Nervenschonende Nervenforschung: Neuer JKU Ansatz erlaubt Neuronen zu schalten

Ohne sie geht gar nichts: Neuronen, also Nervenzellen, übermitteln alle wichtigen Reize vom und ans Gehirn.

Neuron, Credit: JKU/ erstellt durch Midjourney
Neuron

Auch das komplexeste uns bekannte Phänomen des Universums, das menschliche Gehirn selbst, besteht zu einem großen Teil aus Neuronen – immerhin rund 100 Milliarden davon. Sie und ihre Schaltungen zu verstehen ist daher der Schlüssel zu vielen wichtigen Erkenntnissen. Dazu soll eine neue Forschung der Johannes Kepler Universität Linz nun einen wichtigen Beitrag leisten.

Sowohl um Neuronen zu erforschen als auch zur Entwicklung von Therapien für neuronale Störungen ist eins nötig: die Nervenzellen nichtinvasiv gezielt an- und abzuschalten. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. kann man Neuronen mittels Licht regulieren. Dafür wird winzig kleines Material verwendet, das Licht absorbiert, sich dabei erwärmt und so die Nervenzellen anregt. Es braucht dafür aber eine hohe Lichtstärke, die nicht immer verfügbar ist und Nebenwirkungen haben kann.

Einen anderen Weg geht die Optogenetik. Dabei wird gentechnisch modifiziertes Material eingeführt, um lichtsensible Kanäle zu bilden, über die man die Neuronen steuern kann. Das klappt sehr erfolgreich und wird seit 20 Jahren verwendet, um Neuronen im Hirn zu erforschen. Auch spielte der Ansatz eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der ersten Strategien zur Wiederherstellung des Sehvermögens.

„Aber: Genetischen Eingriffen sind – gerade beim Menschen – enge Grenzen gesetzt“, erklärt Jürgen Pfeffermann, MSc vom Institut für Biophysik der JKU (Leitung: Univ.-Prof. Peter Pohl). Daher hat er gemeinsam mit seinen Institutskollegen Simon Straßgschwandtner, MSc und Rohit Yadav, MSc sowie Kooperationspartner*innen von den Universitäten Chicago und Graz einen neuen, ergänzenden Ansatz entwickelt.

Mit finanzieller Untertützung des FWF und im Rahmen des Doktoratsprogramms „NanoCell“ (https://www.jku.at/institut-fuer-biophysik/lehre/doctoral-program-nanocell/) ist es den drei Biophysikern gelungen, erregbare Zellen über lichtempfindliche Lipide, also Fette, zu steuern. Diese sogenannten Fotolipide können mithilfe von Licht Reize setzen, also Aktionspotenziale induzieren. „Kurz: Wir können mit den Fetten die Nervenzellen auslösen. Und das ohne jedes gentechnisch veränderte Material“, so Straßgschwandtner.

Anwendung am Menschen denkbar

Die Nervenzellen lassen sich aber nicht nur erregen, sondern auch abregen. Ultraviolettes Licht beispielsweise löst eine Reaktion der Nervenzelle aus, blaues Licht unterbindet diese. Da sich die Fette unmittelbar in die Membran der Zelle einbauen, lassen sich die Neuronen ganz spezifisch auswählen und steuern.

„Das ergibt ein breites Feld an Anwendungsmöglichkeiten“, meint Rohit Yadav. „Vor allem in der medizinischen Diagnostik könnte das ein Durchbruch sein, um die Verschaltungen von Neuronen zu untersuchen. Da wir eben keine gentechnisch veränderten Materialien brauchen, ist die Anwendung am Menschen theoretisch denkbar.“

Dass die Methode funktioniert wurde bereits nachgewiesen und der innovative Ansatz gerade in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ publiziert. Bis zur klinischen Anwendung ist freilich noch viel Forschung nötig. Die drei JKU Wissenschaftler und ihr Leiter werden daher weiter an ihrem schonenden Ansatz zur Nervenforschung arbeiten.

Zum Paper: https://rdcu.be/dx1Ig, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster