, son­dern arbei­tet auch mit belie­bi­gen Kom­bi­na­tio­nen davon. Um diese Fähig­keit effi­zi­ent zu nut­zen, muss man das Ergeb­nis aber auch rasch und zuver­läs­sig aus­le­sen kön­nen – und das ist bis heute ein gro­ßes Pro­blem. Richard Küng von der JKU gelang nun ein wis­sen­schaft­li­cher Durch­bruch: Er fand her­aus, dass diese Mes­sung am bes­ten funk­tio­niert, wenn man dabei aus­ge­klü­gelte Fra­gen stellt.

Von Florian Aigner
Ein Apfelspalter.
Hintergrund Ausgabe 3/2022

Teile und herr­sche nicht!

Der Traum einer koope­ra­ti­ven Sharing Eco­nomy ist trotz der nega­ti­ven Erfah­run­gen mit gro­ßen Platt­for­men wie Uber und AirBnB noch nicht geplatzt. Doch für ihre Ret­tung müs­sen Poli­tik, pri­vate Akteure und Zivil­ge­sell­schaft stra­te­gi­scher den­ken.

Von Bernhard Ecker
Hintergrund Ausgabe 3/2022

Verbre­chen und Straf­recht

In wei­ten Tei­len der Welt wird die Todes­strafe geäch­tet. In man­chen jedoch erlebt sie zur­zeit eine Renais­sance. Aber sind höhere Stra­fen bis hin zu die­sem Extrem über­haupt ein geeig­ne­tes Mit­tel, die Kri­mi­na­li­tät ein­zu­däm­men?

Von Benedikt Kommenda
Strafrecht
Kristalle
Wissen Ausgabe 3/2022

Kris­tall­welten

Grund­la­gen­for­schung kann den Hori­zont spren­gen und Uni­ver­sen an neuen Anwen­dun­gen eröff­nen. Am Insti­tut für Halbleiter-​ und Fest­stoff­phy­sik erzeu­gen Alberta Bonanni und ihr Team des­halb Kris­talle. Sie haben ganz erstaun­li­che Eigen­schaf­ten.

Von Jonas Vogt
Campus Ausgabe 3/2022

Einfach mal machen

Vom lebens­ret­ten­den T-​Shirt über einen High-​Tech-Rollstuhl bis zur Platt­form für regio­nale Lebens­mit­tel – die JKU ist die Basis für eine Reihe von Start-​ups, die etwas oft Unter­schätz­tes in den Mit­tel­punkt stel­len: Echte Bedürf­nisse, die noch nicht gestillt sind.

Von Stefan Mey
Dominik Lorenz (l.) und Lukas Rigler von Hoss Mobility.
(c) Angelika Kessler
Im Gespräch Ausgabe 3/2022

Unter Span­nung

„Wir sind uns wohl alle einig, daß [sic] es die Auf­gabe von Bil­dung ... war, ist und wahr­schein­lich blei­ben wird, die Jugend auf das Leben vor­zu­be­rei­ten. Wenn dies aber der Fall ist, dann steht die Bil­dung (ein­schließ­lich der uni­ver­si­tä­ren Bil­dung) jetzt vor der tiefs­ten und radi­kals­ten Krise in ihrer an Kri­sen rei­chen Geschichte“, erklärte der Sozio­loge und Phi­lo­soph Zyg­munt Bau­man in einem Vor­trag an der Uni­ver­si­tät Padua.1 Er bezog sich dabei auf seine Theo­rie der „Liquid Moder­nity“, die er so beschrieb: „Die For­men des moder­nen Lebens kön­nen sich in eini­ger Hin­sicht unter­schei­den – aber was sie alle ver­bin­det, ist genau ihre Zer­brech­lich­keit, Zeit­lich­keit, Ver­wund­bar­keit und Nei­gung zu stän­di­gem Wan­del.“2 Ein Phä­no­men, das gerade jetzt eine dra­ma­ti­sche Bestä­ti­gung erfährt.

Doch funk­tio­niert unser aktu­el­les Bildungs-​ und Wis­sen­schafts­sys­tem im Wesent­li­chen noch immer nach den Prin­zi­pien des Indus­trie­zeit­al­ters des 18. und 19. Jahr­hun­derts: Wis­sens­pro­duk­tion, Wis­sens­er­werb, Wis­sens­ver­meh­rung durch intel­lek­tu­elle Arbeits­tei­lung. Die Frag­men­tie­rung der Wis­sens­land­schaft ist in den letz­ten Jahr­zehn­ten rasant vor­an­ge­schrit­ten. Im Jahr 2018 gab es etwa 42.500 aktive wis­sen­schaft­li­che Peer- Review-​ Zeit­schrif­ten, die zusam­men über drei Mil­lio­nen Arti­kel pro Jahr ver­öf­fent­lich­ten. Alle zehn Sekun­den erscheint ein wis­sen­schaft­li­cher Arti­kel.

Par­al­lel dazu ist die Welt immer kom­ple­xer gewor­den. Es scheint: Alles hängt mit allem zusam­men. Ein Schiffs­un­fall im Suez­ka­nal legt Fabri­ken in Europa lahm. Eine kranke Fle­der­maus auf einem chi­ne­si­schen Markt dürfte eine welt­weite Pan­de­mie ver­ur­sacht haben, die unser Sozi­al­ver­hal­ten auf den Kopf stellt, meh­rere Mil­lio­nen Todes­op­fer und enorme wirt­schaft­li­che Schä­den for­dert.

Fast ein Jahr­hun­dert, nach­dem Hei­sen­berg die Unschär­fe­re­la­tion for­mu­lierte und seine Theo­rie der Quan­ten­me­cha­nik die Para­dig­men der Phy­sik und sogar der Phi­lo­so­phie gebro­chen hat, sind wir immer noch gewohnt, weit­ge­hend in iso­lier­ten dis­zi­pli­nä­ren Silos mit frag­men­tier­tem Wis­sen nach linea­ren Kau­sa­li­täts­mus­tern zu argu­men­tie­ren und zu han­deln.

Wäh­rend die gesell­schaft­li­chen, poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten gleich­zei­tig von der Kom­ple­xi­tät einer wach­sen­den Zahl und in ihren Wech­sel­wir­kun­gen immer unüber­sicht­li­cher wer­den­den Fak­to­ren bestimmt wer­den, ver­su­chen Poli­tik und Wirt­schaft ver­zwei­felt, die lineare Gestal­tungs­lo­gik des Indus­trie­zeit­al­ters auf­recht­zu­er­hal­ten.

Bil­dung und Wis­sen­schaft ori­en­tie­ren sich am Para­digma eines Erkennt­nis­fort­schritts, der pri­mär inner­halb von Dis­zi­pli­nen oder sub­dis­zi­pli­nä­ren Nischen defi­niert und anhand von quan­ti­ta­ti­ven biblio­me­tri­schen Indi­ka­to­ren gemes­sen wird. Dass kom­plexe Wir­kungs­me­cha­nis­men immer öfter die Gren­zen einer wis­sen­schaft­li­chen Dis­zi­plin über­schrei­ten, wird in unse­rem Bildungs-​ und Wis­sen­schafts­sys­tem weit­ge­hend aus­ge­blen­det.

Schon 2009 hat der European Rese­arch Area Board einen Para­dig­men­wech­sel im Den­ken und in der Rolle der Wis­sen­schaft gefor­dert: Ein neues „holis­ti­sches Den­ken“ sei not­wen­dig, Wis­sen­schaft und For­schung soll­ten „mehr auf die sys­te­mi­schen Effekte ach­ten als auf die engen Ziele“. „Pre­pa­ring Europe for a New Renais­sance“ war der bemer­kens­werte Titel des Berichts.3

