Fragen zum Thema Impfen beantwortet Susanna Zierler, Professorin für Pharmakologie an der Medizinischen Fakultät der JKU.
Worin unterscheiden sich die Impfstoffe von Pfizer/Biontech, Moderna und AstraZeneca?
Prof.in Susanna Zierler: Das SARS-CoV-2-Virus dockt mit Hilfe des sogenannten Spike-Proteins an ein spezifisches Oberflächenprotein bestimmter Köperzellen an. Außerdem hilft das Spike-Protein dem Virus von der Zelle aufgenommen zu werden. So werden die Körperzellen infiziert. Das Ziel der neuen Impfstoffe ist es, dies zu unterbinden. Deshalb setzen die meisten Impfstoffe genau bei diesem Spike-Protein an.
Bei den beiden Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna handelt es sich um mRNA-Impfstoffe, die sich im Wesentlichen kaum voneinander unterscheiden. Die in kleine Lipid-Kügelchen eingeschlossene mRNA enthält den Bauplan für das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus. Die Lipid-Partikel fungieren als Transportsystem, um die mRNA in die Zelle einzuschleusen. Die Zelle beginnt daraufhin das Spike-Protein selbst herzustellen.
Der AstraZeneca-Impfstoff verwendet hingegen einen sogenannten Virusvektor als Transportsystem. Dieser basiert auf einem abgeschwächten Erkältungsvirus, der selbst keine Infektionen auslösen kann. Dieser Virushülle wurde das eigene genetische Material entfernt und das des Spike-Proteins eingepflanzt. Dieses Prinzip wurde bereits erfolgreich bei einem seit 2019 zugelassenen Ebola-Impfstoff eingesetzt.
Aktuell befinden sich mehr als 60 mögliche Impfstoffe in klinischen Studien und etwa 170 weitere in vorklinischer Entwicklung. Der Impfstoff von AstraZeneca wurde erst kürzlich endgültig von der Europäischen Arzneimittel-Behörde (EMA) zugelassen. Das Zulassungsverfahren positiv durchlaufen hatten davor schon die beiden mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna. Die Hoffnung besteht, dass weitere bald folgen werden.
Was bewirkt ein Impfstoff im Körper?
Prof.in Susanna Zierler: Wie schon erwähnt, verwenden die meisten Impfstoffe das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus als Erkennungsmerkmal. Das bedeutet, dass dieses Protein dem Immunsystem präsentiert wird, um es darauf vorzubereiten, den Körper vor einer Infektion mit dem Virus zu schützen. Im Fall der neuen mRNA-Impfstoffe, wird die Zelle dazu angeregt, kurzfristig das Spike-Protein zu produzieren. Zellen des angeborenen Immunsystems servieren dieses dann auf ihrer Oberfläche wie auf Präsentiertellern. Das wird schließlich von Zellen des erworbenen Immunsystems, den T-Helferzellen, als ‚fremd‘ erkannt und führt zur Aktivierung dieser Schlüsselzellen, die dann die weitere Immunantwort dirigieren. Diese T-Helferzellen sind es auch, die die Produktion von schützenden Antikörpern durch weitere Immunzellen (B-Zellen) anregen. Aus diesen aktivierten T-Zellen und B-Zellen entstehen schließlich sogenannte Gedächtniszellen, die bei erneuter Infektion mit dem Virus sofort reagieren können. So ist der Köper auf einer weiteren Ebene, der zellulären Ebene, vor dem Ausbruch der Krankheit bzw. einem schweren Verlauf geschützt.
Wie können Pharmakolog*innen ausschließen, dass es aufgrund der raschen Entwicklung der Impfstoffe unerkannten Auswirkungen / Langzeitfolgen geben kann?
Prof.in Susanna Zierler: Sicher ausschließen kann man unbekannte Langzeitfolgen leider nie, aber das hat nichts mit der raschen Entwicklung der Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2-Virus zu tun. Es kann nur das sicher festgestellt werden, was in den klinischen Studien untersucht wird. Der Ablauf dieser Studien geht derzeit zwar rascher als üblich vor sich, aber die Anzahl der Proband*innen und die Durchführung entsprechen einer Norm, die in Europa sehr hohe Standards aufweist. Im Endeffekt liegt der Entscheidung für oder gegen eine Impfung eine klare Risikoabschätzung zu Grunde. Für Covid-19 Risikogruppen, wie ältere Personen oder Personen mit Vorerkrankungen, steht der Nutzen ganz klar im Vordergrund. Aber auch für die restliche Bevölkerung hat eine Impfung klare Vorteile und schützt Empfänger*innen vor einem schweren Verlauf der Krankheit sowie indirekt auch deren Familie und Freunde.
Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Prof.in Susanna Zierler:Das Spektrum der Nebenwirkungen der neu zugelassenen Impfstoffe ähnelt jenem der herkömmlichen Impfungen und reicht von Rötungen und Schmerzen an der Einstichstelle, von Kopfschmerzen und Gelenksschmerzen bis hin zu Fieber und Schüttelfrost. Diese Nebenwirkungen sind wohl häufiger nach der 2. Dosis, dauern aber meist nur einen Tag an. Gefährlicher, aber auch äußerst selten, sind allergische Reaktionen bis hin zum allergischen Schock. Patient*innen mit erhöhtem Risiko für allergische Reaktionen müssen deshalb noch einige Minuten nach Immunisierung überwacht werden.
Welche Personengruppen mit welchen Vorerkrankungen dürfen nicht geimpft werden?
Prof.in Susanna Zierler: Wie bei jedem Impfstoff gilt, dass Personen, die sich krank fühlen, nicht geimpft werden sollen. Immunkomprimierte Patient*innen und Schwangere wurden nicht in die klinischen Studien mit aufgenommen. Aus Sicherheitsgründen gibt es daher im Moment noch keine klare Empfehlung der Impfung für Schwangere. Die Hinweise die man aber von den Teilnehmerinnen hat, die während der Studien schwanger gewordenen sind, deuten nicht darauf hin, dass es zu direkten oder indirekten Schäden kommt. Insbesondere für immunkomprimierte Personen könnte ein mRNA-basierter Impfstoff, ähnlich einem Totimpfstoff (abgetöteter Erreger), gegenüber einem klassischen Lebendimpfstoff (abgeschwächter Erreger) vorzuziehen sein. Die mRNA kann sich im Körper nicht vermehren und daher keine Krankheit auslösen. Die schützende Immunreaktion kann allerdings bei immunkomprimierten Patient*innen etwas schwächer ausfallen. Ob daher ein ausreichender Schutz besteht, müsste abschließend noch geklärt werden.
Warum sollen Kinder nicht geimpft werden? Was ist die Schwierigkeit bei der Entwicklung der Impfstoffe für Kinder?
Prof.in Susanna Zierler: Kinder wurden in den bisher durchgeführten und laufenden Studien noch nicht berücksichtigt. Es ist üblich, neue Impfstoffe erst an Erwachsenen zu testen und nach erfolgter Zulassung eine schrittweise Erweiterung auf Kinder zu prüfen. Da Kinder aber nur äußerst selten einen schweren Krankheitsverlauf aufweisen, ist die Priorität im Moment klar auf ältere Personen- und Risikogruppen gelegt.
Was versteht man unter Herdenschutz?
Prof.in Susanna Zierler: Wenn der Anteil von geimpften Personen in der Bevölkerung hoch ist, kann sich ein Krankheitserreger von Mensch zu Mensch nicht mehr so einfach übertragen und die Krankheit kann sich nicht ausbreiten. Nach einiger Zeit verschwindet die Krankheit dann völlig, und das wäre natürlich das erklärte Ziel. Ab wann ein solcher „Herdenschutz“ besteht, ist von Krankheit zu Krankheit verschieden. Bei Masern ist dieser Effekt beispielsweise erst bei einer sehr hohen Durchimpfungsrate von 95% erreicht. Wie hoch die Impfquote bei Covid-19 sein muss, um diesen Herdenschutz zu erreichen, ist noch nicht gänzlich geklärt. Bisher ist man von einer Quote von 60-70% ausgegangen. Da aber die neuen Virusmutanten von SARS-CoV-2 deutlich leichter übertragbar zu sein scheinen, geht man derzeit davon aus, eher 80-85% Durchimpfungsrate zu benötigen.
Wie lange hält der Impfschutz an?
Prof.in Susanna Zierler: Das kann man im Moment leider noch nicht mit Sicherheit sagen. Man rechnet aber mit mehreren Monaten bis Jahren. Es hängt natürlich auch davon ab, wie stark sich das Virus weiter verändert. Wenn Virusmutanten auftreten, für die die vorhandenen Impfungen keinen ausreichenden Schutz bieten, kann mit Hilfe der neuen mRNA-Impfstoffe rasch darauf reagiert werden. Dafür muss lediglich der mRNA-Bauplan entsprechend verändert werden.
Werden Sie sich impfen lassen? Falls ja: welchen der Impfstoffe würden Sie präferieren?
Prof.in Susanna Zierler: Auf jeden Fall! Sobald ich an die Reihe komme, nehme ich den Impfstoff, der für mich vorgesehen ist, gerne an. Ich habe Vertrauen in die Wissenschaft, die klinischen Studien und die Regelwerke, die für die Zulassung von Arzneimitteln bei der Europäischen Arzneimittel-Behörde in Kraft sind.