(19.10.2016) Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, was Ihre Jeans alles aushalten müssen? Die werden den ganzen Tag gedehnt, gebogen, abgerieben und werfen trotzdem Falten genau dort, wo sie sein sollen. - Für Modedesigner keine leichte Aufgabe, das optimale Ergebnis zu erreichen. Und da kommt neuerdings das Institut für Messtechnik ins Spiel.
Denn Univ.-Prof. Dr. Christiane Luible-Bär von der Abteilung für Fashion & Technology an der Kunstuniversität Linz hat hier angedockt, um ein Messsystem entwickeln zu lassen, das auf Stoffe optimiert ist. Die Skepsis bei Institutsvorstand Univ.-Prof. Dr. Bernhard Zagar war anfangs groß. Denn Stoff ist durch seine Machart inhomogen und ein äußerst schwieriges Material mit komplexem Verhalten. Trotzdem ist es inzwischen gelungen, ein Messsystem zu entwickeln, mit dem einzelne Stoffparameter genau vermessen werden können: derzeit bereits das Biegeverhalten, das vor allem für den Faltenwurf eines Stoffes verantwortlich ist (dazu wurde soeben eine Masterarbeit abgeschlossen), künftig sollen auch das Dehnungsverhalten, Elastizität, Reibung und Gewicht gemessen werden können.
„Hier geht es aber nicht um die Qualität des Stoffes“, sagt Luible-Bär, „denn dafür gibt es bereits Messsysteme, sondern darum, dass man die gemessenen Parameter in richtiger Bandbreite für ein Simulationssystem verwenden kann.“ Denn Modedesign passiert heute am Computer, der Stoff wird nicht mehr real zusammengenäht sondern das Design am Computer simuliert. Und dies funktioniert umso besser, je detailliertere Daten man über den Stoff in den Computer hineinfüttern kann.
Heute arbeiten vor allem Firmen für Sportbekleidung mit der 3D Simulation, um teure Prototypen von Bekleidung schneller und günstiger herzustellen. Nur wenn der virtuelle Prototyp genau simuliert ist, mit den richtig gemessenen Stoffparametern, kann dieser den realen Prototypen ersetzen.
In einer zweiten Masterarbeit wird derzeit an der Messmaschine in ihrem gesamten Aufbau gearbeitet.
Von den Stoffen reicht ein etwa 20 mal 20 Zentimeter großes Stück aus, um - entsprechend in der Maschine vorgespannt - daran die Messungen vorzunehmen.
Im Vorfeld wurden bei Athleten Bewegungsdaten während des Sports aufgenommen und auf einen virtuellen Avatar umgelegt. „Wir wissen genau, wie viel, wie oft und wie schnell der Stoff bewegt wird“, sagt Luible-Bär. Dadurch kann auch die Eignung eines Stoffes für ein bestimmtes Kleidungsstück getestet werden.
Die gemessenen Stoffparameter dienen schließlich auch dazu, neueste Kompressionssportbekleidung genau zu testen, also Bekleidung, welche mit einem bestimmten Druck am Körper anliegt, um die Leistung und Regeneration eines Sportlers zu steigern. Diese neue Art von Sportbekleidung könnte ohne genaue Simulation überhaupt nicht getestet werden.
„Wir hatten für Prof. Zagar noch eine ganz besondere Aufgabenstellung“, sagt Luible-Bär. „Grundbedingung ist nämlich, dass die Maschine, die hier entwickelt wird, dann auch wirklich von Modeleuten bedient werden kann. Und diese Menschen sind bisher nicht als besonders Technik-affin bekannt.“ Zusätzlich dürfe die Maschine, wenn sie denn in Massenproduktion gehen sollte, nicht viel kosten, da in der Modebranche an allen Ecken und Enden gespart wird.
„Bis das ganze Messsystem fertig ist, wird es sicher noch etwas dauern“, sagt Zagar, „ aber wenn ich an meine anfängliche Skepsis zu dem Thema denke und mir anschaue, was wir inzwischen bereits erreicht haben, bin ich zuversichtlich, dass wir zu einem verwertbaren Ergebnis kommen, das für die Modeindustrie wirklich einen wichtigen Schritt darstellt.“