Projektleitung:
-
Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer
Institut für Strafrechtswissenschaften, Abteilung für Unternehmensstrafrecht und Strafrechtspraxis
lm Forschungsprojekt werden das Unternehmensstrafrecht und die jeweilige Rechtspraxis in global agierenden ostasiatischen Wirtschaftsmächten rechtsdogmatisch und empirisch mit Fokus auf Menschenrechte im globalen Wettbewerb untersucht. Es soll damit das Unternehmensstrafrecht als bedeutsamer Ordnungsfaktor im Lichte des Gebots eines internationalen Menschenrechtsschutzes evaluiert werden.
Zentrale Konstante in diesem Feld sind transnationale Unternehmen als mächtige und aufgrund ihrer räumlichen und organisatorischen Struktur komplexe Gebilde, die aus einer menschenrechtlichen Perspektive in rechtlich nur rudimentär durchdrungenen Räumen agieren. Nationale Rechtsordnungen wie auch das Völkerrecht vermögen es in ihrer derzeitigen Verfasstheit nicht, bestehende Regelungsdefizite, das latente Verletzungsrisiko für Menschenrechte sowie damit einhergehende wettbewerbsrechtliche Verzerrungen wirksam zu handhaben. Im wissenschaftlich-dogmatischen Blick des (Unternehmens- und Völkerstrafrechts wurde diese Gemengelage stets in engen disziplinären Grenzen bearbeitet. Ein Grenzgang zwischen strafrechtlicher und völkerrechtlicher Ebene sowie zwischen den Wissenschaftsdisziplinen ist allerdings Voraussetzung, um die Haftung von transnationalen Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen sowie die Bedingungen für wettbewerbsrechtliche Fairness zu er- und begründen, wie es die hier ausgewählten Themenstellungen fokussieren:
- Im Völkerrecht ist dieses Unterfangen verwoben mit der Frage, ob transnationale Unternehmen (partielle) Völkerrechtssubjektivität genießen, und welche Strafrechtszwecke sich damit realisieren lassen.
- Ob Recht für diese Ordnungsaufgabe die richtige Kategorie ist, stellen alternative Ordnungsmodelle in Form von Soft Law in Frage. Solche Regime füllen das Regelungsvakuum, folgen abseits des rechtspositivistischen Ideals neuen kollektiven Normsetzungsmechanismen und durchdringen nationalstaatliche Normen.
- Die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit in Unternehmensstrafsachen mit Auslandsbezug ist ein virulentes und dogmatisch herausforderndes Problem. Nicht in allen Fällen besteht inländische Strafkompetenz sowohl gegenüber dem Anlasstäter (Entscheidungsträger, Mitarbeiter), als auch zugleich gegenüber dem Verband. Die (Zurechnungs-)Kriterien für die Begründung der internationalen Gerichtsbarkeit bei länderübergreifender Verbandsverantwortlichkeit werden analysiert und belastbaren Lösungen im Lichte aktueller Debatten und Entwicklungen (Lieferkettengesetze) zugeführt.
- Das Völkerstrafrecht schützt seiner Struktur nach vor schwersten Menschenrechtsverletzungen. In diesem Zusammenhang wird untersucht, ob die Handlungen und Unterlassungen transnationaler Unternehmen innerhalb ihrer Lieferketten unter völkerstrafrechtliche Tatbestände subsumierbar sind.
- Die Rolle von Politik(ern) und ihr steuernder Einfluss auf wirtschaftliche Entwicklungen findet national und global nicht in rechtsfreien Räumen statt. Die strafrechtlichen Grenzen politischer Gestaltung in Regierungsämtern sollen im Kontext mit einer neuen Political and Administrative Judgement Rule evaluiert und gegebenenfalls neu vermessen werden.
- Ein Rechtsvergleich zur Anwendbarkeit des Unternehmens- strafrechts auf transnationaler und völkerrechtlicher Ebene de lege lata und de lege ferenda knüpft an beide Ebenen an.
Das Vorhaben beabsichtigt, mit angesehen Universitäten in China, Indionesien und anderen Ländern des Globalen Südens in enge universitäre Kooperationen zu treten.