Der Inter­na­tio­nal Sci­ence Coun­cil, ein Dach­ver­band der pro­mi­nen­tes­ten For­schungs­or­ga­ni­sa­tio­nen aus der gan­zen Welt, wie z.B. die Deut­sche For­schungs­ge­mein­schaft, der FWF, die Royal Swe­dish Aca­demy of Sci­en­ces, die Schwei­ze­ri­sche Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, die US Natio­nal Aca­demy of Sci­en­ces, die Bri­tish Aca­demy, hat 2021 einen Bericht ver­öf­fent­licht, in dem er die Not­wen­dig­keit betont, „Inno­va­tion durch dis­zi­plin­über­grei­fende Zusam­men­ar­beit anzu­re­gen“. Man müsse „die gegen­wär­ti­gen glo­ba­len Her­aus­for­de­run­gen als mit­ein­an­der ver­floch­tene natür­li­che und soziale Pro­bleme ver­ste­hen und gestal­ten und daher den Sozial-​ und Geis­tes­wis­sen­schaf­ten sowie der Kunst eine her­aus­ra­gende Füh­rungs­rolle zuwei­sen, ohne die wich­ti­gen Bei­träge der Natur­wis­sen­schaf­ten, der Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten und der Medi­zin zu negie­ren“.4

Bei all dem darf die so drin­gend gebo­tene Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät nicht gegen die Ver­tie­fung in den Dis­zi­pli­nen aus­ge­spielt wer­den. Der unbe­dingt not­wen­dige Blick über den Tel­ler­rand braucht ein star­kes dis­zi­pli­nä­res Rück­grat. Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät gelingt meist dort am bes­ten, wo exzel­lente Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter ihres jewei­li­gen Faches an gemein­sa­men fach­über­grei­fen­den Pro­jek­ten arbei­ten. Inter­dis­zi­pli­näre Struk­tu­ren bedür­fen – meist in Form eines ite­ra­ti­ven Pro­zes­ses – immer wie­der des Rück­griff s auf die Exzel­lenz in den Dis­zi­pli­nen. Wie der Deut­sche Wis­sen­schafts­rat daher zu Recht betont, sind Dis­zi­pli­na­ri­tät und Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät zugleich kon­sti­tu­tive Ele­mente des moder­nen Wis­sen­schafts­sys­tems.5 „Dis­zi­pli­näre und inter­dis­zi­pli­näre Ansätze kön­nen glei­cher­ma­ßen sach­ge­recht sein und sind daher grund­sätz­lich gleich­wer­tig.“

Es ist in der Tat bemer­kens­wert, dass her­aus­ra­gende Insti­tu­tio­nen des glo­ba­len For­schungs­sys­tems einen Wan­del der Wis­sen­schafts­kul­tu­ren ein­for­dern, weil „das Wis­sen­schafts­sys­tem der­zeit nicht so orga­ni­siert und moti­viert ist, dass Wis­sen­schaft­ler effek­tiv dazu bei­tra­gen kön­nen, Ant­wor­ten auf glo­bale exis­ten­zi­elle Bedro­hun­gen zu fin­den und umzu­set­zen“.6

Die Erkennt­nis, dass wir den drän­gen­den glo­ba­len Her­aus­for­de­run­gen nicht mit „more of the same“ begeg­nen kön­nen, son­dern dass wir in For­schung und Lehre die business-​as-usual-Ansätze ver­las­sen müs­sen, scheint an Boden zu gewin­nen.

Am Ende des 20. Jahr­hun­derts wurde der klas­si­sche Kanon der Kul­tur­tech­ni­ken – Spre­chen, Lesen, Schrei­ben und Rech­nen – durch die Fähig­keit zur digi­ta­len Arti­ku­la­tion und Kom­mu­ni­ka­tion ergänzt. Alle, die diese Fähig­keit nicht beherrsch­ten, wur­den als digi­tale Analpha­be­ten mit sozia­ler Aus­gren­zung bestraft und hat­ten signi­fi­kante Nach­teile am Arbeits­markt zu erlei­den.

Jetzt muss die­ser Kanon der Kul­tur­tech­ni­ken neu­er­lich erwei­tert wer­den.

Die Ver­meh­rung des Wis­sens in den ein­zel­nen Spe­zi­al­dis­zi­pli­nen wird wie gesagt wei­ter unver­zicht­bar sein, aber zusätz­lich muss unser Bil­dungs­sys­tem die Kom­pe­tenz zur Ver­net­zung von Wis­sen ver­stär­ken – auf einer Ebene, die mit Algo­rith­men (noch) nicht erreich­bar ist und deren Ziel­rich­tung bereits das gel­tende Uni­ver­si­täts­ge­setz vor­gibt: „Die Uni­ver­si­tä­ten sind beru­fen, der wis­sen­schaft­li­chen For­schung und Lehre, der Ent­wick­lung und der Erschlie­ßung der Künste sowie der Lehre der Kunst zu die­nen und hie­durch auch ver­ant­wort­lich zur Lösung der Pro­bleme des Men­schen sowie zur gedeih­li­chen Ent­wick­lung der Gesell­schaft und der natür­li­chen Umwelt bei­zu­tra­gen.“

Es ist hoch an der Zeit, der krea­ti­ven Syn­these von Wis­sen nun min­des­tens ebenso große Wich­tig­keit in unse­rem Bildungs-​ und For­schungs­sys­tem zuzu­er­ken­nen wie der Ver­meh­rung des Wis­sens. Unge­wöhn­li­che Ver­bin­dun­gen her­stel­len, Per­spek­ti­ven wech­seln, mit Unge­wiss­heit, Unvor­her­seh­bar­keit und Mehr­deu­tig­keit arbei­ten; des­halb brau­chen wir auch das Alpha­bet der Kunst im Pro­zess gesell­schaft­li­cher Inno­va­tio­nen in Zei­ten radi­ka­ler Umbrü­che. 

1 Bau­man, Zyg­munt (2011), Liquid modern chal­len­ges to edu­ca­tion, Lec­ture given at the Coim­bra Group Annual Con­fe­rence – Padova, 26 May 2011

2 Bau­man, Zyg­munt (2000), Liquid Moder­nity, Polity Press, Cam­bridge, UK

3 European Com­mis­sion (2009), Pre­pa­ring Europe for a New Renais­sance, A Stra­te­gic View of the European Rese­arch Area

4 Inter­na­tio­nal Sci­ence Coun­cil (2021), Unlea­shing Sci­ence: Deli­vering Mis­si­ons for Sus­tai­na­bi­lity, S. 33

5 Deut­scher Wis­sen­schafts­rat (2020), Wis­sen­schaft im Span­nungs­feld von Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät und Dis­zi­pli­na­ri­tät – Posi­ti­ons­pa­pier, S. 47 f

6 Inter­na­tio­nal Sci­ence Coun­cil (2021), Unlea­shing Sci­ence: Deli­vering Mis­si­ons for Sus­tai­na­bi­lity, S. 17  

Von Gerald Bast & Meinhard Lukas
Campus Ausgabe 3/2022

„Wir erklären Kindern Wissen­schaft, damit wir sie selbst besser verstehen“

Der Zir­kus des Wis­sens schafft an der JKU einen ganz beson­de­ren Ort, an dem Wis­sen­schaft durch Thea­ter auf ganz andere Art auf ein ganz ande­res und jun­ges Publi­kum trifft. Zir­kus­di­rek­tor Airan Berg über seine Auf­ga­ben in der Manege, den Zir­kus namens Leben und den Zau­ber von Wis­sen.

Von Peter Grubmüller
Das Schloss Auhof mit dem Zirkus des Wissens.
Wissen Ausgabe 3/2022

Unord­nung

Wie ent­steht aus Chaos Struk­tur? In der Theo­re­ti­schen Phy­sik ver­bin­det diese Frage so unter­schied­li­che The­men wie Tsu­na­mi­wel­len und Kome­ten­schweife. JKU-​Professor Tobias Kra­mer räumt hier ganz schön auf, und zwar mit Gra­fik­kar­ten.

Von Benjamin Breitegger
Hintergrund Ausgabe 3/2022

Bis hierher und nicht weiter

Unser Immun­sys­tem wirft alles raus, was uns poten­zi­ell scha­den kann. Damit das funk­tio­niert, muss es ganz schön viele Stel­len koor­di­nie­ren.

Von Marlene Erhart
Ypsilon
Nathanya Queby Satriani
Visionen Ausgabe 3/2022

Somium - der Traum von Wissen­schaft

Wovon träume ich? Das ist die Frage die­ser Kolumne. Dabei möchte ich eigent­lich auf­hö­ren zu träu­men. Ich möchte nicht län­ger nur davon träu­men, dass es uns gelingt, der Kli­ma­krise ernst­hafte Ant­wor­ten ent­ge­gen­zu­hal­ten. Ich möchte nicht wei­ter davon träu­men, wie meine Hei­mat Indo­ne­sien aus­sieht, wenn die Fol­gen der Kli­ma­ka­ta­stro­phe nicht schon so spür­bar wer­den. Ein Land ohne Dür­ren und Über­flu­tun­gen, ohne Erd­rut­sche, Wir­bel­stürme und Hit­ze­wel­len. Den Fol­gen des Alb­traums, den wir als Men­schen durch unser rück­sichts­lo­ses Ver­hal­ten im Umgang mit unse­rem Pla­ne­ten selbst erzeugt haben.

Träume hin­dern Men­schen auch oft genug daran, zu tun. Wir träu­men von einer bes­se­ren Welt, von einem schö­ne­ren Mor­gen. Aber im Heute und ohne Traum tun wir dann oft viel zu wenig. Ich wollte schon als Kind ver­ste­hen, warum das so ist: Warum viele Men­schen so gro­ßen Träu­men so kleine Taten fol­gen las­sen. Ich habe mich mit Phi­lo­so­phie und Psy­cho­lo­gie beschäf­tigt. Über Neu­ro­wis­sen­schaf­ten bin ich jetzt im Stu­dium der Künst­li­chen Intel­li­genz gelan­det. So habe ich bei einem Hacka­thon ein Spiel ent­wi­ckelt – mit dem Men­schen nicht Poke­mons auf ihrem Handy fan­gen, son­dern ihren Müll in den rich­ti­gen Müll­ei­mer brin­gen. Reicht das? Nein. Das tut es nicht. Nicht für den Pla­ne­ten. Nicht für mich. Nicht für unsere Gesell­schaf­ten und nicht für meine Hei­mat Indo­ne­sien. Und es reicht auch des­halb nicht, weil diese Her­aus­for­de­rung nicht von einem oder einer alleine gelöst wer­den wird. Die­sen Traum von einem bes­se­ren Mor­gen kön­nen wir nur leben, wenn aus dem Traum von vie­len die Aktion von vie­len wird.

In den letz­ten bei­den Jah­ren habe ich durch die Corona-​ Krise gelernt, wie schwer es ist, wenn wir uns nicht sehen dür­fen und trotz­dem zusam­men­ar­bei­ten müs­sen. Ich träume davon, dass wir die Ant­wor­ten gemein­sam ent­wi­ckeln. Mit Freude. Mit Lachen. Mit dem Opti­mis­mus der vie­len. Ein Bau­stein auf die­sem Weg wird die Fes­ti­val Uni­ver­sity an der Johan­nes Kep­ler Uni­ver­si­tät in Linz sein. Im Rah­men des Ars Elec­tro­nica Fes­ti­vals tref­fen sich hier 200 junge Men­schen aus der gan­zen Welt und set­zen sich vier Wochen lang mit den gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen, den gro­ßen Alb träu­men und den Ant­wor­ten unse­rer Zeit aus­ein­an­der. Mein Name ist Nathanya. Ich bin 21 Jahre alt. Und ich möchte ein Teil der Genera­tion sein, die auf­hört zu träu­men und anfängt zu ant­wor­ten.

Die Wis­sen­schaft, dar­über kann es keine zwei Mei­nun­gen geben, ist eine auf­re­gende Sache. In jeder Aus­gabe wid­men wir ihr des­halb die letz­ten Zei­len. Die­ses Mal haben wir mit Nathanya Queby Satriani, AI-​Studentin und Teil­neh­me­rin der dies­jäh­ri­gen Fes­ti­val Uni­ver­sity, gespro­chen.  

Kepler Salon Ausgabe 3/2022

„Mitwelt“ statt „Umwelt“

Ein Denk­an­stoß zum „wording“ in der Kli­ma­krise

Von Thomas Mohrs
(c) Dieter Decker
(c) Theresa Korherr
Kepler Salon Ausgabe 3/2022

Am Anfang steht Ansfelden.

Am Anfang steht Ans­fel­den, nicht Städte wie Bonn, Ham­burg oder Wien. Die Welt­haupt­stadt der Musik war Anzie­hungs­ort und oft End­punkt für Klang­schaf­fende. Der junge Lud­wig van Beet­ho­ven kam aus Bonn, um bei Wolf­gang Amadé Mozart in Wien in die Lehre zu gehen. Der hatte gerade keine Zeit für ihn. Als Beet­ho­ven wie­der­kehrte und blieb, war Mozart schon tot. So nahm er bei Joseph Haydn Unter­richt. 1872 über­sie­delte der in der Han­se­stadt Ham­burg gebo­rene Johan­nes Brahms für sein letz­tes Lebens­vier­tel­jahr­hun­dert nach Wien, wo er 1897 knapp ein hal­bes Jahr nach Anton Bruck­ner starb. Gestor­ben sind sie alle in Wien, die gro­ßen Män­ner der ver­gan­ge­nen Musik­ge­schichte. Das hat sich geän­dert, wie Kom­po­nis­tin­nen viel zu lang­sam, aber sicher mehr Rolle spie­len, wenn auch die Musik in der Gesell­schaft eine ganz andere.

Aber zurück zum Anfang und Ans­fel­den. Am 4..Sep­tem­ber.1824 wird dort Anton Bruck­ner als ers­tes von elf Kin­dern – von denen fünf über­le­ben. – gebo­ren. Als Sohn von The­re­sia (1801–1860) und Anton Bruck­ner (1791–1837), der als Schul­leh­rer und Kir­chen­mu­si­ker in Ans­fel­den tätig war. Anton Bruck­ner kommt vom Land, das er und das ihn nie ver­ließ, selbst als er seine letz­ten Lebens­jahr­zehnte in der Donau­me­tro­pole Wien ver­bracht hat. Wenige Kom­po­nis­ten von Welt­rang kom­men aus länd­li­chem Umfeld. Hier ereig­nete sich Bruck­ner zwi­schen Kyrie rufen und Land­ler­schrit­ten, Tanz­bo­den und Kirch­tür­men, Hügeln und Wäl­dern. Wer hört, der kann es hören. Eigen war er ganz gewiss. Bruck­ner gehört zu uns, gehört uns aber nicht. Seine Musik gehört der gan­zen Welt, wird in der gan­zen Welt gespielt und gehört. Bruck­ner ist mehr als Ober­ös­ter­reich, von wo er auf­brach. Er ist Welt, aber er kommt von die­sem Land, die­sem Ort: „Locus iste“ – was nichts ande­res heißt als „Die­ser Ort“ – sind die Anfangs­worte der latei­ni­schen Motette für vier­stim­mi­gen gemisch­ten Chor, die zu Bruck­ners Welt­hits zählt.

Die Sorge von Bruck­ners Vater für die Kir­chen­mu­sik des Orts galt früh dem musi­ka­li­schen Sohn. Viel­leicht, weil es sich so gehört hat. Sein Feuer wurde ange­zün­det, die Blas­bälge der Ans­feld­ner Orgel sorg­ten für reich­li­che Sauer­stoff­zu­fuhr. Die Orgel ist der Ort, an dem Bruck­ner sein Hand­werk anzu­le­gen beginnt. Über dem Hügel lag Sankt Flo­rian, es liegt dort immer noch, wie der Ent­fachte selbst unter sei­ner Orgel. Das Stift war für den blut­jun­gen Bruck­ner, wo er nach dem frü­hen Tod sei­nes Vaters Sän­ger­knabe wird, eine frühe Ahnung von einer ganz ande­ren Dimen­sion. (Eine Vor­ah­nung hat er wohl schon in Ans­fel­den erfah­ren. Der statt­li­che Pfarr­hof wurde –.wie das Stift – vom Barock­bau­meis­ter Carlo Anto­nio Car­lone erbaut, in dem die Pröbste von St. Flo­rian ihre Som­mer­fri­sche ver­brach­ten.) Die Tra­di­tion, der Kir­chen­raum expan­diert sein Vor­stel­lungs­ver­mö­gen. Bis heute staunt man über die Aus­maße des Stifts. Eine Groß­mäch­tig­keit, die durch­aus Ein­schüch­tern­des an sich hat und im bes­ten Fall Demut aus­zu­lö­sen ver­mag. In den Wei­ten und Engen des sakra­len Gehäu­ses wächst Bruck­ner heran. Und nicht nur das, die­ser steht auf dem Land, auf der grü­nen Wiese, nahe der grö­ße­ren Stadt Linz, die damals noch klei­ner und viel fer­ner war als heute.

Bruck­ner geht nach Linz, wird Dom­or­ga­nist. Im Lin­zer Thea­ter hört er Wag­ners „Tann­häu­ser“. Die­ses Ereig­nis wird ihm zum Erwe­ckungs­er­leb­nis, „gibt“ ihm die Erlaub­nis zum Eige­nen. Der Aus­bruch ist im Gange. Er sorgt selbst unab­läs­sig dafür. Hätte er nicht ein ewi­ger und unver­ges­se­ner Kir­chen­mu­si­ker blei­ben kön­nen? Ein welt­be­rühm­ter Orgel­im­pro­vi­sa­tor, der in Nancy, Paris und Lon­don im Klang­rausch Tau­sende Men­schen erobert. Mit über vier­zig Jah­ren bricht er end­gül­tig aus, um lebens­lang wie­der und wie­der aus­zu­bre­chen, auch aus dem Kir­chen­raum. Er fin­det sich und seine Spra­che im welt­li­chen Form­ge­lände der Sin­fo­nie. Sin­fo­nie­skulp­tu­ren von exzes­si­ven for­ma­len und tona­len Dimen­sio­nen, die wie fremd­ar­tige, unver­ständ­li­che Meteo­ri­ten ein­schla­gen. Sie sind ange­bun­den an die Tra­di­tion und bli­cken weit über die Hori­zonte zum Avant­gar­dis­ti­schen hin. Sie erzäh­len keine Ich-​Geschichten, son­dern schla­gen einen trans­per­so­na­len Raum auf. Erst mit der „Sieb­ten“ kann er im Alter von sech­zig Jah­ren einen ers­ten gro­ßen Erfolg in Leip­zig und Mün­chen fei­ern. Alles hat seine Gren­zen. Nur nicht Bruck­ner. „Er ist jen­seits“, drückt es sein Wie­ner Gegen­spie­ler Johan­nes Brahms aus. „Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fun­da­ment ver­wei­len“, ist ein Aus­spruch, der Bruck­ner in die Schuhe gescho­ben wird. Wenn­gleich des­sen Urhe­ber­schaft eine Unter­stel­lung zu sein scheint, gilt die­ser schöne Satz für Bruck­ners Schaf­fen in beson­de­rem Maße. Oben­drein wird die­ser Satz ebenso Aris­to­te­les ange­dich­tet. Für die­sen Fall ist er schon gut 2.100 J a h r e vor Bruck­ners Geburt gefal­len.

Der Zwei­fel fei­ert in unse­ren Tagen nicht unbe­dingt Hoch­feste. Oft und laut­stark etwas zu ver­kün­den, reicht oft als Wahr­heit aus. Etwas zu hin­ter­fra­gen, heißt nicht gleich, miss­trau­isch durch die Welt zu gehen. So sind viele Kli­schees und Wahr­hei­ten rund um Bruck­ner in Zwei­fel zu zie­hen. Er war gewiss ein from­mer Mann, aber kein Musi­kant Got­tes. Er ist in sei­ner Ambi­va­lenz und schein­ba­ren Wider­sprüch­lich­keit schwer zu fas­sen.

Wer sich mit dem Men­schen Bruck­ner befasst, muss sich aus­ein­an­der­set­zen, stößt auf Kri­sen, Zwei­fel und Beharr­lich­keit. Dies gilt auch für die Auf­füh­rungs­ge­schichte sei­nes Werks, in die sich zu oft epi­sche Brei­ten, Pathos und viel Weih­rauch imprä­gniert haben, ohne am Papier, in der Par­ti­tur wirk­lich mani­fest zu sein. Der Par­ti­tur auf der Spur zu sein, heißt in dem Sinn nichts ande­res, als Fra­gen zu stel­len. Die Ant­wor­ten dar­auf wer­den nicht weni­ger viel­fäl­tig aus­fal­len, denn letzt­lich ent­schei­det die Inter­pre­tin, der Inter­pret, was zumin­dest für den Moment des Erklin­gens wahr ist. Bruck­ner beherrschte sein kom­po­si­to­ri­sches Hand­werk wie wenige im 19. Jahr­hun­dert und begriff sich im Fluss der Musik­ge­schichte. Seine sin­gu­läre Musik zeugt vom Blick eines Avantgarde-​ Schaf­fen­den, der die Zukunft vor­aus­hört. Eine andere künst­le­ri­sche Per­spek­tive ein­nimmt als die meis­ten sei­ner Zeit­ge­nos­sen. Was Unver­ständ­nis her­auf­be­schwö­ren musste.

Fas­zi­nie­rend an sei­ner Musik ist, dass sie einem nicht ent­ge­gen­kommt. Es ist Musik, die offen ist, in die und der man sich bewe­gen, „rein­ge­hen“ kann, durch alle Poren der Klänge ein­drin­gen kann. Es ist keine Anbie­de­rungs­mu­sik. Was für eine Chance unse­rer Tage, den Flug­mo­dus unse­rer Mobil­te­le­fone in einen Hör­mo­dus zu trans­for­mie­ren und in den „Space“ der Klang­welt von Anton Bruck­ner ein-, viel­leicht auch abzu­tau­chen. Es ist eine Erfah­rung, die mehr als nur drei Minu­ten Dauer garan­tiert, man kann sich darin gesi­chert für min­des­tens eine Stunde ein­fin­den. Die Sin­fo­nien dau­ern bis zu 90 Minu­ten, was für eine geschenkte Zeit! „Wo ihr unüber­steig­li­che Schran­ken gesetzt sind, da beginnt das Reich der Kunst, wel­ches das aus­zu­drü­cken ver­mag, was allem Wis­sen ver­schlos­sen bleibt.

Ich beuge mich vor dem ehe­ma­li­gen Unter­leh­rer von Wind­haag“, sagt Adolf Exner, der Rek­tor der Wie­ner Uni­ver­si­tät, anläss­lich der Ver­lei­hung des Ehren­dok­to­rats an Anton Bruck­ner im Jahre 1891. Ich denke an „Das Lied von der Wirk­lich­keit“ von Georg Kreis­ler, in dem es heißt: „In der Wirk­lich­keit gibt’s nie Beweise, denn die Wirk­lich­keit, die ist wahr. Kommt mit mir auf eine wahre Reise vol­ler Traum und ohne Kom­men­tar. In der Wirk­lich­keit sind die Träume, die kein Phy­si­ker je beschreibt. Kommt mit mir in meine Zwi­schen­räume, wo kein Mensch die Wahr­heit über­treibt.“ Kreis­ler würde heuer sei­nen 100. Geburts­tag fei­ern. 2024 begeht Bruck­ner sei­nen 200. Geburts­tag. Zwei­fel­los eine gute Gele­gen­heit, uns mit ihm und uns aus­ein­an­der­zu­set­zen, uns in die Zwi­schen­räume zu bege­ben, dort, wo Nähe und Wirk­lich­keit statt­fin­den kön­nen. Nähe. Schon die Kürze des Worts lässt kaum Raum zur Distanz. Zei­ten der Unsi­cher­heit räu­men uns das Recht zum Zwei­fel min­des­tens so ein wie die Besin­nung dar­auf. Die Kunst legt uns das Mensch­li­che, das Mög­li­che nahe. Sie erin­nert uns daran, sie kann uns näher­brin­gen. Bruck­ner macht es uns mög­lich. „Fan­ta­sie ist nichts für die Exper­ten, die das Leben fürch­ten und den Tod“, so Georg Kreis­ler und mehr als ein Grund zum Fei­ern!

Von Norbert Trawöger