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Ausgabe 4/2021
Ein Student
Kommentar Ausgabe 4/2021

Starke Gefühle

Bes­ser kann es erst dann wer­den, wenn wir wie­der ein­an­der begeg­nen, fin­det Vea Kai­ser. Der angeb­li­che Genera­tio­nen­kon­flikt sei näm­lich die Äuße­rung eines viel tie­fer lie­gen­den Pro­blems.

Von Vea Kaiser
Im Gespräch Ausgabe 4/2021

Wollen doch nicht alle Jungen die Welt retten, Herr Schnetzer?

Simon Schnet­zer ist einer der renom­mier­tes­ten Jugend­for­scher im deutsch­spra­chi­gen Raum. Ein Gespräch über das Nicht­ge­hört­wer­den, den stil­len Pro­test und warum
nicht jede*r Influ­en­cer*in wer­den möchte.

Von Meinhard Lukas, Martina Bachler
Impressionen aus einer Wohngemeinschaft
WG
Campus Ausgabe 4/2021

Hey, WG

Wer sind diese jun­gen Men­schen, über die immer so viel gere­det wird? Was ist ihnen wich­tig, wor­über den­ken sie nach und wis­sen die über­haupt noch, dass man mit einem Tele­fon auch jeman­den anru­fen kann? Höchste Zeit, das alles mal zu klä­ren. Also haben wir zwei Lin­zer WGs gefragt: Dür­fen wir rein­kom­men?

Von Christoph Wagner
Hintergrund Ausgabe 4/2021

Alles nicht so einfach

Wäre das nicht eine her­vor­ra­gende Idee? Alle Arbeits­su­chen­den neh­men und sie in jene Jobs umschu­len, die gerade benö­tigt wer­den? Auf alle Fälle, aber es gibt da einen Haken.

Von Markus Zottler
WG
Angewandte
Im Gespräch Ausgabe 4/2021

Was heißt studieren?

In den heu­ti­gen euro­päi­schen Uni­ver­si­tä­ten ist Welt­ver­bes­se­rung ange­sagt. Bei­nahe wäre diese schon ein Stu­di­en­gang. Wuchern­der Kapi­ta­lis­mus, Öko­lo­gie, Post­ko­lo­nia­lis­mus, Femi­nis­mus, das sind einige der Pro­bleme, die unter Welt­ver­bes­se­rung behan­delt wer­den. Inzwi­schen ist in vie­len euro­päi­schen Län­dern Gesetz, dass außer­eu­ro­päi­sche Stu­den­ten höhere Stu­di­en­ge­büh­ren zah­len müs­sen. Da wird nicht mit Welt­ver­bes­se­rung argu­men­tiert, son­dern mit natio­na­lem Steu­er­haus­halt. Geist und Mate­rie las­sen sich schein­bar nicht so ein­fach mit gutem Wil­len ver­söh­nen.

In der Ankün­di­gung von Welt­ver­bes­se­rung als Zweck eines Stu­di­ums liegt ein Kurz­schluss. Denn man könnte ja auch genau all diese Pro­blem e ins Auge fas­sen, ohne über­haupt zu wis­sen, wie sie zu for­mu­lie­ren sind, wie damit umzu­ge­hen, was zu tun ist.

Poin­tier­ter gesagt: Nur wenn kein Zweck ihm vor­ge­schrie­ben ist, kann ein Pro­blem über­haupt als Pro­blem zutage kom­men, befragt und gedacht wer­den. Nur wenn man end­lich der Phi­lo­so­phie den Kopf abschnei­det, sie von ihrer Anma­ßung, das „Gute“ vor­zu­schrei­ben, los­löst, kann wirk­lich expe­ri­men­tiert wer­den, was ein ganz ande­res Den­ken sei, hieß es in der Zeit­schrift „Acéphale“ (Kopf­los), die in den drei­ßi­ger Jah­ren von Bataille, Klos­sow­ski und Ambro­sini gegrün­det wurde. Das Bild auf dem Titel­blatt, von André Mas­son gemalt, war eine Repro­duk­tion von Da Vin­cis „Vitru­via­ni­schem Men­schen“, aber ohne Kopf und mit einem Toten­kopf anstelle der Geschlechts­teile.

Uni­ver­si­tät bil­det selbst immer eine in sich gespal­tene Wirk­lich­keit. Als Insti­tu­tion ver­fällt sie not­wen­dig dem Uni­ver­si­täts­dis­kurs, der keine neu­tral e Instanz ist, son­dern die Kon­ti­nui­tät der pro­ble­ma­ti­schen gesell­schaft­li­chen Zustände repro­du­ziert, auf­recht­erhält. Ande­rer­seits aber kann das Stu­dium an der Uni­ver­si­tät diese rea­len Wider­sprü­che der Gesell­schaft als gemein­same Pro­bleme gestal­ten und erkun­den.

Sind die aktu­el­len trans­dis­zi­pli­nä­ren Bemü­hun­gen mehr als ein wei­te­rer Uni­ver­si­täts­dis­kurs? Dar­über ent­schei­det nicht der ange­ge­bene Zweck von Welt­ver­bes­se­rung, son­dern die Stu­den­ten. So Wal­ter Ben­ja­min 1914: „Es hätte diese Stu­den­ten­schaft die Uni­ver­si­tät, die den metho­di­schen Bestand des Wis­sens samt den vor­sich­ti­gen küh­nen und doch exak­ten Ver­su­chen neuer Metho­den mit­teilt, zu umge­ben, gleich­wie das undeut­li­che Wogen des Vol­kes den Palast eines Fürs­ten, als die Stätte der bestän­di­gen geis­ti­gen Revo­lu­tion, wo zuerst die neuen Fra­ge­stel­lun­gen weit­aus­grei­fen­der, unkla­rer, unex­ak­ter, aber manch­mal viel­leicht auch aus tie­fe­rer Ahnung, als die wis­sen­schaft­li­chen Fra­gen, sich vor­be­rei­ten. Die Stu­den­ten­schaft wäre in ihrer schöp­fe­ri­schen Funk­tion als der große Trans­for­ma­tor zu betrach­ten, der die neuen Ideen, die frü­her in der Kunst, frü­her im sozia­len Leben zu erwa­chen pfle­gen als in der Wis­sen­schaft, über­zu­lei­ten hätt e in wis­sen­schaft­li­che Fra­gen durch phi­lo­so­phi­sche Ein­stel­lung.“  

Von Antonia Birnbaum
Im Gespräch Ausgabe 4/2021

Inklu­sive Univer­si­täten?

In der Wirt­schaft rich­tet sich der Blick bereits seit lan­gem auf diverse Teams, auf Per­so­nen aus aller Welt, mit unter­schied­li­chen Hin­ter­grün­den, Erfah­run­gen und Exper­ti­sen, die gemein­sam Dia­log und Dis­kurs füh­ren, Ziele ent­schei­den und Auf­ga­ben­stel­lun­gen lösen, um in einer zuneh­mend kom­ple­xen und digi­ta­len Arbeits­welt zu bestehen. Wenn wir davon aus­ge­hen, dass Uni­ver­si­tä­ten die zukünf­ti­gen „Lea­der“ aus­bil­den, die einen Bei­trag zur Über­win­dung gro­ßer Her­aus­for­de­run­gen in einer glo­ba­li­sier­ten und vola­ti­len (Arbeits-​) Welt leis­ten sol­len, dann müs­sen Uni­ver­si­tä­ten auch die gesell­schaft­li­che Diver­si­tät wider­spie­geln.

Dies pas­siert momen­tan noch nicht. Wenn ich mich in mei­nen Kur­sen umsehe, beschränkt sich die Diver­si­tät vor­wie­gend auf Aus­tausch­stu­die­rende aus ande­ren euro­päi­schen Län­dern oder den USA und Kanada. Wo blei­ben aber die jun­gen Men­schen aus den größ­ten öster­rei­chi­schen Migrant*innen­grup­pen? Wie wer­den die Lebens­rea­li­tä­ten die­ser jun­gen Men­schen berück­sich­tigt?

Die feh­lende Diver­si­tät ist ein ver­nich­ten­des Urteil für die Rolle der Uni­ver­si­tä­ten als welt­off ene dis­kur­sive Insti­tu­tio­nen, die ver­su­chen, einer Genera­tion an jun­gen Leu­ten gerecht zu wer­den, wel­che mit Pro­ble­men kon­fron­tiert sind, die glo­bal (Kli­ma­krise), kom­plex (Digi­ta­li­sie­rung) und vola­til sind (Pan­de­mie). Die jun­gen Men­schen die­ser Genera­tion Z, also jene, die zwi­schen 1997 und 2010 zur Welt gekom­men sind, tra­gen die Fol­gen unse­rer Lebens­wei­sen und poli­ti­schen Wei­chen­stel­lun­gen der letz­ten Jahr­zehnte, wer­den aber – davon han­deln die ers­ten Sei­ten die­ser Aus­gabe der Kep­ler Tri­bune – in Ent­schei­dungs­pro­zesse kaum bis gar nicht ein­ge­bun­den. Umso mehr triff t das auf mar­gi­na­li­sierte Grup­pen zu.

Was bedeu­tet es aber, Inklu­sion im uni­ver­si­tä­ren Kon­text zu leben? Natür­lich ist die Uni­ver­si­tät im Bil­dungs­sys­tem nicht die erste Anlauf­stelle, wo das Thema Inklu­sion anzu­spre­chen ist, wie Melisa Erkurt in ihrem 2020 erschie­ne­nen Buch „Genera­tion Haram – Warum Schule ler­nen muss, allen eine Stimme zu geben“ schil­dert. Bil­dungs­chan­cen wer­den in Öster­reich zu einem gro­ßen Teil „ver­erbt“ und die Bil­dungs­mo­bi­li­tät zwi­schen den Genera­tio­nen ist schwach aus­ge­prägt.

Aber mit einem off enkun­di­gen und star­ken Fokus auf Inklu­sion von jun­gen Men­schen aus migran­ti­schen Com­mu­ni­tys, aus bil­dungs­fer­nen Ver­hält­nis­sen und sol­chen mit Flucht­hin­ter­grund kön­nen Uni­ver­si­tä­ten in ihrem Bil­dungs­auf­trag eine Lücke fül­len, die die Lebens­rea­li­tät jun­ger Men­schen in Öster­reich wider­spie­gelt. Sie kön­nen zur Aus­bil­dung von diver­sen Teams in der (Arbeits-​)Welt von mor­gen bei­tra­gen, die in der Lage sind, kom­plexe Her­aus­for­de­run­gen durch Krea­ti­vi­tät und unter­schied­li­che Lösungs­an­sätze zu meis­tern. Uni­ver­si­tä­ten neh­men ihren Aus­gangs­punkt im kri­ti­schen Dis­kurs des Ges­tern, des Heute und ins­be­son­dere des Mor­gen. Ihnen kommt der gesell­schaft­li­che Auf­trag und gleich­sam die ein­ma­lige Chance zu, die­sen Dis­kurs zukunfts­wei­send in Gang zu brin­gen und in Bewe­gung zu hal­ten – indem nicht über Diver­si­tät gere­det wird, son­dern Diver­si­tät selbst­ver­ständ­li­ches Ele­ment des gemein­sa­men For­schens, Leh­rens und Aufk lärens wird.

Von ALMINA BEŠIĆ
Tessa Sima
Ein Bild der digitalen Anatomie.
Wissen, Visionen, Campus Ausgabe 4/2021

Schicht für Schicht

Stel­len Sie sich vor, Sie könn­ten einen Men­schen ganz genau unter­su­chen – einen Blick unter die Haut wer­fen, Mus­keln frei­le­gen, sich die Kno­chen anse­hen. Und jetzt stel­len Sie sich vor, die Per­son, die Sie da gerade unter­su­chen, ist nicht ein­mal tot. Unmög­lich? Will­kom­men im JKU med­SPACE.

Wissen Ausgabe 4/2021

Vom Vergessen. Vom Erin­nern.

Ver­ges­sen begrei­fen wir meist als Makel, als etwas, was uns tun­lichst nicht pas­sie­ren sollte. Und in der Tat gibt es vie­les, was wir nicht ver­ges­sen (soll­ten). Unsere Geschichte zum Bei­spiel. Gleich­zei­tig ist es über­le­bens­wich­tig, sich nicht an alles zu erin­nern. Nur: Das ver­ges­sen wir manch­mal.

Von Judith Hecht
Der Student Christian Heubusch.
Die Studentin Lilli Linzner.
Hintergrund Ausgabe 4/2021

Im Kampf gegen die dunkle Seite der Tech­no­logie

Sie ver­mes­sen uns, sie kapi­ta­li­sie­ren uns, sie beschüt­zen unsere Daten zu wenig. Und wir neh­men es hin, machen mit und ent­wi­ckeln sogar Abhän­gig­kei­ten von den Tech-​Anbietern. Aber es gibt ver­schie­dene Wege, die aus die­sem Dilemma füh­ren könn­ten.

Von Alexandra Rotter
Hintergrund Ausgabe 4/2021

Unser Müll kennt keine Grenzen

Nicht jedes Müll­s­ackerl, das wir in die Tonne wer­fen, wird in Öster­reich ver­wer­tet. Statt­des­sen geht ein Teil unse­res Abfalls auf eine große Reise. Warum ist das so? Wo taucht er wie­der auf? Und ließe sich das viel­leicht sogar ver­hin­dern?
Eine Spu­ren­su­che.

Von Lisbeth Schröder
Müllberge in Rumänien.
Die Studentin Lisa Caligagan am Campus der JKU.
Visionen Ausgabe 4/2021

Somnium - Der Traum von Wissen­schaft

Schub­la­den sind ja etwas unglaub­lich Prak­ti­sches. Dank ihnen wis­sen wir immer genau, wo was hin­ge­hört: Die Socken kom­men in die linke Schub­lade im Schlaf­zim­mer, das Ess­be­steck in die rechte Schub­lade in der Küche. Auf­ma­chen, voll­quet­schen, zupres­sen. All es fer­tig ver­staut.

So toll sie unsere Woh­nun­gen auch ord­nen, so kom­pli­ziert wer­den sie, wenn wir über Men­schen spre­chen. „Meine Devise lau­tet, mich nicht in eine ein­zige Schub­lade ste­cken zu las­sen. Ich habe gelernt, dass meine Inter­es­sens­ge­biete – Kunst, Femi­nis­mus, Daten­vi­sua­li­sie­rung, Künst­li­che Intel­li­genz – gut koexis­tie­ren kön­nen und dass sich aus ihrer Ver­men­gung oft neue Pas­sio­nen und Mög­lich­kei­ten erge­ben“, sagt Lisa Cali­ga­gan. Die 26-​Jährige ist stu­den­ti­sche Mit­ar­bei­te­rin am LIT Rob­o­psy­cho­logy Lab, stu­diert Arti­fi­cial Intel­li­gence an der JKU und hat beim Ars Elec­tro­nic a Fes­ti­val, das im Sep­tem­ber an der JKU statt­ge­fun­den hat, ihr Pro­jekt „A Stu­dent’s Per­spec­tive“ prä­sen­tiert. Für ihre „LIT Linz Insti­tute of Tech­no­logy“ -​Einreichung hat sie sich an der Schnitt­menge zwi­schen Künst­li­cher Intel­li­genz und Kunst bewegt und eine klare gesell­schaft­li­che Bot­schaft trans­por­tiert: Stu­die­rend e brau­chen mehr Reprä­sen­ta­tion! Denn, so die JKU­le­rin, die Pan­de­mie habe ein­mal mehr deut­lich gemacht, wie sehr die Bedürf­nisse jun­ger Men­schen mar­gi­na­li­siert wer­den. Des­halb sam­melt e sie wäh­rend der Lock­downs Daten und visua­li­sierte sie mit­tels einer ganz klas­si­schen Stick­na­del in einer Daten­wolke. Ihre Ein­rei­chung erzielte den gewünsch­ten Effekt: „Es gab eine enorme Reso­nanz und ich durfte viele span­nende Gesprä­che füh­ren. Da bin ich auf den Geschmack gekom­men und suche wei­ter nach Men­schen – vor allem AI-​Studierende wie mich –, die sich für eine uni­ver­si­täre Bil­dung ent­schie­den haben, weil sie etwas bewir­ken und sich hier nicht nur einen Titel für ihren Lebens­lauf abho­len möch­ten.“ Corona, sagt sie, sei ein dis­rup­ti­ver Moment gewe­sen. Jetzt gebe es Chan­cen für einen Neu­an­fang.

Und wie könnte der gelin­gen? „Indem wir uns alle als Teil­neh­mende einer gemein­sa­men Gesell­schaft iden­ti­fi­zie­ren und die Spal­tung zwi­schen Jung und Alt, Ent­schei­dungs­trä­ger* innen und Gebots­emp­fän­ger* innen auf­he­ben“, sagt Cali­ga­gan. Weg mit den Schub­la­den und den müf­feln­den Mot­ten­ku­geln. Die junge Wis­sen­schaft­le­rin ist sich sicher: Jetzt ist es an der Zeit, vor­herr­schende Struk­tu­ren zu hin­ter­fra­gen und aktiv nach ande­ren Mög­lich­kei­ten zu suchen.

Die Wis­sen­schaft, dar­über kann es keine zwei Mei­nun­gen geben, ist eine auf­re­gende Sache. In jeder Aus­gabe wid­men wir ihr des­halb die letz­ten Zei­len. Die­ses Mal haben wir mit Lisa Cali­ga­gan, Arti­fi­cial Intelligence-​Studentin an der JKU und Mit­ar­bei­te­rin am LIT Rob­o­psy­cho­logy Lab, gespro­chen.  

Kepler Salon Ausgabe 4/2021

Ich habe genug

Keine Negie­rungs­er­klä­rung von NOR­BERT TRA­WÖ­GER.

Eine Szene aus dem Kepler Salon.
Die Aussicht von einem Fenster.
Kepler Salon Ausgabe 4/2021

Selbst­be­stimmt fremd­be­stimmt

Noch nie galt dem Men­schen seine Auto­no­mie so viel wie zu unse­rer Zeit. Wer kann, hält sich mit Ver­bind­lich­keit zurück. Eine Ver­ab­re­dung zum Fami­li­en­tref­fen zum Wochen­ende? Hängt davon ab, wie das Wet­ter wird. Könnte sein, dass ein Mountainbike-​ Trail dann attrak­ti­ver ist als Kaf­fee und Kuchen mit den Bluts­ver­wand­ten. Eine Abend­ver­an­stal­tung im beruf­li­chen Kon­text? Anmel­dung ja, aber wenn mir kurz­fris­tig was ande­res wich­tig ist, muss ich mich doch nicht hin­quä­len. Pech für den Ver­an­stal­ter. Die Selbst­be­stim­mung wird zum klei­nen Haus­al­tar. Auf dem man sich in der Regel selbst beweih­räu­chert. Das ver­schiebt gesell­schaft­lich einige bis­her gül­tige Gren­zen.

Bana­les Bei­spiel: Durch die Pan­de­mie mit ihren Haus­ar­res­ten ver­stärkte sich der Wunsch, ins Grüne zu wech­seln. An sich kein Pro­blem, wären da nicht einige beson­dere Ver­hal­tens­wei­sen. Ein Jäger ent­deckte auf der Suche nach sei­nem Reh­wild biwa­kie­rende Zeit­ge­nos­sen im Wald. Die Tiere hat­ten ange­sichts der Ein­dring­linge das Weite gesucht. Diese suchen das Beson­dere, selbst­ver­ständ­lich für sich selbst. Ersucht die Wald­auf­sicht Wan­de­rer, Rad­fah­rer oder Wald­ba­der, auf den aus­ge­wie­se­nen Wegen und Flä­chen zu blei­ben, sind sie vor tät­li­chen Über­grif­fen nicht mehr sicher. Was man als All­ge­mein­gut sieht, defi­niert das Indi­vi­duum. Solange es sich um den Besitz der ande­ren han­delt, ver­steht sich. Der inva­sive Zugang in die Sphä­ren ande­rer erspart sich die Mühe des Aus­han­delns, Abglei­chens, Ver­ein­ba­rens. „Das steht mir zu“, wiegt schwe­rer. Die Frage, woher sich diese Gewiss­heit ablei­tet, kennt nur den kur­zen Weg zu sich zurück. „Weil es meine Frei­heit ist.“ Mag sein, dass wir im Pen­del­schlag der mensch­li­chen Ent­wick­lungs­ge­schichte gerade an jenem Pol sind, der den über Jahr­hun­derte gepfleg­ten Unter­ord­nun­gen des Ein­zel­nen unter das Gemein­same gegen­über­liegt. Wir haben gelernt, „ich“ zu sagen, und das machen wir gera­dezu blind­wü­tig.

Schon vor Jah­ren ortete die Sozial wis­sen­schaft­le­rin Mari­anne Gro­ne­meyer eine „ange­strengte Dies­sei­tig­keit“. Die Men­schen, so ihre These, hät­ten nach Auf­gabe des Trans zen­den­ten, nach dem Ende der Hoff­nung auf ein – mög­li­cher­weise sogar bes­se­res – Wei­ter­le­ben nach dem Tod, das Leben als letzte Gele­gen­heit begrif­fen. Was immer mög­lich sei, müsse man her­aus­ho­len, denn nichts kommt wie­der. So sei der Drang, manch­mal sogar der Zwang ent­stan­den, in die lächer­lich kur­zen Lebens­jahre alles zu packen, was es zu erle­ben gäbe. Gepaart mit dem Wunsch, sich von ande­ren zu unter­schei­den, zieht es Legio­nen von Indi­vi­dua­lis­ten zur Welt­reise mit Kin­dern oder auch bloß ins nächste Tattoo-​Studio. Wer etwas Beson­de­res erlebt oder auch nur hofft, es zu sein, braucht eine Bühne und braucht Publi­kum. Ohne das Echo, ohne Bei­fall, ohne Bewun­de­rung ist die Mühe der Unter­schei­dung mehr Plage als Lust­ge­winn. Welch ein Glück, dass in den ver­gan­ge­nen Jah­ren Social Media diese Bedürf­nisse schnell, ein­fach und quasi gra­tis befrie­digt. A sel­fie a day keeps depres­sion away. So weit, so bekannt. Doch an die­sem Punkt scheint sich die Geschichte nun zu dre­hen. Aus der ver­meint­li­chen Selbst­be­stim­mung wird de facto eine Fremd­be­stim­mung. Der Algo­rith­mus ist stär­ker als jedes Ich, er zwingt es in die Knie der Anbe­tung. Mit Likes und Kom­men­ta­ren wird gelenkt, was frei begon­nen hat. Auch das wäre noch kein Pro­blem, bliebe es eine pri­vate Nar­re­tei. Längst hat der Wunsch nach unein­ge­schränk­ter Indi­vi­dua­li­tät aber das Niveau einer kol­lek­ti­ven Täu­schung erreicht. In den Echo­kam­mern der Smart-​Phone- Wel­ten ent­ste­hen neue Glau­bens­ge­mein­schaf­ten. Sie zeich­nen sich dadurch aus, dass sie dem Ein­zel­nen Selbst­be­stim­mung sug­ge­rie­ren, längst aber zur Fremd­be­stim­mung gewor­den sind. Das ist gerade dort nichts ohne die ande­ren. Wem es gelingt, in der Welt der Kurz­nach­rich­ten und Video­trai­ler genü­gend Fol­lower an sich zu bin­den, der macht die bes­ten Geschäfte. Die Bot­schaf­ten müs­sen gefäl­lig genug, glaub­wür­dig nahe am Bauch­ge­fühl und auf­re­gend ein­fach sein. Es hat etwas von den Metho­den der längst in der Rum­pel­kam­mer der Geschichte depo­nier­ten Kir­chen. Ein­präg­same Bil­der, kurze Sprü­che, hero­en­hafte Pre­di­ger, eine anspre­chende Lit­ur­gie – das Hoch­amt der Fremd­be­stim­mung hat sich ein neues Gewand gesucht. Auch das wäre als kurio­ses Unter­hal­tungs­pro­gramm nicht wei­ter stö­rend. Doch die fremd­ge­steu­erte Selbst­be­stim­mung unse­rer Tage ist in ihrer sub­ti­len Form nicht zuletzt eine Gefähr­dung der Demo­kra­tie. Diese braucht infor­mierte Zeit­ge­nos­sen und sol­che, die im oft mühe­vol­len Abgleich von Inter­es­sen das Eigene und das Gemein­same ver­han­deln. Um das zu kön­nen, braucht es auch gemein­same Foren. Es braucht die Fähig­keit, nicht nur den eige­nen Gefüh­len oder Ver­mu­tun­gen zu fol­gen, son­dern sich auf einer Fak­ten­lage zu ver­stän­di­gen. Die Psych­ia­te­rin Adel­heid Kast­ner pro­vo­ziert die­ser Tage mit ihrem Buch über „Dumm­heit“. Auch wenn der Begriff nicht ein­deu­tig zu defi­nie­ren sei, könne man sagen, dass dumm ist, wer sich wider bes­sere Mög­lich­kei­ten nicht sei­nes Gehirns bediene. Das suche, so man es lasse, nach plau­si­blen Fak­ten und hielte sich nicht bei vor­läu­fi­gen Gefüh­len auf.

„Glaubst du an Corona?“, wurde ich vor kur­zem gefragt. Ich war per­plex und im Moment unfä­hig, eine adäquate Ant­wort zu geben. Kann man an Viren glau­ben oder nicht? Ist es ein Zei­chen von Selbst­be­stim­mung, die Erkennt­nisse der Wis­sen­schaft abzu­leh­nen und sich an Son­der­pre­di­gern zu ori­en­tie­ren? Wäh­rend mehr­fach über­prüfte wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nisse meist kol­la­bo­ra­tiv ent­ste­hen und daher auch nicht die Wis­sen­schaft­ler an sich in den Vor­der­grund stel­len, hal­ten sich die Glau­ben­den an ein­zelne Per­so­nen. An deren Glaub­wür­dig­keit machen sie ihre eige­nen Ent­schei­dun­gen fest. Was selbst­be­stimmt wirkt, ist ängst­li­ches Klam­mern. Auf das Gesamte eines Gemein­we­sens gese­hen, birgt das die Gefahr, wie­der Füh­rer und cha­ris­ma­ti­sche Mani­pu­la­to­ren an die Spitze zu brin­gen. Wer sei­nen Anhän­gern das Gefühl ver­mit­teln kann, tat­säch­lich anders als die ande­ren zu sein, vor allem aber klü­ger, bes­ser, schlauer, schöpft die Likes ab.

Fremd­be­stim­mung, die de facto Unter­wer­fung ist, unter­schei­det sich von jener, die sich not­wen­di­ger­weise aus dem Zusam­men­le­ben mit ande­ren ergibt. Sie ist eine soziale Tole­ranz, die erlernt wer­den kann. Wer aner­kennt, dass wir, weil wir Indi­vi­duen sind, unter­schied­li­che Inter­es­sen haben, und zwar gleich­wer­tig, schafft die Basis für die nächs­ten Schritte. Ent­ge­gen der Vor­stel­lung einer selbst­be­zo­ge­nen Auto­no­mie ent­steht Respekt für­ein­an­der nur, wo jeder auch von sich abse­hen kann. Zuhö­ren ist eine der Qua­li­tä­ten, die sich so aus­bil­den. Aus ihr folgt, dass der Geist beweg­lich wird, dass die Gefühle flie­ßend wer­den, das Wahr­neh­men einen grö­ße­ren Hori­zont als den eige­nen erschließt. Das Abtre­ten ego­is­ti­scher Inter­es­sen und Vor­teile im Inter­esse eines gemein­sa­men guten Lebens wirkt dann wie eine Ein­wil­li­gung in Fremd­be­stim­mung. Para­do­xer­weise ist aber gerade das ein Höchst­maß an Selbst­be­stim­mung. Der eigene Vor­teil kann wach­sen, wenn es auch der aller ande­ren tut. Im klas­si­schen Wirt­schafts­jar­gon heißt das „Win-​win-Situation“. Aber muss es immer Gewin­nen sein? Die Öko­no­mi­sie­rung aller Lebens­be­rei­che, ein­schließ­lich der pri­va­ten Lebens­füh­rung, hat ver­mut­lich den Blick dar­auf ver­stellt, dass wir in ers­ter Linie end­li­che und dadurch auch extrem ver­letz­li­che Lebe­we­sen sind. Erst in der Balance von Selbst­be­stim­mung und Fremd­be­stim­mung wird das erträg­lich. Wer das kleine Ego als Maß aller Dinge akzep­tiert, muss auch daran schei­tern.  

Von Christine Haiden