Zu welchen Veränderungen der innerschulischen und der zwischenschulischen Koordination führt diese bildungspolitische Innovation?
In unseren governancetheoretischen Analysen der Politiken der Schulautonomisierung und ihrer Umsetzung in Profilierungsprozessen, die wir am Beispiel österreichischer Sekundarschulen in Altrichter et al. (2011) analysiert haben, haben wir feststellen können, dass Schulprofilierung nicht dazu geführt hat, dass die hierarchisch professionelle Doppelsteuerung ersetzt wurde. Allerdings sind die Koodinationsprinzipien „Wetbewerb“ (vgl. Zymek 2009) und „innerbetriebliche Hierarchie (vgl. Altrichter 2010b, 101f.) wichtiger geworden.
Abteilung für Bildungsforschung
Forschungsprojekt
Projektleitung der JKU
Univ.Prof. Dr. Herbert Altrichter
Neuere Instrumente der evidenzbasierten Steuerung (die im Koordinationsprinzip „Außensteuerung durch Zielvorgabe und Zielevaluation“ auftauchen müssten) spielten in den von uns untersuchten Schulen bislang – trotz der ministeriellen Propagierung von Schulprogrammen und schulischem Qualitätsmanagement – kaum eine Rolle, was sich aber mit der breiteren Implementation von Bildungsstandards und standardbezogenen Tests, die in den Zeiten unserer Datensammlung in ersten Anfängen steckte, ändern könnte.
Diesem Koordinationsprinzip der evidenzbasierten Steuerung durch die Implementation von Bildungsstandards und deren Testungen gehen wir in einem neuen Forschungsprojekt auf den Grund: Im Jahr 2012 werden in Österreich Bildungsstandards, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster erstmals flächendeckend in der 8. Schulstufe, im Jahr 2013 in der 4. Schulstufe getestet. Seit der gesetzlichen Verankerung der Bildungsstandards im Schulunterrichtsgesetz im August 2008 haben Lehrer/innen „bei der Planung und Gestaltung [ihrer] Unterrichtsarbeit die Kompetenzen und die darauf bezogenen Bildungsstandards, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster zu berücksichtigen sowie die Leistungen der Schüler in diesen Bereichen zu beobachten, zu fördern und bestmöglich zu sichern.“
Das Forschungsprojekt soll Aufschluss über die Potenziale der Bildungsstandards zur Weiterentwicklung des Unterrichts und der Schulen geben, sowie mögliche Veränderungen der Steuerung im Bildungswesen aufzeigen.
Erhebungsdesign
Das Projekt bearbeitet seine Fragestellungen nach einer Fallstudienmethode (vgl. Yin 1989). Ein „Fall" ist im Sinne der hier vorgeschlagenen Untersuchungsstrategie die einzelne Schule. Dafür sollen drei Volksschulen und 3 Sekundarschulen eines oberösterreichischen Schulbezirkes ausgewählt werden. Dabei sollen Schulen untersucht werden, die erstmals getestet werden (keine Pilotschulen). Bei der Auswahl soll darauf geachtet werden, möglichst unterschiedliche Schulen auszuwählen. Kriterien dabei sind: Entwicklungsbereitschaft und Schülerpopulation in Hinblick auf soziokulturelle Merkmale und Leistungsmerkmale. Die Auswahl der Schulen erfolgt nach einer Befragung von Expert/innen mit Feldexpertise (z.B. Schulaufsicht).
Anschließend werden überlappende und widersprechende Muster in den Einzelfallstudien einer Cross Case Analyse unterzogen. Die gewonnenen Hypothesen werden governancetheoretisch interpretiert und mit den Ergebnissen der Schulprofilierungsstudien verglichen.
Ergänzt wird die Fallstudienmethode durch eine Literaturanalyse.
1. Erhebungszeitpunkt: vor der Standardtestung
Für jede dieser Schulen werden relevante Dokumente gesammelt sowie 10 Interviews geführt. In einer 1. Welle werden 3-5 "FunktionsträgerInnen" interviewt; nach einer Zwischenanalyse des bis dahin gesammelten Materials werden nach der Strategie des theoretical sampling 3-5 weitere Personen auswählt, die bisher nicht hinreichend erfasste epistemologische Perspektiven und Meinungen repräsentieren sollen.
Die intermediären und zentralen Ebenen werden auf folgende Weise in der Untersuchung repräsentiert:
- Für jede Schule der zuständige BSI (oder LSI) = max. 2 Interviews
- Personen, die Fortbildungsmaßnahmen im Themenfeld Bildungsstandard für die jeweiligen Schulen gestalten (Vorbreitungsphase auf die erste Testung) = max. 2 Interviews
- Personen, die für Unterstützung und Beratung bei der Interpretation der Testergebnisse und der Entwicklung von Handlungskonsequenzen zur Verfügung stehen = max. 2 Interviews
Insgesamt: 6 mal 6-10 plus 6 Interviews = 42 - 66 Interviews
2. Erhebungszeitpunkt: Nach Erhalt der Rückmeldung
- In jeder Schule werden 3-5 zentrale Akteure interviewt.
