Zur JKU Startseite
Kepler Tribune
Was ist das?

Institute, Schools und andere Einrichtungen oder Angebote haben einen Webauftritt mit eigenen Inhalten und Menüs.

Um die Navigation zu erleichtern, ist hier erkennbar, wo man sich gerade befindet.

Die Welt aus dem Gleichgewicht.
Kommentar Ausgabe 3/2022

Another life is possible

Die Zukunft wirkt durch Dau­er­kri­sen wie eine ein­zige Kata­stro­phe und dass es schnell zurück in die gute alte Zeit gehen kann, glaubt seit dem Krieg in der Ukraine auch nie­mand mehr. So wie bis­her kön­nen wir aber nicht wei­ter­ma­chen. Das ahnen fast alle. Aber begrei­fen wir es auch? Ein Essay von Ste­phan Les­se­nich.

Von Stephan Lessenich
Kommentar Ausgabe 2/2022

Das große Taumeln

Der Angriffs­krieg Russ­lands erschüt­tert Europa. Man hätte es bes­ser wis­sen kön­nen. Viele Jahre haben wir Wohl­stand mit Demo­kra­tie ver­wech­selt und hat­ten kein Pro­blem mit illi­be­ra­len Poli­ti­kern. Nun erfah­ren wir schmerz­haft, dass es so nicht wei­ter­ge­hen kann. Ein Essay.

Von Claus Pándi
ILLUSTRATION: BETTINA WILLNAUER
Kommentar Ausgabe 1/2022

Aufwa­chen

Jah­re­lang bestimm­ten die gro­ßen Tech-​Konzerne aus den USA, wohin die Reise geht. Jetzt ist ihre Macht ange­zählt und China geht sowieso sei­nen eige­nen Weg. Nutzt Europa seine Chance?

Von Martina Bachler
Kommentar Ausgabe 4/2021

Starke Gefühle

Bes­ser kann es erst dann wer­den, wenn wir wie­der ein­an­der begeg­nen, fin­det Vea Kai­ser. Der angeb­li­che Genera­tio­nen­kon­flikt sei näm­lich die Äuße­rung eines viel tie­fer lie­gen­den Pro­blems.

Von Vea Kaiser
Ein Student
Ein Zitat aus dem Text von Journalist Harald Martenstein.
Kommentar Ausgabe 3/2021

Wider­sprüche, wohin man schaut

Gedan­ken von HARALD MAR­TEN­STEIN, warum wir die Welt gar nicht anders wahr­neh­men kön­nen, als wir es gerade tun. Und warum er trotz allem Opti­mist bleibt.

Von Harald Martenstein
Kommentar Ausgabe 2/2021

Entpört euch!

Die Debatte dar­über, was legi­time Kri­tik und was frei­heits­feind­li­che Zen­sur ist, wird här­ter und aggres­si­ver. Wie steht es wirk­lich um die Mei­nungs­frei­heit? Ein Essay von JOCHEN BITT­NER.  

Von Jochen Bittner
Entpört euch!
Kommentar Ausgabe 1/2021

Meine Blase, deine Blase

Was ist wich­ti­ger? Die per­sön­li­che Frei­heit des Ein­zel­nen oder doch das Zusam­men­le­ben einer funk­tio­nie­ren­den Gesell­schaft? Die Maß­nah­men zur Corona-​Bekämpfung haben diese zen­trale Frage eines moder­nen Staa­tes wie­der ein­mal ins Zen­trum gerückt. Jede Ant­wort dar­auf sorgt aber für neue Pro­bleme. Ver­dammt. Ein Essay von Cath­rin Kahl­weit.

Von Cathrin Kahlweit
Kommentar Ausgabe 4/2020

Von Lausanne lernen

Die geplante Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät in Ober­ös­ter­reich wirft ihre Schat­ten vor­aus. An Zuru­fen, Wün­schen und Erwar­tun­gen man­gelt es nicht. Neu, neu, neu ist das Credo. Aber wie? Ein Rück­blick kann auch hier den Blick nach vorne wei­ten.

Von Meinhard Lukas
Kommentar Ausgabe 3/2020

Die Reife­prü­fung

Das ver­gan­gene Schul­jahr endete mit kol­lek­ti­ver Über­for­de­rung. Wie ste­hen die Chan­cen, dass es bes­ser wird? Karin Leit­ner über bil­dungs­po­li­ti­schen Kata­stro­phen­schutz.

Von Karin Leitner
Kommentar Ausgabe 2/2020

Der Mensch über allem

Ohne die Wis­sen­schaft hätte die Poli­tik gerade wenig zu sagen. Wenn wir Glück haben, hört sie noch wei­ter zu. Gedan­ken von Susanne Schnei­der über merk­wür­dige Zei­ten.

Von Susanne Schneider
Kommentar Ausgabe 1/2020

Frieden?

Ach, wie schön. Europa gedenkt wie­der ein­mal des Frie­dens. Doch hin­ter den Kulis­sen bre­chen die Insti­tu­tio­nen des alten Kon­ti­nents zusam­men. Der Krieg läuft längst anders. Wir haben nur noch nicht die rich­ti­gen Worte dafür gefun­den. Ein Essay von CLAUS PÁNDI.

Von Claus Pándi
Kommentar Ausgabe 4/2019

Univer­sitas und Inno­va­tion

Damit Unter­neh­men, Pro­dukte, Dienst­leis­tun­gen, Kon­zepte und Ideen als beson­ders gut und zukunfts­träch­tig gel­ten, müs­sen sie vor allem eines sein: inno­va­tiv. Das erscheint uns heute völ­lig selbst­ver­ständ­lich. Aus his­to­ri­scher Vogel­per­spek­tive ist es das jedoch kei­nes­wegs. Im Gegen­teil: Men­ta­li­täts­ge­schicht­lich galt das Neue lange als min­des­tens ver­däch­tig, oft sogar als über­aus gefähr­lich. Und zwar vom anti­ken Rom, wo man mit dem homo novus abwer­tend einen poli­ti­schen Empor­kömm­ling bezeich­nete, bis zur mit­tel­al­ter­li­chen Inqui­si­tion, deren glo­bal agie­rende Agen­tur zur Fort­schritts­ver­mei­dung bekannt­lich über unzäh­lige Lei­chen ging. Peter Slo­ter­dijk bemerkte in sei­nem 2014 erschie­ne­nen Buch „Die schreck­li­chen Kin­der der Neu­zeit“ des­halb poin­tiert: „Was heute als Tra­di­tion bezeich­net wird, nannte sich in älte­ren Tagen meis­tens Fröm­mig­keit, und was jetzt Inno­va­tion heißt, war vor­mals schlicht und ein­fach Sünde.“

Auch vor die­sem Hin­ter­grund lässt sich jene unge­heure Frei­set­zung von Neo­phi­lie, die im Laufe des 18. Jahr­hun­derts unter dem etwas gro­ben Begriff der Auf­klä­rung ein­setzte, also kaum über­schät­zen. Denn von nun an gewann der ika­ri­sche Impe­ra­tiv immens an Bedeu­tung: Ideen, Pro­jekte und Unter­neh­mun­gen soll­ten sich durch inno­va­tive Opti­mie­rung zu immer neuen Höhen auf­schwin­gen. Und selbst wenn es dabei auch wie­der­holt zu krea­ti­ven Bruch­lan­dun­gen kam, avan­cierte die Liebe zum Neuen zu einem zen­tra­len Exis­tenz­wert der Moderne.

Nicht zuletzt des­halb gilt uns Leo­nardo da Vinci, dem anläss­lich sei­nes 500. Todes­tags in die­sem Jahr welt­weit Aus­stel­lun­gen gewid­met wer­den, ja bis heute als der inno­va­tive Auf­klä­rer avant la lettre, obschon seine inge­nieur­wis­sen­schaft­li­che Schaf­fens­bi­lanz eigent­lich eher beschei­den blieb. Denn nur sehr wenige sei­ner wage­mu­ti­gen Ent­würfe, vom Holz-​Helikopter bis zum Pan­zer­fahr­zeug, erblick­ten tat­säch­lich je das Licht der Renaissance-​Welt. Und das nicht nur des­halb, weil sie oft ledig­lich als skiz­zen­hafte Show­re­els dien­ten, um finanz­starke Fürs­ten für die Sub­ven­tio­nie­rung der eige­nen Exis­tenz zu begeis­tern, son­dern ebenso, weil ihnen mit­un­ter hane­bü­chene Denk­feh­ler zugrunde lagen, die sie zu bau­li­chen Tot­ge­bur­ten mach­ten. Doch auch wenn der Wille zur Inno­va­tion stets die Mög­lich­keit solch seri­el­len Schei­terns impli­zierte, brachte der neo­phile Fort­schritts­drang der Moderne in tech­no­lo­gi­scher, sozia­ler und auch mora­li­scher Hin­sicht selbst­ver­ständ­lich ein unge­heu­res Maß an zivi­li­sa­to­ri­scher Ver­bes­se­rung her­vor. Nicht nur in den west­li­chen Demo­kra­tien, son­dern auch glo­bal gese­hen leben wir in die­sen Tagen im Durch­schnitt schließ­lich län­ger, hygie­ni­scher, ver­netz­ter, mobi­ler, wohl­ha­ben­der, siche­rer, fried­li­cher und kom­for­ta­bler als je zuvor.

Des­halb führt jede pau­schale Fort­schritts­skep­sis heute auch zwangs­läu­fig in die Irre. Nur ändert das wie­derum nichts daran, dass die Liebe zum Neuen gleich­zei­tig auch blind machen kann. Blind für jene Dia­lek­tik der Auf­klä­rung, die aus phi­lo­so­phi­scher Warte so ein­dring­lich von Theo­dor W. Adorno, Max Hork­hei­mer oder Wal­ter Ben­ja­min beschrie­ben wurde; Letz­te­rer lie­ferte in sei­nem Essay „Über den Begriff der Geschichte“ das viel­leicht ein­drück­lichste Bild dafür.

In Rekurs auf Paul Klees „Ange­lus Novus“ beschreibt Ben­ja­min einen Engel, in des­sen aus­ge­brei­te­ten Flü­geln sich ein Sturm ver­fängt und den Göt­ter­bo­ten davon abhält, die vor ihm lie­gen­den Rui­nen wie­der auf­zu­bauen. „Die­ser Sturm treibt ihn unauf­halt­sam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, wäh­rend der Trüm­mer­hau­fen vor ihm zum Him­mel wächst. Das, was wir den Fort­schritt nen­nen, ist die­ser Sturm.“ Die Dras­tik die­ses Bilds rührt natür­lich vor allem daher, dass Ben­ja­min den Text 1940 im Ange­sicht jener natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Bar­ba­rei schrieb, die das ganze Arse­nal tech­no­lo­gi­scher Inno­va­tio­nen in den Dienst einer his­to­risch ein­zig­ar­ti­gen Mord­ma­schi­ne­rie stellte. Nichts­des­to­trotz – oder gerade des­we­gen – gemahnt es einen aber auch heute noch, ein star­kes Sen­so­rium für die immensen Fall­stri­cke des Fort­schritts zu ent­wi­ckeln.

Um derer in aller Deut­lich­keit gewahr zu wer­den, muss man gegen­wär­tig ja nur nach China bli­cken, wo jene digi­ta­len Tech­no­lo­gien, die vor ein paar Jah­ren noch als Fanal glo­ba­ler Frei­heit fir­mier­ten, nun die tech­ni­sche Infra­struk­tur eines all­um­fas­sen­den Über­wa­chungs­staats bil­den, gegen den George Orwells 1984 zuneh­mend ver­blasst; wobei sich die Fall­stri­cke des Fort­schritts nicht nur in solch poli­ti­schen Extrem­fäl­len offen­ba­ren, son­dern etwa auch in der kürz­lich bei Embryo­nen ange­wen­de­ten CRISPR/CAS-​Methode. Der damit ver­bun­dene Ein­griff in die mensch­li­che Keim­bahn mag sich in Zukunft zwar womög­lich als medi­zin­tech­ni­scher Mei­len­stein ent­pup­pen, könnte aber ebenso zu einer neuen Form der Euge­nik füh­ren.

Sind Fort­schritt und Inno­va­tion also stets ambi­va­lente Ange­le­gen­hei­ten, die zwi­schen zivi­li­sa­to­ri­scher Ver­bes­se­rung und dia­lek­ti­scher Ver­schlech­te­rung oszil­lie­ren, kommt gerade den Uni­ver­si­tä­ten und öffent­li­chen For­schungs­ein­rich­tun­gen in die­sem Zusam­men­hang eine dop­pelt wich­tige Rolle zu. Zum einen sind sie es selbst, die als wesent­li­cher Motor von Inno­va­tio­nen die­nen. Denn ent­ge­gen dem weit ver­brei­te­ten Mythos, das Neue ent­springe vor allem den Dyna­mi­ken des Mark­tes, weist bei­spiels­weise die Öko­no­min Mariana Maz­zu­cato immer wie­der dar­auf hin, dass es von der Eisen­bahn bis zum Inter­net auch und vor allem der Staat sowie die mit ihm ver­bun­de­nen For­schungs­in­sti­tu­tio­nen waren, die die ent­schei­den­den Neue­run­gen des Tech­nik­zeit­al­ters her­vor­ge­bracht haben. Und bis heute ist es allen voran die Grund­la­gen­for­schung, ohne die sich kaum eine der digi­ta­len Dis­rup­tio­nen des Sili­con Val­ley den­ken lässt. Oder wie Maz­zu­cato in ihrem 2013 erschie­ne­nen Buch „Das Kapi­tal des Staa­tes“ exem­pla­risch bemerkt: „Tat­säch­lich steckt im iPhone nicht eine ein­zige Tech­no­lo­gie, die nicht staat­lich finan­ziert wurde.“

Doch neben den MINT-​Fächern, die für die tech­ni­schen, che­mi­schen oder bio­me­di­zi­ni­schen Inno­va­tio­nen sor­gen, sind es auch die Gesellschafts-​ und Geis­tes­wis­sen­schaf­ten, denen mehr denn je eine buch­stäb­lich exis­ten­zi­elle Funk­tion zukommt. Nur mit ihren Mit­teln kön­nen wir schließ­lich ein­schät­zen, abwä­gen und reflek­tie­ren, wie sich bestimmte Inno­va­tio­nen auf unser gesell­schaft­li­ches Zusam­men­le­ben aus­wir­ken, wel­che soziale Fol­ge­pro­bleme sie schaf­fen und ob wir sie ethisch – man denke an die bereits erwähnte Gen­schere – über­haupt zulas­sen soll­ten.

Nun muss man sich frei­lich keine Illu­sio­nen machen: Gegen­über der bra­chia­len Dyna­mik inno­va­ti­ver Dis­rup­tio­nen wirkt die phi­lo­so­phi­sche oder sozio­lo­gi­sche Refle­xion im öffent­li­chen Dis­kurs – lei­der – allzu oft wie ein macht­lo­ser Zuschauer am Sei­ten­rand. Aber gerade das lässt sich eigent­lich nur als Ansporn ver­ste­hen, sie an den Uni­ver­si­tä­ten zukünf­tig zu stär­ken, und zwar nicht zuletzt dadurch, dass For­schungs­pro­jekte inter­dis­zi­pli­när auf­ge­stellt wer­den. Denn ganz gleich ob es um Inno­va­tio­nen im Bereich Künst­li­che Intel­li­genz, Robo­tik oder Bio­ge­ne­tik geht: Ein Fort­schritt, der Fall­stri­cke mög­lichst ver­mei­det, braucht die Ver­zah­nung von MINT-​Fächern mit Gesell­schaftsund Geis­tes­wis­sen­schaf­ten.  

Von Nils Markwardt
Kommentar Ausgabe 4/2019

Wind of change

Die Kräne auf dem Lin­zer Cam­pus geben, indem sie hoch hin­auf ragen, die Rich­tung vor. Sie ste­hen dafür, dass die Sache mit dem Auf­bruch vom Industrie-​ ins digi­tale Zeit­al­ter in Linz begrif­fen wurde. Der Wind des Wan­dels ist hier ange­kom­men, Uni­ver­si­tä­ten müs­sen sich über­all neu sor­tie­ren. Denn darum geht es: Auf Dauer wird kein Land zu einer Spit­zen­re­gion wer­den kön­nen, wenn seine Uni­ver­si­tät nicht in der­sel­ben Liga ange­sie­delt ist.

Die Johan­nes Kep­ler Uni­ver­si­tät Linz geht in diese auf­re­gende Sat­tel­zeit eines Epo­chen­wan­dels als dekla­rier­ter Außen­sei­ter. Inner­ös­ter­rei­chisch kämpft sie mit dem Nach­teil ihrer spä­ten Grün­dung. Diese Jugend­lich­keit kos­tet sie im Geran­gel an den Hoch­schul­töp­fen hohe Sum­men. Dane­ben die nicht min­der for­dernde glo­bale Ebene: Welt­weit wird der Kampf um das Wis­sen mit den Metho­den eines Rüs­tungs­wett­laufs aus­ge­tra­gen, Super­mächte tre­ten gegen­ein­an­der an. Die JKU und andere von der Größe her ver­gleich­bare Hoch­schu­len gera­ten damit in die Zwänge einer Dop­pel­mühle. Was ihnen an Masse und Sub­stanz fehlt, kön­nen sie nur durch grö­ßere Dyna­mik, Ein­falls­reich­tum, Bereit­schaft zu Ver­än­de­rung und offen­si­vere Teil­nahme am öffent­li­chen Dis­kurs kom­pen­sie­ren.

Und obwohl die Auf­bruchs­stim­mung der Grün­der­jahre, gemes­sen an der His­to­rie ande­rer Uni­ver­si­tä­ten, noch nicht lange zurück­liegt, bleibt kein Jahr, kein Monat, nein: kein Tag Zeit, um für eine Rück­schau auf das bereits Geleis­tete inne­zu­hal­ten.

Blen­den wir zurück in diese Phase: Der Stolz des Lan­des auf seine junge Uni­ver­si­tät war greif­bar und noch nicht zur Rou­tine geron­nen. Damals war die Welt auch nicht sim­pel gestrickt, son­dern kom­plex. Es gab Wett­rüs­ten und zugleich starre Blö­cke, es gab Kreisky-​Jahre und Wachs­tum, gesell­schaft­li­chen Auf­bruch und Ver­än­de­rung, für mich als Arbei­ter­kind, das damals vor 40 Jah­ren die Lin­zer Uni­ver­si­tät besuchte, ganz beson­ders viel von die­ser auf einen Schlag ver­än­der­ten Lebens­weise. Ich frem­delte gewal­tig mit mei­nem neuen Dasein als Stu­dent, ver­stand mein Wirt­schafts­stu­dium als läs­tige Etappe vor dem eigent­li­chen Erwach­se­nen­le­ben, wollte so schnell wie mög­lich Geld ver­die­nen und nach Abschluss des Stu­di­ums aus mög­lichst vie­len guten Berufs­an­ge­bo­ten wäh­len dür­fen. Das war es, was mich reizte, und ich bin mit die­sem Lebens­plan nicht allein gewe­sen. „Sind wir hier rich­tig?“, frag­ten sich viele, als die erste und zweite Stu­den­ten­ge­nera­tion, die aus Nicht­aka­de­mi­kerhaus­hal­ten hier in Linz an der Uni­ver­si­tät begon­nen hat­ten. Die Bil­dungs­mo­bi­li­tät von unten nach oben hatte gerade gestar­tet.

Wir fühl­ten uns früh­reif als ange­kom­men und aus­er­wählt, und wenn ich heute daran denke, was wir damals wuss­ten (oder bes­ser nicht), wird mir klar, wie über­heb­lich das gewe­sen ist. Die meis­ten von uns schal­te­ten schnell um. Sie misch ten ihre Spra­che mit Fremd­wör­tern auf, ver­steck­ten ihre Halb­bil­dung hin­ter Aka­de­mi­ker­jar­gon, nann­ten es „reflek­tie­ren“, wenn sie über etwas nach­dach­ten. Unter die­ser „dis­kur­si­ven Unge­schick­lich­keit“ lei­det die Wis­sen­schaft – nicht alleine in Linz – noch heute. Wis­sen­schaft muss mehr denn je gesell­schaft­lich wahr­ge­nom­men und ver­stan­den wer­den. Bei immer kom­ple­xe­ren The­men und Fra­ge­stel­lun­gen ist es für Leh­rende wie Stu­die­rende eine echte Her­aus­for­de­rung, von den Men­schen außer­halb Ihres Sub­sys­tems wahr­ge­nom­men zu wer­den.

Dabei ist unab­hän­gig zu den­ken die Königs­tu­gend des Intel­lek­tu­el­len. Sich auf die­ses Pri­vi­leg zu beschrän­ken, ohne sich öffent­lich zu äußern, greift aller­dings zu kurz, zumal in Zei­ten, in denen Emo­tio­nen die Fak­ten über­la­gern, Popu­lis­ten und Algo­rith­men den Dis­kurs bestim­men, Leute an der Demo­kra­tie ver­zwei­feln und die Erfolge der Auf­klä­rung gefähr­det sind.

Wis­sen und Fak­ten füh­ren ein Rück­zugs­ge­fecht. Die Uni­ver­si­tä­ten und ihre Mit­ar­bei­ter müs­sen sich daher heute mehr denn je ein­men­gen. Dies bedeu­tet auch, die eigene Kom­fort­zone zu ver­las­sen. Wer sich öffent­lich äußert, nimmt eine Gefähr­dung in Kauf. Aber wer sonst soll diese Rolle über­neh­men, wenn nicht die Exper­ten der Wis­sen­schaft, wenn es darum geht, Mythen durch Fak­ten zu erset­zen und Vor­ur­teile – die größte Seu­che unse­rer Zeit – durch Wis­sen und Tat­sa­chen?

Die Lin­zer Uni­ver­si­tät hat dabei wie alle ande­ren Wis­sens­ein­rich­tun­gen eine Bring­schuld und keine andere Wahl, als sich in die­ser Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie deut­li­cher als bis­her zu behaup­ten, will sie medial und öffent­lich nicht unter­ge­hen und ihren Rang und ihre Wahr­neh­mung ver­bes­sern. Ihre Pro­fes­so­ren müs­sen dabei über ihren engs­ten Radius hin­aus­wir­ken. Die Fähig­keit, zu unter­hal­ten und packen zu kön­nen, gehört dazu.

Frü­her war es ein­fa­cher, Gehör zu fin­den. Aber viel­leicht ist das auch nur eine Ver­klä­rung der Hochschul-​Vergangenheit. Die Hoch­schule hatte damals ihre Grö­ßen, deren Nach­hall noch heute wirkt (von Roth­schild bis Kul­havy). Poli­tisch gab es damals alle Spiel­for­men bis hin zu den Trotz­kis­ten, die Haare wur­den lang getra­gen, als ers­ten Com­pu­ter gab es den Com­mo­dore. Und des­we­gen war die Welt klein, über­schau­bar, lang­sam und ins­ge­samt in Ord­nung und so ganz anders als die tur­bu­lente Gegen­wart.

Es kam damals, wie es uns ver­spro­chen wurde: Ein jeder von uns Mar­ke­ting­ab­gän­gern bei Ernest Kul­havy konnte aus vie­len Ange­bo­ten wäh­len. Ich blieb im Jour­na­lis­mus hän­gen und bereue es nicht und darf mich heute selbst kri­ti­sie­ren dafür, wie sehr ich damals ver­kannt habe, was eine Uni­ver­si­tät noch alles sein muss neben eben die­ser Aus­bil­dungs­stätte für junge Leute, die das Stu­dium als den bes­ten Spar­plan für ihr Leben anse­hen. Denn ein Stu­dium bringt höchste Ren­dite, wer vier Jahre stu­diert, ver­dient 40 Pro­zent mehr.

Nicht anders der Zusam­men­hang zwi­schen einer Uni­ver­si­tät und dem Land, das diese Hoch­schule umgibt. Hoch­lohn­land und Spit­zen­re­gion und eine Uni­ver­si­tät, die nicht in die­ser obers­ten Divi­sion agiert – das geht auf Dauer nicht zusam­men.

Bil­dung war 1966, bei der Grün­dung der Johan­nes Kep­ler Uni­ver­si­tät, schon die hei­ßeste Ware eines Lan­des und ist es heute in einer wis­sens­ba­sier­ten Umge­bung mehr denn je. Schlüs­sel­ta­lente suchen Orte, an denen bereits andere Hoch­qua­li­fi­zierte leben, weil sie am Aus­tausch mit die­sen wach­sen und rei­fen kön­nen. 50 Pro­zent der US-​Patente wer­den in vier ame­ri­ka­ni­schen Groß­städ­ten ent­wi­ckelt, wo die bes­ten Uni­ver­si­tä­ten sit­zen. Uni­ver­si­tä­ten ste­hen am Beginn von sich selbst beschleu­ni­gen­den Kau­sal­ket­ten. Wo Tau­ben sind, flie­gen Tau­ben zu. Der Rest hat es schwer.

Diese Con­clu­sio muss uns zu den­ken geben. Denn vier von zehn Stu­die­ren­den, die in Ober­ös­ter­reich gebo­ren wur­den, stu­die­ren heute außer Lan­des. Es ist Poten­zial, das die­sem Land ver­lo­ren geht und fehlt. Die­ser Abfluss macht sich beim Fachkräfte-​ und Tech­ni­ker­man­gel bemerk­bar. Die Fach­hoch­schu­len, vor 25 Jah­ren in Ober­ös­ter­reich gegrün­det, haben mit­ge­hol­fen, diese Lücke zwi­schen Bedarf und Ange­bot klein zu hal­ten. Doch auch ihre Mög­lich­kei­ten sind aus­ge­reizt. Es bleibt also keine andere Alter­na­tive, als die­sen „brain drain“ zu brem­sen, im Ide­al­fall zu stop­pen.

Pio­nier­geist, von dem wir dabei reden, war 1966 bei der Grün­dung der JKU als ein zen­tra­ler Fak­tor mit­ent­schei­dend. Ein gan­zes Land hat damals für seine Uni­ver­si­tät gekämpft. Es waren Lei­den­schaf­ten im Spiel und das Bewusst­sein dafür, mit der Neu­grün­dung eine his­to­ri­sche Lücke geschlos­sen zu haben.

Diese Lei­den­schaft für „unsere Hoch­schule“ ist Nor­ma­li­tät im Umgang gewi­chen. Das Erreichte wird als selbst­ver­ständ­lich akzep­tiert. Ober­ös­ter­reich ist nach Grün­dung der Uni­ver­si­tät und maß­geb­lich durch diese aus der Epo­che eines Agrar-​ und Indus­trie­lan­des her­aus­ge­tre­ten und hat dabei einen ent­schei­den­den Sprung nach vorne gemacht. Zugleich lei­det es bis heute unter dem Nach­teil die­ser spä­ten Uni­ver­si­täts­grün­dung und konnte die­sen Malus nie wett­ma­chen; und Glei­ches gilt für die Lan­des­haupt­stadt Linz.

Die Daten sind ein­deu­tig: Wien (mit sei­ner 1365 gegrün­de­ten Uni­ver­si­tät) zählt heute 168.000 Stu­die­rende. Das mit Linz ver­gleich­bare Graz (Grün­dungs­da­tum 1585) kommt auf 53.000 Stu­die­rende, Graz übt auf junge Leute des­halb einen gro­ßen Sog aus. Sogar das halb so kleine Inns­bruck mit sei­ner 1669 gegrün­de­ten Hoch­schule steht als Uni­ver­si­täts­stadt über Linz, wenn wir die Stu­die­ren­den­zahl als Maß­stab neh­men (30.000 Stu­die­rende hier, 23.000 in Linz). Linz läuft noch hin­ter­her.

Num­mer vier unter den Uni­ver­si­täts­städ­ten in Öster­reich zu sein, das wird dem Bun­des­land und sei­ner Lan­des­haupt­stadt nicht gerecht. Es han­delt sich um eine Erb­sünde, an deren Besei­ti­gung sich die Lan­des­po­li­tik mit aller ihr zur Ver­fü­gung ste­hen­den Kraft abar­bei­ten muss. Denn die Erb­sünde wirkt mit Zins und Zin­ses­zins nach. Es han­delt sich um eine föde­rale Unge­rech­tig­keit, wenn wir die Kenn­zif­fern des Lan­des mit jener der JKU in Bezie­hung set­zen. Ober­ös­ter­reich erwirt­schaf­tet 18 Pro­zent des öster­rei­chi­schen Brut­to­in­lands­pro­dukts, 28 Pro­zent sei­ner Exporte und zählt 17 Pro­zent der öster­rei­chi­schen Bevöl­ke­rung. Doch es erhält nur knapp fünf Pro­zent des öster­reich­wei­ten Universitäts-​Etats. Dass wir die­ses ekla­tante Miss­ver­hält­nis schlu­cken, ist mit der Engels­ge­duld der Ober­ös­ter­rei­cher zu erklä­ren, die sich in ihr Dasein als Net­to­zah­ler die­ser Repu­blik erge­ben haben. Die­ser Nach­teil wird zur ech­ten Gefahr, weil sich die Wissens-​ und Inno­va­ti­ons­dy­na­mik beschleu­nigt. Ober­ös­ter­reich und Linz und die JKU haben aku­ten Hand­lungs­be­darf.

Diese Aus­gangs­lage müs­sen Ober­ös­ter­reich und seine Bewoh­ner vor Augen haben. An der Uni­ver­si­tät selbst wurde die Gefahr erkannt. Die Uni­ver­si­tät setzt ihren dyna­mi­schen Pro­zess der Wei­ter­ent­wick­lung fort; die Bau­kräne sind ein deut­lich erkenn­ba­res Zei­chen dafür. Der Nach­teil eines Pendler-​Campus, der fern vom Stadt­zen­trum ange­sie­delt ist, kann nur dadurch wett­ge­macht wer­den, dass der Cam­pus für sich selbst aus­rei­chend Sog ent­fal­tet, wie es im Falle ande­rer Hoch­schu­len die den Cam­pus umge­ben­den Städte tun. Daher muss inves­tiert wer­den.

Es geht um Sog und damit um Wis­sen und Talent, das ange­zo­gen wer­den soll. Welt­weit kämp­fen Län­der und ihre Uni­ver­si­tä­ten um die­ses Poten­zial, das Sys­tem Uni wird glo­bal umge­pflügt, die aka­de­mi­sche Welt­ord­nung ver­än­dert sich. Seit vor zehn Jah­ren die ers­ten Hoch­schul­ran­kings erschie­nen sind, beschleu­nigt sich die­ser Pro­zess. Linz muss sich inner­halb Öster­reichs als Uni­ver­si­täts­stand­ort behaup­ten (das heißt, den his­to­risch auf­ge­ris­se­nen Rück­stand auf­zu­ho­len), wäh­rend es in Öster­reichs gesam­ter Hoch­schul­land­schaft darum geht, im glo­ba­len Wis­sens­wett­streit nicht unter­zu­ge­hen. Linz steckt damit in einer Dop­pel­mühle, das muss es begrei­fen. Und ich bin kein Schwarz­se­her.

Welt­weit ent­ste­hen Uni­ver­si­tä­ten mit neuen Betriebs­sys­te­men. Man­che spa­ren sich die Hör­säle und erklä­ren das Modell der Prä­senz­uni­ver­si­tät für über­flüs­sig. Einige wer­den errich­tet, unbe­las­tet von his­to­ri­schem Bal­last, wie zum Bei­spiel die Pro­gram­mier­schmiede 42 in Frank­reich, die Minerva-​ oder Sin­gu­la­rity in Kali­for­nien. China steckt Mil­li­ar­den in den Auf­bau einer Armada neuer Uni­ver­si­tä­ten, exem­pla­risch dafür hat die „NZZ“ vor eini­gen Wochen das Bei­spiel Sou­thern Uni­ver­sity of Sci­ence and Tech­no­logy (SUST) in der chi­ne­si­schen Metro­pole Shen­zhen beschrie­ben. 2011 auf dem Reiß­brett von null auf kon­zi­piert mit vor­erst 44 Stu­den­ten und 15 Mil­lio­nen Dol­lar Bud­get hält SUST heute bei 5.300 Stu­die­ren­den und einem Bud­get von 500 Mil­lio­nen Dol­lar und ist im Ran­king die acht­beste Uni­ver­si­tät auf dem chi­ne­si­schen Fest­land. Ein Durch­marsch bin­nen acht Jah­ren. Diese Hoch­schu­len fischen im Pool der bes­ten Talente.

Ähn­lich in Sin­ga­pur, wo ich zwei­mal als Mit­glied einer Dele­ga­tion erfah­ren durfte, was Aus­rich­tung an Exzel­lenz bedeu­tet. Die dor­tige Nan­yang Tech­no­lo­gi­cal Uni­ver­sity wurde 1991 gegrün­det, sie ist heute neben dem MIT und Ber­ke­ley die aner­kann­teste tech­ni­sche Uni­ver­si­tät der Welt. Ihr Rek­tor, der Schwede Ber­til Anders­son, schenkte uns Gäs­ten aus Öster­reich unver­blümt ein: „Künst­li­che Intel­li­genz ist heute das hei­ßeste Ding in der Welt der For­schung. Und wenn ich daran denke, bin ich in Sorge um Europa.“ Anders­son geht davon aus, dass im nächs­ten Jahr­zehnt asia­ti­sche Uni­ver­si­tä­ten erste Filia­len in euro­päi­schen Metro­po­len errich­ten wer­den. Dies wird das Gefüge noch ein­mal ver­än­dern.

Auf dem Gebiet der Künst­li­chen Intel­li­genz, so Anders­son, sei zwar Micro­soft die Num­mer eins, aber dahin­ter fol­gen gleich neun asia­ti­sche Uni­ver­si­tä­ten. Anders­son gab den Öster­rei­chern eine Bot­schaft mit: „Eure Hoch­schu­len wer­den zu natio­na­lis­tisch geführt. Ihr braucht Durch­mi­schung. Bei uns kom­men sie­ben von zehn Pro­fes­so­ren aus dem Aus­land.“ Und es braucht andere Prio­ri­tä­ten.

„Has the West lost it“, fragte der Eco­no­mist vor eini­ger Zeit und stellte die These in den Raum, dass die Über­per­for­mance Euro­pas seit dem Jahr 1800 und der Rück­fall Chi­nas nur eine kurze his­to­ri­sche Ver­ir­rung dar­stel­len. Wer­den wir es erle­ben, dass Europa als glo­ba­les Zen­trum aus­ge­dient hat? Setzt sich die kon­fu­zia­ni­sche Leis­tungs­kul­tur durch, getra­gen von der Über­zeu­gung, dass Erfolg nicht auf Talent, son­dern pri­mär auf Fleiß beruht?

Las­sen wir das alles sickern und gehen wir wei­ters davon aus, dass sich in einer digi­ta­len Welt die mathe­ma­tisch begab­ten und die tech­no­lo­gie­beses­se­nen Talente eher durch­set­zen wer­den, dann spricht wenig für uns. Beim inter­na­tio­na­len TIMMS-​Test, der solch ein­schlä­gige Fer­tig­kei­ten misst, lan­de­ten von 1000 korea­ni­schen Kin­dern 500 in der höchs­ten Leis­tungs­stufe, ähn­lich in China und Sin­ga­pur. In Frank­reich bzw. Deutsch­land schaff­ten dies gerade 20 bzw. 25 Schü­ler. Las­sen wir die Frage nach der Mess­ge­nau­ig­keit sol­cher Tests außer Acht, so bleibt doch eine Rie­sen­dif­fe­renz. Ana­ly­ti­sche Kom­pe­tenz, gekop­pelt mit der schie­ren Masse an Leu­ten, ver­schafft Asien einen Extra-​Kick. Was hat Europa dem ent­ge­gen­zu­stel­len? Viel­leicht sein grö­ße­res krea­ti­ves Poten­zial? Die aus­ge­präg­tere Fähig­keit zur Impro­vi­sa­tion? Oder Indi­vi­dua­lis­mus als Ant­wort auf poli­ti­schen Diri­gis­mus und Kol­lek­ti­vis­mus? Dies alles vor Augen, stellt sich die Frage danach nicht mehr, ob und wie sich euro­päi­sche Uni­ver­si­tä­ten anders und neu aus­rich­ten müs­sen. Die Ant­wort ist selbst­er­klä­rend. Es geht nur noch um das Wie? Am Beginn eines sol­chen Pro­zes­ses müs­sen wohl viele Fra­gen ste­hen. Wel­che Talente wol­len wir? Wie defi­nie­ren wir Talent? Wie krie­gen wir sie? Was müs­sen wir ihnen bie­ten, was andere Uni­ver­si­tä­ten, denen wir man­gels Res­sour­cen unter­le­gen sind, nicht bie­ten kön­nen? Wie kön­nen wir die gefor­derte Inter­na­tio­na­li­tät ver­wirk­li­chen? Wie ein inno­va­ti­ves uni­ver­si­tä­res Öko­sys­tem schaf­fen? Wie muss sich die Uni­ver­si­tät in das Umland ein­fü­gen, und was muss das Umland tun, um der Uni­ver­si­tät zu Attrak­ti­vi­tät zu ver­hel­fen?

Will die Lin­zer Uni­ver­si­tät in die­sem welt­wei­ten beauty-​contest nicht unter­ge­hen, muss sie fort­fah­ren, Boden in der Natio­nal­liga gut­zu­ma­chen und sich inner­ös­ter­rei­chisch auf die Beine stel­len, wie sie es die letz­ten Jahre bereits spür­bar getan hat. Linz muss zu Inns­bruck und Graz auf­schlie­ßen, vor allem finan­zi­ell. Von die­sem Druck kön­nen wir die Lan­des­po­li­tik und die Lin­zer Stadt­po­li­tik nicht ent­las­ten, auch wenn Land und Stadt zuletzt sub­stan­zi­elle mone­täre Bei­träge gelie­fert haben. Es han­delt sich bes­ten­falls um Etap­pen­ziele. Denn der Nach­teil der spä­ten Geburt wirkt lei­der nach. Die Lin­zer Uni­ver­si­tät muss wei­ter wach­sen, auch wenn Größe und Spitze ein­an­der als Begriffe wider­spre­chen. Es gibt kei­nen natür­li­chen Pla­fond für die JKU. Wenn ein neues KI-​Studium ange­bo­ten wird und Bewer­ber die­sem Zweig die Türe ein­ren­nen, dann ist das ein deut­li­ches Signal dafür, dass man sich auch als Uni­ver­si­tät etwas trauen und eta­blierte aka­de­mi­sche Pfade dort und da ver­las­sen darf.

Linz muss, auch das gehört in ein „Mission-​Statement“, als breit auf­ge­stellte Hoch­schule gesell­schaft­li­che Ver­än­de­run­gen aus einer 360- Grad-​Perspektive beur­tei­len. Zum Bei­spiel die Künst­li­che Intel­li­genz und die damit ver­bun­de­nen Fol­gen, die sich aus tech­ni­scher, juris­ti­scher, sozia­ler und wirt­schaft­li­cher Sicht betrach­ten las­sen. Wenn nur die JKU das kann, dann ist das ein Allein­stel­lungs­merk­mal, das sich ver­kau­fen lässt.

Linz kann aus sei­ner Klein­heit eine Stärke machen, dann näm­lich, wenn es diese mit Tempo und Fle­xi­bi­li­tät kom­bi­niert. Im digi­ta­len Zeit­al­ter gel­ten neue Gesetz­mä­ßig­kei­ten: Geschwin­dig­keit kommt vor Per­fek­tion, Wen­dig­keit vor Größe. Doch wie steht es um diese Temp­o­fes­tig­keit, wenn es zwei Jahre dau­ert, bis die Beru­fung eines neuen Pro­fes­sors durch alle Instan­zen gegan­gen ist? Hier und nicht nur hier wer­den die Fes­seln eines uni­ver­si­tä­ren Regel­werks spür­bar, das einen Kon­tra­punkt zur Geschwin­dig­keit dar­stellt, mit der sich die Welt drau­ßen ändert.

Die Uni­ver­si­tät braucht damit mehr Hand­lungs­spiel­raum und Auto­no­mie, mehr Beru­fun­gen von außen, mehr Wett­be­werb. Ent­schei­dungs­freude und Enga­ge­ment dür­fen sich nicht „im Sys­tem“ ver­lau­fen. Nach 50 Jah­ren neh­men die Dinge Gestalt an. Die Lin­zer Uni­ver­si­tät ist nicht für das Kleine gebo­ren. Sie muss ihre Spann­kraft ent­de­cken, grö­ßer den­ken und über den Hori­zont der Bewah­rer hin­aus. Unsi­cher­heit als Ord­nungs­prin­zip gehört dazu.  

Von Gerald Mandlbauer
Kommentar Ausgabe 3/2019

Die blaue Ökologie
 

Warum der Öko­lo­gis­mus allen Unken­ru­fen zum Trotz unsere Zukunft bestim­men wird. Ein Essay von Zukunfts­for­scher MAT­THIAS HORX.

Von Matthias Horx
Sicht aus dem All: die blaue Erdkugel
Kommentar Ausgabe 2/2019

Verant­wor­tung nicht dele­gieren

Der Sozio­loge HARALD WEL­ZER über den viel umkämpf­ten Begriff der Ver­ant­wor­tung und den Bei­trag, den eine Uni­ver­si­tät in der Gesell­schaft leis­ten muss.

Von Harald Welzer