Die Universitätsmedizin gibt bei „seltenen Erkrankungen“ Antworten und Hoffnung.
Zerbrechlich: Bei Patient*innen mit der sogenannten Glasknochenkrankheit können schon geringe Erschütterungen und Unfälle zu Frakturen führen. Bei der schlimmsten Variante bereits im Mutterleib.
Bei Naomi entdeckten die Kinderärzt*innen die Krankheit bereits vier Monate vor ihrer Geburt. Der Oberschenkel war im Ultraschall bei einer Routine-Untersuchung beim Frauenarzt zu kurz. Die Diagnose „Osteogenesis imperfecta“ – also Glasknochenkrankheit – stellte dann Univ.-Prof. Wolfgang Högler von der Johannes Kepler Universität Linz. So konnte gleich nach der Geburt des Mädchens mit einer Behandlung der angeborenen Störung der Skelettentwicklung begonnen werden.
Warum die Knochen brechen
„Durch einen Gendefekt wird nicht genug Knochenmasse gebildet. Die Knochen sind spröde und brechen rasch – auch ohne Unfall“, sagt der Professor am Kepler-Universitätsklinikum (KUK) Linz. Was fehlt, sei laut Högler das Kollagen. Dieses Protein ist dafür verantwortlich, dass die mineralischen Bestandteile des Knochens gut eingebettet sind und eine gewisse Elastizität erreicht wird.
Beim schlimmsten Schweregrad dieser Art von Osteoporose sind die Beeinträchtigungen so massiv, dass Kinder nicht lebend zur Welt kommen oder innerhalb des ersten Lebensjahres sterben. Bei milden Formen wird die Krankheit manchmal erst im Erwachsenenalter entdeckt. Typisch sind neben vielen Frakturen auch Kleinwüchsigkeit und Muskelschwäche. „Rückenschmerzen können durch Wirbelkörper-Frakturen bedingt sein“, sagt der Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde.
Weil nur eines von 15.000 Neugeborenen von der Glasknochenkrankheit betroffen ist, wird diese oft erst spät erkannt und behandelt. „Eltern und Kolleg*innen müssen verstehen, dass man für Kinder oder Erwachsene mit einer seltenen Krankheit einen Experten oder eine Expertin nur an einer Universitätsklinik findet. Diese Familien müssen viel reisen“, sagt Högler. An der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde gibt es 22 Spezialambulanzen für seltene Krankheiten, in denen kleine Patient*innen und ihre Familien betreut werden. Nicht nur von Ärzt*innen, sondern auch von Psycholog*innen, Physio- und Ergotherapeut*innen.
Infusionen stärken das Skelett
Zur Behandlung: Spezielle Infusionen helfen, dass mehr Knochen aufgebaut wird. Das Skelett wird dadurch gestärkt, Brüche treten seltener auf. „Wir schauen weit in die Zukunft: Bei einem Kind wachsen die Knochen kontinuierlich, jeden Tag – und durch die Therapie in besserer Qualität. Bei kleinen Patient*innen können so – im Gegensatz zu Erwachsenen können Kinder bei frühzeitiger Behandlung oft sehr gute Ergebnisse erzielen. Durch unsere Therapie können – im Unterschied zu Erwachsenen – sogar Wirbelbrüche wieder aufgebaut werden“, sagt der Spezialist.
Auch für Naomi, die in zwei Wochen ihren achten Geburtstag feiert, bedeuten diese Verbesserungen reine Lebensqualität. Der Vater der kleinen Seewalchnerin, Adrian Viman, ist dankbar: „Die Behandlung im KUK ist erstklassig und wir durften uns auch an einer Studie beteiligen. Wir merken, wie gut Naomi die Infusionen helfen.“