- Insgesamt 6 mal 3-5 Interviews = 15 – 30 Interviews
3. Erhebungszeitpunkt: vor der zweiten Testung
- Befragung der gleichen Akteure wie bei der ersten Erhebung
- Insgesamt: 6 mal 6-10 plus 6 Interviews = 42 - 66 Interviews
Zeitplan (Interviews)
März/April 2012 | Mai 2012 | Herbst/Winter 2012 | Frühjahr 2013 | Herbst 2015 |
März/April 2012 | Mai 2013 | Herbst/Winter 2013 | Frühjahr 2014 | Herbst 2015 |
Literatur
Altrichter, H. (2010). Netzwerke und die Handlungskoordination im Schulsystem. In N. Berkemeyer, W. Bos & H. Kuper (Hrsg.), Schulreform durch Vernetzung. (S. 95 – 116). Münster: Waxmann.
Altrichter, H. & Heinrich, M. (2007). Kategorien der Governance-Analyse und Transformationen der Systemsteuerung in Österreich. In H. Altrichter, T. Brüsemeister & J. Wissinger (Hrsg.), Educational Governance (S. 55-103). Wiesbaden: VS.
Altrichter, H., Brüsemeister, T. & Wissinger, J. (Hrsg.) (2007). Educational Governance – Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem. Wiesbaden: VS.
Altrichter, H., Heinrich, M., Soukup-Altrichter, K. & Ziebermayr, B. (2010). Schulprofilierung im Bereich soziales und kreatives Lernen. Münster: Monsenstein und Vannerdat.
Altrichter, H., Heinrich, M. & Soukup-Altrichter, K. (Hrsg.) (2011). Schulentwicklung durch Schulprofilierung? Zur Veränderung von Koordinationsmechanismen im Schulsystem. Wiesbaden: VS.
Altrichter, H., Prexl-Krausz, U. & Soukup-Altrichter, K. (Hrsg.) (2005). Schulprofilierung und neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Dupriez, V. & Maroy, C. (2003). Regulation in school systems: A theoretical analysis of the structural frame work of the school system in French-speaking Belgium. J. Education Policy 18, 4, 375-392.
Heinrich, M. (2009). Schulprofilierung. Wie Wettbewerb eine Schule verändert. Opladen: Barbara Budrich.
Soukup-Altrichter, K., Feyerer, E., Prammer-Semmler, E. & Prexl-Krausz, U. (Hrsg.) (2007). Was verändert sich durch Schulprofilierung? Linz: Trauner.
Yin, R. K.: Case Study Research. Design and Methods. Newbury Park 1989.
Zymek, B. (2009). Wettbewerb zwischen Schulen als Programm und Wettbewerb als Struktur des Schulsystems. In U. Lange, S. Rahn, W. Seitter & R. Körzel (Hrsg.), Steuerungsprobleme im Bildungswesen (S. 81-100). Wiesbaden: VS (zit. nach dem Ms.).
Publikationen
- Altrichter, H., & Gamsjäger, M. (2017). A conceptual model for research in performance standard policies. Nordic Journal of Studies in Education Policy, 3(1), 6-20. http://dx.doi.org/10.1080/20020317.2017.1316180, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster ISSN 2002-0317
- Altrichter, H. & Gamsjäger, M. (2019). Ein Wirkungsmodell für die Erforschung von Bildungsstandard-Politiken. In J. Zuber, H. Altrichter & M. Heinrich (Hrsg.), Bildungsstandards zwischen Politik und schulischem Alltag (S. 45-78). Wiesbaden: Springer VS.
- Plaimauer, C., Prammer-Semmler, E. & Altrichter, H. (2019). Unterrichts- und Schulentwicklung in der Sekundarschule durch eine Politik der Bildungsstandards? In J. Zuber, H. Altrichter & M. Heinrich (Hrsg.), Bildungsstandards zwischen Politik und schulischem Alltag. Wiesbaden: Springer VS (S. 177-203).
- Gamsjäger, M., Altrichter, H. & Steiner, R. (2019). Wirkungen und Wirkungswege einer Bildungsstandards-Reform: Die Sichtweise von Lehrpersonen und Schulleitungen in österreichischen Primarschulen. Zeitschrift für Bildungsforschung, 9(2), 139–158. DOI 10.1007/s35834-019-00239-1
- Altrichter, H., Gamsjäger, M., Plaimauer, C., Prammer-Semmler, E., Steiner, R., Zuber, J. & Handschuh, L. (2020). Making sense of evidence-based governance reforms: an exploratory analysis of teachers coping with the Austrian performance standard policy. Leadership and Policy in Schools, (online first), https://doi.org/10.1080/15700763.2020.1791906, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Projektteam
Funktion | Name | Institution |
---|---|---|
Leitung | Dr.in Katharina Soukup-Altrichter | PH OÖ, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster |
Leitung | Dr.in Regina Steiner | PH OÖ, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster |
Leitung | Univ.Prof. Dr. Herbert Altrichter | JKU Linz |
Projektmitarbeiterin | Mag.a Manuela Gamsjäger | PH OÖ, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster |
Projektmitarbeiterin | Dr.in Christine Plaimauer | PH OÖ, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster |
Projektmitarbeiterin | Eva Prammer-Semmler, MA | PH OÖ, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster |