JKU Technologie: Künstliche Nanofasern sollen Nerven heilen

Wird das Nervensystem beschädigt, kann das zur Lähmung der Gesichtsmuskulatur, der Finger und Hände oder auch der Füße und Zehen führen.

Sebastian Lifka; Credit: privat
Sebastian Lifka; Credit: privat

Betroffene leiden oft sehr lange darunter, mitunter ihr ganzes Leben lang. Eine neue Technologie der Johannes Kepler Universität Linz zeigt erste vielversprechende Ergebnisse, die Heilungschancen deutlich zu erhöhen.

Schäden am peripheren Nervensystem sind so einschneidend, weil die Nervenbahnen sich nur sehr langsam regenerieren. Um die Lebensqualität dieser Patient*innen zu erhöhen, werden dringend Implantate benötigt, die genau diese Regeneration unterstützen.

„Speziell bei schweren Defekten von Nervenbahnen brauchen die Nervenzellen gezielte Unterstützung, um die Unterbrechung zwischen den beschädigten Nervenenden zu überbrücken“, erklärt DI Dr. Sebastian Lifka vom JKU Institut für Medizin- und Biomechatronik und Erstautor des im Rahmen des Projekts entstandenen Papers. Bislang werden in der klinischen Praxis den Patient*innen Stücke von weniger wichtigen peripheren Nerven entnommen und in die Lücken der beschädigten Nervenbahnen eingesetzt. Diese Gewebestücke dienen dann den Nervenzellen als Stütze und Leitstruktur bei der Regeneration. Das Problem: Durch den Vorgang wird natürlich der Spender*innennerv beschädigt, sodass immer noch Lähmungen und Gefühlsausfälle auftreten.

Neuer JKU Ansatz
Ein neuer Ansatz ist ein Implantat aus künstlichen Nanofasern, das die beiden Nervenenden verbindet. Diese ausgerichteten Nanofasern unterstützen die Nervenzellen beim Überbrücken des Defekts, indem sie den Zellen die Wachstumsrichtung vorgeben und ihnen Halt bieten. Den JKU Forscher*innen ist es gelungen, die dafür nötigen Nanofasern mit einem speziellen Elektrospinning-Verfahren herzustellen.

Dabei wird eine Polymerlösung auf mikroskopisch kleiner Ebene durch elektrische Hochspannung massiv beschleunigt. Während des Flugs härtet die Polymerlösung aus und bildet die eigentliche Nanofaser, die sich dann auf einem Kollektor ansammelt. Um die für die Nervenregeneration notwendige parallele Ausrichtung der Fasern zu erreichen, wird der Kollektor mit mehreren tausend Umdrehungen pro Minute um die eigene Achse gedreht. Die Nanofaser wickelt sich dadurch, ähnlich einer Seilwinde, auf dem Kollektor auf und erzeugt somit ein Nanofaser-Vlies, bei dem die Fasern parallel ausgerichtet sind.

Der Natur nachempfunden
Um das Nanofaser-Vlies unbeschädigt vom Kollektor entfernen zu können, weist dieser eine spezielle Oberflächenstruktur auf, die sich die JKU Wissenschaftler*innen von Spinnen abgeschaut haben. „Die Tiere vermeiden mit dieser Struktur, dass sie an den eigenen Fäden festkleben“, so Univ.-Prof. Werner Baumgartner, der das Institut für Medizin- und Biomechatronik an der JKU leitet.

Tests erfolgreich
Erste Versuche, ein gerichtetes Wachstum von speziellen Nervenzellen zu erzielen, waren bereits erfolgreich. Dabei wurden Maus-Schwann-Zellen (das sind spezielle Gliazellen des peripheren Nervensystems, die das Axon einer Nervenzelle umhüllen und isolieren) verwendet. Dabei zeigte sich, dass sich die Nervenzellen tatsächlich an den Fasern orientierten und gezielt in Faserrichtung wuchsen.

Wichtiger Ansatz
„Im Gegensatz zum Zentralnervensystem ist eine Regeneration verletzter oder durchtrennter Axone im peripheren Nervensystem schwierig. Die Verwendung eines Implantates aus künstlichen Nanofasern,die den Defekt überbrücken und die neuronale Wachstumsrichtung während des Regenerationsprozesses vorgeben kann, wäre deshalb ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung des funktionellen Langzeitergebnisses nach peripheren Nervenverletzungen. Von ebenso großem Interesse wäre auch, diese Technologie auf das Zentralnervensystem, insbesondere bei Patient*innen mit Querschnittslähmungen, zu übertragen“, meint Univ.-Prof. Dr. Andreas Gruber, Vorstand der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Kepler Universitätsklinikum.

Auch Prof. Dr. Raimund Helbok, Leiter der Universitätsklinik für Neurologie am Kepler Universitätsklinikum, sieht großes Potenzial: „Die Regeneration von Nervenfasern ist ein zentraler Forschungsschwerpunkt vieler internationaler Arbeitsgruppen. Bei der hier beschriebenen Methode handelt es sich um einen innovativen und spannenden Forschungsansatz. Grundlagenwissenschaften dieser Art sind deshalb extrem wichtig, um den Fortschritt in der Medizin in diesem Bereich voranzutreiben.“

Bis es soweit ist, muss allerdings noch viel geforscht werden. Klar ist aber: „Implantate aus gerichteten Nanofasern stellen einen vielversprechenden Ansatz dar, die Heilung von Verletzungen der Nervenbahnen zu beschleunigen und zu verbessern“, hofft Lifka auf verbesserte Behandlungsmethoden von Nervenverletzungen.

zum Paper:
Oriented artificial nanofibers and laser ... | Open Research Europe (europa.eu), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster